Porträt des Bayerischen Wissenschafts- und Kunstministers
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Markus Blume

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"Toll für die Aussicht": Macht Bayern zu wenig für die Kultur?

Geradezu "erbärmlich" sehe das Areal aus, wo ein neues Konzerthaus für München entstehen soll, hieß es im Bayerischen Landtag. Trotzdem sieht sich Kunstminister Markus Blume gezwungen, das Projekt "ohne Hast" anzugehen: Er hofft auf "Verständnis".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Selbst der vergleichsweise wohlhabende Freistaat muss bei seinen Kulturausgaben in den nächsten Jahren auf die Bremse treten, wie der bayerische Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume (CSU) bei einer Grundsatzdebatte im Landtag durchblicken ließ. So gehen die Planungen für ein neues Konzerthaus in München zwar weiter, ob und wann es gebaut wird, darüber machte Blume aber keine konkreten Angaben. Ministerpräsident Markus Söder hatte dem Projekt, das bis zu einer Milliarde Euro kosten soll, eine "Denkpause" verordnet, was Blume begrüßte: "Wir sind froh und dankbar, dass wir diese Denkpause haben, weil jeder im Moment merkt, dass halt nicht alles geht. Wir haben plötzlich ganz andere Prioritäten, wir hatten auch drei Jahre Groß-Pandemie, wir haben derzeit Großkrise, Krieg in Europa, wir haben die Energieprobleme und vieles andere mehr." All seine Gesprächspartner hätten "Verständnis" gezeigt, dass diese Themen ein Projekt wie den Konzertsaal überschatteten.

"Riesenrad ist toll für die Aussicht"

Eine Entscheidung über den Bau des Konzerthauses im Werksviertel am Münchner Ostbahnhof sei "im Moment vernünftiger Weise leider nicht zu treffen", so Blume, der in absehbarer Zeit auf belastbare Zahlen über die voraussichtlichen Kosten hofft und dann "ohne Hast" vorgehen will. Mit der Stadt München sei er zwar im Gespräch, sie könne dem Freistaat allerdings bei der Entscheidungsfindung "nicht weiterhelfen", da sie mit der anstehenden Sanierung des Kulturzentrums Gasteig ihr eigenes Projekt zu bewältigen habe. Er sei jedoch dafür, so Blume, dass der Freistaat und die Stadt die "kulturelle Infrastruktur gemeinschaftlich" nutzten: "Aber dafür muss erst mal jeder von uns seine Hausaufgaben gemacht haben."

Einstweilen wünscht sich Blume für das Areal eine kulturelle Zwischennutzung: "Das Riesenrad ist toll für die Aussicht, aber es muss nicht das Letzte sein, was wir dort sehen, solange es keinen Konzertsaal gibt." Er führe dazu gerade "spannende Gespräche", so der Minister.

"Der Anblick ist erbärmlich"

Wolfgang Heubisch (FDP), der stellvertretende Vorsitzende im Kulturausschuss und von 2008 bis 2013 selbst Ressortchef, erinnerte daran, dass München über "Weltspitzen-Orchester" verfüge: "Ich war jetzt am Europatag wieder draußen im Werksviertel. Man muss ja im Nachhinein froh sein, dass da ein Riesenrad steht, weil der Anblick so erbärmlich ist. Wenn man sich vorstellt, dass über das Konzerthaus-Projekt 2016 entschieden wurde und jetzt haben wir 2023! Das ist weder für den Freistaat, noch die Landeshauptstadt ein Ruhmesblatt. Da müssen wir endlich in die Puschen kommen."

Auch was ein neues Naturkundemuseum auf dem Gelände von Schloss Nymphenburg unter der Bezeichnung "Biotopia" angeht, hielt sich Markus Blume sehr bedeckt. Das Vorhaben, das "Schaufenster und Erlebnisort" sein soll, ist sehr umstritten, Gegner witterten eine "Bausünde" und machten sich Gedanken über fehlende Parkplätze. "Wir sind im Moment noch im Überarbeitungsprozess. Es wird die Namensgebung ebenso überdacht wie bauliche Fragen. Der Arbeitstitel lautet 'Naturkundemuseum Bayern'. Wir sind derzeit dabei, die Machbarkeit zu klären, das Gutachten soll bis zur Sommerpause fertig werden", so der Minister. Fest stehe für ihn, dass das vorhandene und sehr beliebte Museum "Mensch und Natur" am selben Standort auf jeden Fall geöffnet bleibe, bis der Neubau fertiggestellt ist. Dabei sei es "sehr ambitioniert", auf das Jahr 2028 zu hoffen.

"Mich überzeugt das nicht"

Markus Blume wählte den Begriff "Kulturkaskade", um deutlich zu machen, dass viele teure Bauprojekte nur nacheinander bewältigt werden könnten, wobei nicht selten das eine vom anderen abhänge. So könne das Bayerische Nationaltheater in München erst renoviert werden, wenn das Residenztheater nebenan modernisiert worden sei: "Es geht nicht darum, alle Kulturtempel Stein für Stein so zu konservieren, wie sie immer waren. Wir müssen sie weiterentwickeln, sie müssen atmen, immer unter den Voraussetzungen des Denkmalschutzes."

Der Würzburger Abgeordnete Volkmar Hartleib von der SPD konnte sich mit dieser Art "Treppen-Strategie" nicht anfreunden: "Bei der Kaskade fängt man ja erst mal ganz unten an und irgendwann, weit jenseits der eigenen Minister-Amtszeit werden dann die großen Projekte realisiert. Es steigert sich nach oben. Mich überzeugt das nicht. Das ist eindeutig der Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen, aber es bleibt trotzdem eine Not, nämlich viele Projekte nicht so zeitnah zu verwirklichen, wie es nötig wäre." Im Übrigen sei es höchst verwunderlich, dass Blume die "Kulturagenda der Staatsregierung" wenige Monate vor dem Ende der Legislaturperiode ankündige - der Beginn sei dafür wohl der bessere Zeitpunkt.

Kritik an Berlin-Förderung

"Zu sagen, wir machen zu wenig, das kann ich wirklich nicht gelten lassen. Wir haben Woche für Woche, Monat für Monat Spatenstiche und Eröffnungen", verteidigte sich Blume gegen Kritik, Bayern investiere zu wenig in die Kultur. Die finanzielle Förderung der Theater zum Beispiel sei in diesem Jahr "ganz, ganz deutlich erhöht" worden. Das gesamte Gehaltsgefüge sei verbessert worden.

Ungnädig reagierte Blume auf die aktuelle Kulturpolitik des Bundes, die Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) verantwortet. Er stelle fest, dass diese ihre "Hausaufgaben nicht mache" und auf der anderen Seite versuche, die "Kulturhoheit der Länder" zu untergraben. Dazu zählt er den Vorschlag, das Staatsziel Kultur ins Grundgesetz aufzunehmen: "Das bedeutet nicht, dass es Geld vom Bund gibt." Es gebe eine "Schieflage", nämlich eine "klare Überbevorteilung von Berlin". Die Hauptstadt erhalte aus Bundesmitteln jährlich rund 600 Millionen Euro für die Kultur. Gleichzeitig stehe die Reform der Künstlersozialversicherung durch den Bund aus, und auch ein Gesetz, dass die Rückgabe von Kulturgütern regelt, vermisst Blume.

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