Der Schriftsteller Axel Hacke
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"Über die Heiterkeit": Das neue Buch von Axel Hacke

Auf Platz 3 der Spiegel-Bestseller-Liste rangiert derzeit das neue Buch des Münchner Schriftstellers und Kolumnisten Axel Hacke: "Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten". Ein kluges Plädoyer für eine Lebenshaltung.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Heiterkeit ist eine moralische Frage. Mürrische Leute, die andere mit ihren Problemen behelligen, halte ich für rücksichtslos." So hat es Hans Magnus Enzensberger mal gesagt, den man als grundheiteren Menschen beschreiben darf. Aber was ist das überhaupt: Heiterkeit? Und darf man eine heitere Lebenshaltung an den Tag legen angesichts all der Krisen, Kriege und Naturkatastrophen um uns herum?

Ist da die "neue Beschwertheit" der jüngeren Generation, wie der 67-jährige Axel Hacke sie nennt, nicht sehr viel angemessener? Über die Heiterkeit lohnt es sich in jedem Fall nachzudenken. Das macht der Münchner Autor in seinem jüngsten Buch, in welchem er den irgendwie sehr deutschen Begriff "Heiterkeitsarbeit" prägt.

Heiterkeit ist ein Entschluss

Denn auch der Verfasser heiterer Kolumnen muss sich diese "bestimmte Sicht auf das Leben" mitunter hart erkämpfen. Im Gespräch sagt Hacke, diese Heiterkeit müsse ein jeder "auch ein bisschen in sich selbst suchen, insofern ist das ganze Buch eigentlich ein Selbstgespräch". Landläufige Vorstellungen von Heiterkeit – ein aufgekratzt lustiges Witzbold-Dasein – sind Hackes Sache nicht. Selbst nicht frei von melancholischen Anwandlungen und gelegentlichen "Gemütsverdunkelungen" stellt Hacke in dem ihm eigenen, lässigen Parlando fest: Serenität ist ein Entschluss. Und heißt immer auch: Gelassenheit, Gemütsruhe, Souveränität, Nachsicht.

Mit ihrer Hilfe meistern wir schwierige Situationen – sei es beim Elternabend, sei es beim frühen Tod eines engen Freundes oder auch im nicht immer stressfreien familiären Beziehungsalltag. Heiterkeit, schreibt Hacke, sei stets auch eine ganz bewusste Entscheidung. Und oft genug sei sie widrigen Umständen abgetrotzt – sei es einer schweren Krankheit oder einer schwierigen Kindheit, wie er am Beispiel des Zeichners Sempé erklärt.

"Sempé hatte eine äußerst schwierige Kindheit", so Hacke im Interview mit dem BR. "Der Vater war ständig betrunken und hat deshalb immer Streit mit der Mutter gehabt. Er hat dann irgendwann die Entscheidung getroffen, zu sagen: Ich kann mein Leben nicht in Traurigkeit verbringen. Auf Sempés Bildern sehen sie diese relativ kleinen Menschen, die immer äußerst intensiv mit irgendwas beschäftigt sind: Radfahren, Patiencen-Legen oder Geigespielen." Er selbst sei beim Anschauen dieser Bilder immer sehr berührt, so Hacke, weil er sich und den Ernst, mit dem der Mensch Dinge betreibe, darin wieder kenne. "Aber dann gibt es diesen weiten weißen Raum um die Figuren auf den Blättern Sempés, diese vielen Möglichkeiten, die darin liegen. Man empfindet beim Betrachten ein Wohlwollen den von ihm gezeichneten Menschen gegenüber, und das würde ich zur Heiterkeit unbedingt dazuzählen wollen. Das heißt, dass man dem anderen a priori offen, neugierig und mit Interesse begegnet."

Es gibt kein Emoji für Heiterkeit

Der Rezensent hat kürzlich eine junge Autorin nachgerade entsetzt sagen hören, das Schlimmste, was man ihr sagen könne, sei, dass sie heitere Bücher verfasse. Deutet das darauf hin, dass Heiterkeit bei jüngeren Menschen vielleicht verpönt ist? Hacke, Vater vierer Kinder, erkennt im Gespräch "schon so etwas wie einen Generationenkonflikt": "In dem Sinne, dass junge Leute ihren Eltern – und da weiß ich, wovon ich rede – heute vorwerfen, dass sie mit ihrer Leichtlebigkeit sozusagen deren Zukunft verspielt haben, indem sie die Klimaszenarien beispielsweise nicht wirklich ernst genommen haben."

Hacke versteht den daraus resultierenden Ernst durchaus. Sieht aber gleichzeitig, dass gerade die Jüngeren tagein tagaus auf TikTok oder Instagram argusäugig aufeinander schauen, ob jede und jeder sich auch wohlverhält. "Strenge Zeiten", diagnostiziert Hacke. Vielleicht sind diese digitalen Kanäle und Plattformen ja doch eher Heiterkeitsverhinderer denn Stimmungsaufheller. Dort werden Emojis en masse verwendet, wofür Hacke in seinem Buch die deutsche Entsprechung "Gefühlsgesichter" findet. Womöglich ist es ja bezeichnend, dass es vor allem übertrieben Tränen lachende Visagen gibt. Brülllachen. Ein adäquates Gefühlsgesicht für Heiterkeit hingegen würde ein sanftes Lächeln zeigen.

Das Leben mit Thomas Mann "durchheitern"

In einem Kapitel erinnert Hacke dankenswerterweise an den fast vergessenen großartigen Kabarettisten Werner Finck (1902-1978), der als Gegner des Nazi-Regimes permanenter Verfolgung ausgesetzt war und seinen Häschern so mutig wie hintersinnig mit mehrdeutigen Wortspielen trotzte. Heiterkeit ist auch ein Spiel, hier war es natürlich in der braunen Diktatur ein lebensgefährliches. Mit Heiterkeit kann man sich aber eben auch gegen Feinde wappnen. Sie ist eine Waffe des Geistes, weshalb der französische Aufklärer Nicolas Chamfort einst schrieb: "Nachsichtige Verachtung mit dem Sarkasmus der Heiterkeit verbinden: Das ist die beste Philosophie für die Welt."

Selbstverständlich kommt in Hackes Vademecum auch derjenige zu Wort, der das Verb "durchheitern" erfunden hat: Thomas Mann. Der Literaturnobelpreisträger war der Meinung, man müsse Geschichten mit einer gewissen Heiterkeit durchwirken. Dem Verfasser dieser Zeilen ist in diesem Zusammenhang ein wunderbar komischer Tagebucheintrag von Thomas Mann vom 20. September 1938 in den Sinn gekommen: "Ich brauche Heiterkeit und das Bewusstsein meiner Bevorzugung." Ein herrliches Lebensmotto, findet Axel Hacke und sagt lachend: "Das Bewusstsein der Bevorzugung haben wir doch eigentlich alle ganz gern. Wir wollen das Gefühl haben, von anderen etwas zu bekommen. Ich glaube aber, die Voraussetzung dafür, dass man etwas bekommt, ist, dass man selbst erst mal etwas gibt: Nennen wir es Freundlichkeit oder eben – Heiterkeit."