Michael Maertens als Jedermann (r.) und Valerie Pachner als Buhlschaft.
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Michael Maertens als Jedermann (r.) und Valerie Pachner als Buhlschaft.

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Premierenkritik: Der neue "Jedermann" in Salzburg

Tradition ist Tradition: Auch in diesem Jahr machte der "Jedermann" den Anfang bei den Salzburger Festspielen. Aber trotz eines Kurzauftritts der Letzten Generation – überzeugen konnte der Abend unseren Kritiker nicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nach zehn Minuten schon gellen die Sirenen, kein Wunder, hat Regisseur Michael Sturminger doch einen Angriff mit Sprühfarbe auf den Palast seines Titelhelden inszeniert: ein Auftritt also der Letzten Generation im "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal, dem Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes.

Die Letzte Generation beim "Jedermann"

Kein so unpassender Einfall, schließlich leben wir gerade bekanntermaßen über unsere Verhältnisse und vor allem über diejenigen des geschundenen Planeten. Dabei kommt einer reichen Elite und ihrem zumeist pervers großen CO2-Abdruck eine besondere Bedeutung zu, wie uns die Letzte Generation gerade mit dem Besprühen von Luxusyachten und Privatjets sichtbar beizubringen versucht. Schade nur, dass das durchaus auch geldelitäre Salzburger Premierenpublikum den später aus verschiedenen Ecken des Zuschauerraums gellenden realen Protest unter dem Motto "Jedermann hat Verantwortung" nicht als real wahrnahm und wohl eher für einen weiteren Regieeinfall hielt, zumal die Verantwortlichen der "Letzten Generation Österreich" sehr schnell vom Saalpersonal hinauseskortiert wurden.

Doch so eindringlich und tatsächlich realitätsnah sich der Gedanke vom Jedermann im Zeitalter der verzweifelten Klimaproteste auch anließ, so verliert er sich doch im weiteren Verlauf des neuaufgelegten Salzburger Moritatenspiels. Zwar hat sich Michael Sturminger eine ziemlich apokalyptische Szenerie bauen lassen, aus der einzig der Marmorpalast des reichen Jedermanns ragt, während menschliche Wesen in Plastikgewändern aus Erdlöchern kriechen, um eben diesen Jedermann anzubetteln. Doch zugleich hat sich der Regisseur dazu entschieden, nun, bei dieser dritten Neuinterpretation, szenisch und akustisch auf eine Art Mysterienspielästhetik zu setzen, mal grotesk überzogen, mal fast opernhaft vertont.

Keine ganz gelungene Neuinszenierung

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ganz einfach für den Darsteller des neuen Jedermann, Michael Maertens, sich ein profundes Profil zu erspielen. Zwar nimmt man ihm zu Beginn den ziemlich kaltschnäuzigen Kapitalisten ab, doch konfrontiert mit dem Tod – der ja diesen Jedermann bekanntlich holen will und der nur noch kurzen Aufschub gewährt – beginnt Maertens allzu schnell zu menscheln, ohne die Fallhöhe und den Wandel wirklich plausibel machen zu können. Und auch Valerie Pachner kann nur wenig aus der Rolle der Buhlschaft herausholen und brilliert dann eher in der Rolle des Todes, den sie in einer Doppelrolle auch spielt, und dem sie eine Art empathische Härte verleiht.

Und so lässt dieser neue Jedermann leider relativ kalt. In Erinnerung wird vielleicht einzig das Bedauern bleiben, dass der Letzten Generation bei diesem Salzburger Festspielauftakt nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

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