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Patchwork-Familien - Knifflig wie ein Puzzle, wenn es ums Erben geht

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Achtung Erben: Sechs Fallen für Patchwork-Familien

Scheidung, neue Partner, Kinder aus erster und zweiter Ehe, Lebensgemeinschaften - unser Erbrecht hinkt dieser Lebensrealität hinterher. Daher braucht Erben und Vererben für sogenannte Patchwork-Familien gute Planung. Nichtstun kann teuer werden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Sollen meine leiblichen Kinder oder meine Stiefkinder erben? Wie halte ich den geschiedenen Partner vom Erbe fern? Lohnt es sich nochmal zu heiraten? Das sind nur einige der Fragen für alle, die nicht dem Ehebild des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechen. Das geht nach wie vor davon aus, dass Paare nach der Heirat lebenslang zusammenbleiben und im Todesfall nach klaren Regeln erben.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Erbregeln werden anderen Lebensentwürfen nicht immer gerecht. Daher kann es für Betroffene gerade beim Thema Erben und Vererben komplizierter, oft ungerecht und manchmal teuer werden. Klar ist: Auf den Gesetzgeber zu hoffen, ist keine gute Idee. Hier tut sich absehbar nichts, denn mit Testament, Vermächtnis und Schenkung steht es jedem frei, aktiv zu werden und seine Erbsachen selbständig zu regeln. Das geht allerdings nicht zum Nulltarif, denn fast immer fällt erb-und steuerrechtlicher Beratungsbedarf an. Gerade deshalb sollten Betroffene sich um das Thema rechtzeitig kümmern. Was bei Nichtstun droht, zeigen sechs Fallstricke aus der täglichen Erbrechtspraxis mit Patchwork-Familien.

1. Auf gesetzliche Erbfolge verlassen

Patchwork-Konstellationen führen regelmäßig dazu, dass Blutsverwandte bei Erbschaften leer ausgehen können, sobald in der falschen Reihenfolge gestorben wird, warnt Erbrechtsexperte Gerrit Ponath von der Kanzlei Beiten Burkhardt. Hilfreich sei es daher, wenn sich Stiefeltern und Kinder aus erster Ehe nicht in einer Erbengemeinschaft befinden. Dazu muss jedoch die gesetzliche Erbfolge durch schriftliche, klare Bestimmungen ausgehebelt werden.

2. Adoption als Gestaltungsmittel übersehen

Die Kinder eines neuen Ehepartners sind die Stiefkinder des Erblassers. Sie sind nicht erbberechtigt und erhalten auch keinen Pflichtteil. Sollen sie dennoch erben, kann es kompliziert werden. Die einfachste Methode all dies zu verhindern, ist die Adoption. Dann sind leibliche und Stiefkinder erbrechtlich gleich gestellt.

3. Die erbrechtliche Stellung geschiedener Partner übersehen

Auch geschiedene Partner können ungewollt erben. Wenn nach dem Tod des Erblassers auch dessen erbendes leibliches Kind verstirbt, wird nicht der neue sondern der geschiedenen Partner als leiblicher Elternteil erben. Es sei denn, der Erblasser hat vorher ein Testament gemacht und darin einen anderen Ersatzerben bestimmt, zum Beispiel den neuen Ehepartner oder Lebensgefährten. Auch kann es sein, dass der geschiedene Partner bei minderjährigen Kindern des Erblassers das Sorgerecht erhält und Unterhaltsansprüche an deren Erbe anmeldet.

4. Ohne Trauschein drohen im Erbfall erhebliche Nachteile

Ohne Testament kein Erbe für den Partner ohne Trauschein. Doch selbst mit Testament drohen erhebliche erbschaftsteuerliche Nachteile. Wer die Heirat scheut und dennoch den Partner abgesichert sehen will, muss zum Beispiel an lebenslange Wohnrechte oder Vermächtnisse denken. Hier ist kostenverursachende juristische Beratung oder notarielle Begleitung oft unverzichtbar und manchmal zwingend.

5. Erbregelungen wenn nötig aktualisieren

Man muss erbrechtlich am Ball bleiben, denn sowohl die Lebensumstände als auch die Rechtslage können sich ändern. Zwei Beispiele: Wer etwa bei Wiederheirat sein Kind aus erster Ehe als Alleinerben erhalten will, braucht ein Testament. Darin muß er dem (eigentlich erbberechtigten) neuen Ehepartner lediglich den Pflichtteil oder eine geringere Erbquote zuweisen.

Auch erbschaftsteuerrechtlich kann sich manches ändern. Bislang gilt zum Beispiel, dass Stiefkinder leiblichen Kindern steuerlich gleichgestellt sind, etwa mit gleich hohen Freibeträgen. Doch es sei durchaus damit zu rechnen, dass solche Privilegien im Zuge einer Erbschaftsteuerreform wegfallen oder gemindert werden. Umso wichtiger sei es, so der Siegburger Anwalt Hartmut Göddeke, rechtzeitig die notwendigen Vorkehrungen zu treffen und informiert zu bleien.

6. Streitpotenziale rechtzeitig entschärfen

Wer alle Erben glücklich machen und Streit verhindern will, sollte sich zu Lebzeiten Gedanken machen, wie das Erbe im Ernstfall am einfachsten teilbar wird. Wohnimmobilien, Grundstücke, teure Gebrauchsgegenstände oder wertvolle Kunst sind oft nur schwer oder gar nicht teilbar. Hier kann vor dem Erbfall ein Verkauf helfen oder eine Wertermittlung, die später bei einer gerechten Verteilung verschiedener Gegenstände hilft.

Fazit: Nichtstun sollte keine Option für Patchwork-Familien sein

Zumindest erbrechtlich sollten Betroffene sich die Zeit nehmen und ihre spezielle Situation einmal in Ruhe durchdenken. Oft wird es dabei nicht ohne kostenverursachenden anwaltlichen Rat gehen. Eine kluge Strategie ist es, entsprechende Vorarbeiten sorgfältig zu erledigen - zum Beispiel eine aktuelle Vermögensaufstellung mit realistischen Verkehrswerten zu erstellen. Noch wichtiger ist es jedoch, den eigenen Willen zu ermitteln, seinen Lebensweg zu reflektieren und sich klar darüber zu werden, welche Gefährten und Begleiter man wie bedenken möchte. Am Testament führt oft kein Weg vorbei, an der aktiven Beschäftigung mit diesem für viele unangenehmen Thema ebenfalls nicht.

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