Die Kirche Sankt Benedikt in Schäftlarn-Ebenhausen.
Bildrechte: Christoph Leibold

Derzeit für die Öffentlichkeit geschlossen: Die Kirche Sankt Benedikt in Schäftlarn-Ebenhausen.

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Umbau statt Abriss: Wie leere Kirchen genutzt werden könnten

In ganz Deutschland schwinden den Gemeinden die Gläubigen, weswegen viele Kirchen leer stehen und verfallen. Ein Manifest fordert nun, die entweihten Gebäude umzunutzen und für die Öffentlichkeit zu erhalten.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Morgen am .

Sie ist eine von knapp 130 katholischen Kirchen bundesweit, die in den letzten fünf Jahren profaniert wurden: Sankt Benedikt in Schäftlarn-Ebenhausen im Isartal. Wer sie ins Navi eingibt, findet dort den nüchternen Vermerk: "Dauerhaft geschlossen". Kirchenpfleger Karl Egner sperrt ausnahmsweise auf. Er sagt: "Früher hätt' ma' hier jetzt ein Kreuzzeichen gemacht, aber jetzt ist es halt nur noch ein Gebäude. Mit einem leeren Tabernakel und einem leeren Altar."

Ende 2023 fand hier noch einmal ein Gottesdienst statt, der Profanierungsgottesdienst, danach war buchstäblich die letzte Messe gelesen, der Herrgott quasi ausgezogen: "Jeder Altar in der katholischen Kirche hat ja eine Reliquie. Und die war hier eingemauert", erklärt Egner, "und das war mit einer der bewegendsten Momente, wie wir das aufgemacht haben; und die Reliquie raus."

Traurig wie unvermeidlich

Ein Vorgang, so traurig wie unvermeidlich, sagt Kirchenpfleger Egner: "Wir haben die letzten Jahre gesehen, dass es hier immer lichter geworden ist. Und wenn dann am Schluss – gerade nach Corona, wo es sich noch mal ausgedünnt hat – bloß noch fünf Leute herinnen waren zu einem Sonntagsgottesdienst, dann überlegt man sich halt, ob sich das Ganze rentiert. Man hat ja auch sehr hohe Kosten."

Was Sankt Benedikt gewissermaßen das Kreuz gebrochen hatte: Die asbesthaltigen Dachschindeln mussten abtragen werden. Der immense Kostenaufwand für eine Neueindeckung hätte in keinem vertretbaren Verhältnis zur überschaubaren Anzahl der Gläubigen gestanden, die sich hier noch einfanden. Seit fünf Monaten steht der 60er-Jahre-Bau nun also leer und die Frage im Raum: Abriss oder Umnutzung?

Die Kirche als öffentlicher Raum

"Kirchen sind doppelt kodierte Räume", sagt Kunsthistorikerin Barbara Welzel vom Verband für Kunstgeschichte, der ein neues "Kirchenmanifest" unterstützt, das sich für den Erhalt der entweihten Kirchen einsetzt. "Doppelt kodiert" – das bedeutet: Kirchen sind zwar auch, aber eben nicht nur Gotteshäuser: "Sie sind Räume, die die Geschichte der Menschen mit Gott in ihrer Religion und Religionsausübung über die Jahrhunderte bezeugen. Sind aber seit der Säkularisierung auch kulturelles Erbe. Und das ist ein strikt säkularer Begriff. Wir haben alle ein Teilhaberecht, diese Räume anzuschauen, die Kunstwerke darin anzuschauen."

Der Erhalt der Kirchenbauten liegt demnach im Interesse der gesamten Gesellschaft, nicht nur in dem einer schrumpfenden Gemeinde von Gläubigen. Und neben dem kultur- und kunstgeschichtlichen Wert der Gebäude kommen dabei auch andere Aspekte zum Tragen.

Hervorragende Akkustik für Konzerte

Was beispielsweise Sankt Benedikt in Schäftlarn-Ebenhausen angeht, so sagt Kirchenpfleger Karl Egner, der Raum eigne sich vorzüglich für Konzerte. Wieso also Sankt Benedikt nicht als Konzertsaal erhalten? "Wir haben eine wunderbare Orgel, wir haben eine tolle Akustik mit dem offenen Dachstuhl. Und das ist was, was natürlich der Gemeinde hier sehr fehlen würde", sagt Egner.

Alternativ wird über den Einzug einer Kindertagesstätte oder Tagespflegeeinrichtung für Senioren diskutiert. Ähnliche Ideen, wie sie auch die Initiatoren des Manifests zum Erhalt der profanierten Kirchen befürworten, die sich vieles vorstellen können, nur keine Kaufhäuser oder andere Konsumtempel: "Wir würden gerne das Nicht-Kommerzielle der Räume erhalten, das Öffentliche der Räume. Und dann geht es bei unserem Verständnis darum, Nutzungen zu finden, die weiterhin am Gemeinwohl orientiert sind."

Industriedenkmäler als Vorbild

Finanziert werden sollen solche Nutzungen durch eine Stiftung, die freilich erst noch ins Leben gerufen werden müsste. Aber, erklärt Barbara Welzel vom Verband für Kunstgeschichte, es gibt ein konkretes Vorbild, an dem man sich dabei orientieren kann: "Wir haben im Ruhrgebiet die Stiftung der Industriedenkmale, die sich, als diese Bauten außer Gebrauch gefallen waren, zusammengetan hat und mit verschiedenen Akteuren von Bund, Kommunen, Ländern und Wirtschaft Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen hat, um den Verwertungsdruck von den Bauten zu nehmen."

Was mit den Industriekathedralen, die zu Kulturstätten umgewidmet wurden, geklappt hat, könnte auch bei Kirchen funktionieren. Im Pfarrverband Schäftlarn dürften solche Vorstöße auf offene Ohren treffen. Nur bald müsste etwas passieren, findet auch Egner: "Sie haben gesehen, da ist eine Folie auf dem Dach, die wird nicht ewig halten, dann läuft das Wasser irgendwo rein, das wird ja alles nicht besser."

Aber immerhin: Das Manifest macht Hoffnung. Im Idealfall hieße es über Sankt Benedikt im Navi dann bald nur noch: „vorübergehend geschlossen“.

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