Porträt des Künstlers
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Maler Neo Rauch

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"Unbedarftes Personal": Maler Neo Rauch rechnet mit Politik ab

Mit einem Rundumschlag in der "Neuen Zürcher Zeitung" gegen die deutschen Entscheidungsträger sorgt der bekannte Leipziger Künstler für Aufsehen. Sich selbst hält er für konservativ und romantisch: "Ich sehe Deutschland nicht in guten Händen."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Ich erlebe schlaflose Nächte, wenn ich an Deutschland denke und die Welt; dann bin ich um den Schlaf gebracht", so der Maler Neo Rauch (63), der wohl bedeutendste Vertreter der "Leipziger Schule", die sich mit mal ironischen, mal aggressiven künstlerischen Kommentaren zur Gegenwart einen Namen machte. In der "Neuen Zürcher Zeitung" zog Rauch ordentlich vom Leder, zum Beispiel gegen Aktivisten aller Art: "Die pseudoreligiöse Anmutung vieler Protestbewegungen im Augenblick treibt mich sehr um. Das schreit nach einer aufklärerischen Einflussnahme. Aber das Lager der Aufklärer ist dünn geworden." Wer zum Megafon greife, der höre nicht mehr zu, so der Maler: "Darum sind Menschen mit Megafonen meine Feinde."

"Es ging nie so heikel zu wie im Moment"

Rauch sieht sich selbst als "masochistischen" Romantiker und ist der Überzeugung, als Maler müsse man konservativ sein. Er sei familiär geprägt von einer "gewissen Vorsicht gegenüber allem Neuen", was er allerdings nicht als Hemmnis sehe. "Wir schaffen uns gerade als Industrienation ab", schimpfte Rauch: "Wir nehmen uns vom Netz, verabschieden uns aus der Riege der ernstzunehmenden Völker. Und tun das mit Verve, Lust und Hingabe, mit religiöser Glückseligkeit. Ich kann da nur fassungslos neben diesen Vorgängen stehen und mir sagen: Solange ich hier im Atelier noch das Licht anschalten kann, ist alles gut."

Er "spüre Verantwortung", so Rauch und sehe "Deutschland nicht in guten Händen". Wie er das genau meint, erklärte er auch: "Ich habe das Gefühl, dass es nie so heikel zuging wie im Moment. Noch nie wurde das Land von so unbedarftem Personal regiert wie gegenwärtig." Eine "milde Form des Zorns" hat der Künstler gegenüber Westdeutschen, die seiner Meinung nach alle Schlüsselpositionen in den Universitäten, Medien und Politik unter sich ausmachten, weil sie mehr "Verdrängungsenergie" als Ostdeutsche und gelernt hätten, "dynamische Seilschaften" zu knüpfen.

"Ich sehe euch im Straßengraben liegen"

Mit viel Lust an der Polemik sagte Rauch über fortschrittlicher denkende Künstlerkollegen: "Irgendwann komme ich an euch vorbei und sehe euch im Straßengraben liegen, weil ihr alle überholen wolltet. Und dann seid ihr ganz woanders." Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Künstler die jüngste Documenta in Kassel, einerseits wegen der dort gezeigten "antisemitischen Vulgaritäten", aber auch, weil die Internationale Kunstschau einem "Kollektivismus" gehuldigt habe, was er als "Attacke" auf den einzelnen Künstler als "Sonderling" verstanden habe.

Die "Neue Zürcher Zeitung" ist bekannt für ihre betont konservative Ausrichtung, die gern auch angebliche Missstände in Deutschland thematisiert. Auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken sorgte das Interview umgehend für eine lebhafte Debatte. Die einen pflichteten Neo Rauch bei, andere forderten, er solle mal "was Neues erzählen". Es gab auch Beobachter, die ihn in einem Atemzug mit Thilo Sarrazin erwähnten ("Deutschland schafft sich ab"). Weil die BILD-Zeitung berichtete, fragte sich eine Leserin: "Was qualifiziert einen Maler, dass seine politische Meinung in einer großen Zeitung publiziert wird?" In einem weiteren Tweet hieß es: "Auch Künstler haben das Recht auf die eigene Meinung und sei sie auch noch so beschränkt."

Er bebilderte in Bayreuth den "Lohengrin"

Neo Rauch gilt schon länger als umstrittener Maler, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht: Nachdem der Kunstkritiker Wolfgang Ullrich in einem ZEIT-Essay bei dem Künstler Ende Mai 2019 "Motive rechten Denkens" entdeckt haben wollte, revanchierte sich der so Gescholtene mit dem Bild "Der Anbräuner", auf dem ein Künstler über einem Nachttopf hockend mit seinen Exkrementen sudelt. Der so derb geschmähte Ullrich wiederum schrieb über die Auseinandersetzung ein Buch: "Feindbild werden. Ein Bericht" (2020). Seitdem wogt die Debatte munter hin und her.

Als "vergleichsweise konservativ" wurde das Bühnenbild des Künstlerpaars Neo Rauch und Rosa Loy für den "Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen beschrieben. Sie hatten sich dabei nach eigener Aussage vom Blau der berühmten Delfter Porzellankacheln inspirieren lassen, was Kritiker als oberflächliche Illustration tadelten. Es gab allerdings auch Stimmen, die diese Arbeit rühmten, weil sie "sensibel auf Untertöne der Frauen- und Ostfeindlichkeit" reagiere.

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