Beim Treffen im Moskauer Kreml
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Reden über Literatur: Putin (rechts) und Emir Kusturica (Mitte) mit Übersetzerin

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Regisseur Kusturica rühmt Putin für "historische Gerechtigkeit"

Der vielfach preisgekrönte serbische Filmemacher will seine Karriere mit einem Kino-Dreiteiler über russische Klassiker beenden und lobt Putin bei einem Treffen im Kreml als "Kämpfer für die Slawen". Der Präsident dankt für den "produktiven Appell".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Einmal mehr profiliert sich der aus Bosnien stammende serbisch-französische Filmregisseur Emir Kusturica als radikaler Nationalist. Mit seinen großserbischen Propaganda-Reden verstört der mehrfache Gewinner der Goldenen Palme des Filmfestivals von Cannes und des Silbernen Löwen von Venedig seit Jahren das westliche Publikum, inzwischen sucht der selbst ernannte Anwalt aller Slawen offenbar den Schulterschluss mit Putin. "Ich möchte Ihnen für die historische Gerechtigkeit danken, die Sie persönlich den Slawen widerfahren lassen. Was jetzt in der Ukraine passiert, ist ein Kampf für uns", rühmte Kusturica bei einem Treffen im Kreml den russischen Präsidenten. Der Regisseur behauptete, 230.000 Serben seien 1995 aus Kroatien vertrieben worden: "Dieser Vergleich ist für uns alle sehr wichtig."

Russland gelinge derzeit, woran Serbien einst gescheitert sei. "Die Geschichte wird normalerweise im Nachhinein bewertet, Politiker und Intellektuelle können sie allerdings schon vorzeitig interpretieren. Was wir damals in den 1990er Jahren nicht geschafft haben, gelang Ihnen heute. Um Ihre Kultur zu schützen, die bedroht war, um Ihre Religion in einem Gebiet zu verteidigen, aus dem sie eigentlich verschwinden sollte", sagte Kusturica.

"Sehr ähnliche Phänomene"

Putin revanchierte sich für die devote Lobpreisung mit dem Kompliment, die Einschätzungen von Kusturica über die "tragischen Ereignisse in der Ukraine" deckten sich völlig mit den seinen: "Es ist so. Was in Serbien passiert ist und was jetzt zwischen Russland und der Ukraine geschieht, nämlich die Erhebung der faschistischen Elemente der Ukraine auf einen Denkmalsockel, die Vergangenheit, die ihnen gegenwärtig neues Leben einhaucht, das sind natürlich alles sehr ähnliche Phänomene, sehr ähnlich."

Die Kunst müsse die "Realitäten des Lebens" abbilden, so Putin: "Daher kann Ihr Appell an die Geschichte meiner Meinung nach sehr interessant und produktiv sein." Der russische Präsident wiederholte seine hinlänglich bekannte Propaganda, Russland habe dem globalen Süden "wieder auf die Beine" geholfen und dadurch dem Westen seine Kolonien entrissen, deswegen seien die reichen Länder "beleidigt".

Abenteuerroman über Heilkundigen im 15. Jahrhundert

Kusturica kündigte an, "einige Motive" aus den russischen Klassikern "Schuld und Sühne" und "Der Idiot" von Fjodor Dostojewski, sowie Romane von Nikolai Gogol und Leo Tolstoi verfilmen zu wollen. Außerdem will er den Roman "Laurus" des aus Kiew stammenden Russen und zeitweiligen Wahl-Münchners Jewgeni Germanowitsch Wodolaskin für das Kino bearbeiten, die Abenteuergeschichte eines Heilkundigen, der im 15. Jahrhundert durch das von der Pest heimgesuchte Europa bis nach Jerusalem reist. Das Buch war 2012 ein großer internationaler Erfolg und erschien in Übersetzungen in 17 Ländern.

"Junger Mann, der Abflussrohre reinigt"

"Ich denke, es wird eine sehr interessante Erfahrung sein – Wodolaskin spricht über das mittelalterliche Russland, die frühe Orthodoxie und heilige Narren. Es war eine wahrhaft biblische Zeit, die sehr deutlich Russland widerspiegelt", so Kusturica. Das Drehbuch liege vor, die Besetzung sei noch nicht abgeschlossen. Nach diesen Arbeiten könne er seine Karriere dann beenden, so der 69-jährige Regisseur, der allerdings von Putin sofort die Schmeichelei zu hören bekam, davon könne noch gar keine Rede sein.

Gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS sagte Kusturica, der seit 2022 in Westsibirien ein Nachwuchs-Filmfestival leitet, er fühle sich bereits als russischer Staatsbürger, weil er das Land "sehr liebe", verstehe sich allerdings als Weltbürger. Seinen Film nach Dostojewski-Motiven will Kusturica demnach in Sotschi drehen: "Er erzählt von einem jungen Mann, der Abflussrohre reinigt. Warum macht er das? Weil er Menschen helfen möchte, die einsam sind. Wohin du auch gehst, er wird dich begleiten, denn er ist einfach ein guter Mensch." Dostojewski habe sich, wie er selbst, immer für Randexistenzen begeistert.

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