Ein Luftangriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen - weltweit sorgt diese Nachricht für Entsetzen. Sieben Mitarbeiter der amerikanischen Hilfsorganisation "World Central Kitchen" wurden dabei getötet.
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Menschen inspizieren den Ort, an dem Mitarbeiter der World Central Kitchen getötet wurden.

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Weltweite Bestürzung nach tödlichem Angriff auf Gaza-Helfer

Eigentlich wollten die ausländischen Helfer die hungernde Bevölkerung Gazas versorgen. Dabei fielen sie einem israelischen Angriff zum Opfer. Deutschland und die USA fordern Aufklärung. Eine Zeitung berichtet über einen "Terrorverdacht".

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Der Tod von sieben ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff hat international große Empörung ausgelöst. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte Israel zu rascher Aufklärung sowie zum Schutz für humanitäre Helfer und Hilfslieferungen auf. Ihr "tiefes Mitgefühl" gelte den Familien der sieben getöteten Mitarbeiter von World Central Kitchen, erklärte Baerbock am Dienstag im Online-Dienst X.

Biden kritisiert Israel scharf

Ihr amerikanischer Amtskollege Antony Blinken und der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski äußerten sich nach direkten Gesprächen mit der israelischen Regierung ähnlich. US-Präsident Joe Biden machte Israel schwere Vorhaltungen: "Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen." Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei, beklagte Biden in einer schriftlichen Stellungnahme.

Die britische Regierung bestellte den israelischen Botschafter in London ein. Aus Großbritannien sowie aus Spanien und Ägypten gibt es ebenfalls Rufe nach Aufklärung. Das ägyptische Außenministerium sprach in seiner Erklärung von anhaltenden Angriffen Israels auf Organisationen, die im humanitären Bereich tätig seien.

Netanjahu: "Tragischer Fall" wird geprüft

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem "tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen". Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Israels Generalstabschef Herzi Halevi drückte sein Bedauern aus und sagte in einer Videostellungnahme: "Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte - in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen".

Organisation will Einsatz im Gazastreifen stoppen

Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bestätigte am Dienstag den Tod von sieben ihrer Mitarbeiter. Die Opfer stammten demnach aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten – zudem habe eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft.

Die Organisation will angesichts des tödlichen Vorfalls ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen "über die Zukunft unserer Arbeit treffen". Das Schiff "Jennifer" mit 250 Tonnen Hilfsgütern an Bord sei nach dem Vorfall aus Sicherheitsgründen zurück zum zyprischen Hafen Larnaka gefahren, bestätigte das örtliche Außenministerium.

Fahrt soll mit Israels Armee koordiniert gewesen sein

"Das WCK-Team war in einer konfliktfreien Zone in zwei gepanzerten Fahrzeugen mit dem WCK-Logo und einem ungeschützten Fahrzeug unterwegs", schrieb die Hilfsorganisation. Der Konvoi sei getroffen worden, obwohl man die Fahrt mit der israelischen Armee koordiniert habe.

Die Helfer hätten gerade ein Lagerhaus in der Ortschaft Deir al-Balah im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verlassen, als sie beschossen worden seien. Dort hätten sie mehr als 100 Tonnen humanitärer Lebensmittelhilfe entladen, die auf dem Seeweg in den Gazastreifen gebracht worden sei.

Bericht: Armee vermutete Terrorist in Gaza-Hilfskonvoi

Der israelischen Zeitung "Haaretz" zufolge ging der Angriff auf einen Terrorverdacht zurück. Die Streitkräfte hätten den Hilfskonvoi wegen der Vermutung attackiert, ein Terrorist sei mit ihm unterwegs gewesen, berichtete das Blatt unter Berufung auf nicht näher genannte Verteidigungsbeamte. 

Eine Einheit hätte demnach kurz vor der Einfahrt in die Lagerhalle einen bewaffneten Mann auf einem Lastwagen identifiziert, der beim Verlassen der Halle nicht mehr Teil der Autokolonne gewesen wäre. Eine Drohne hätte drei Raketen auf die Autos abgefeuert. Die Angaben ließen sich zunächst allesamt nicht unabhängig überprüfen.

Mit Informationen von dpa und AFP

Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel wurde um weitere Reaktionen ergänzt.

Im Video: BR-Korrespondent Christian Limpert zur Lage in Israel und dem Gazastreifen

Interview mit BR-Korrespondent Christian Limpert zur Lage in Israel und dem Gazastreifen.
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Interview mit BR-Korrespondent Christian Limpert zur Lage in Israel und dem Gazastreifen.

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