Die Sängerin in einem türkisen Kleid mit ausladendem Kopfschmuck
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Sopranistin Hanni Huttenes als Turandot in Chemnitz 1927

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New Yorker Met warnt Besucher: Puccinis "Turandot" zu unsensibel

Triggerwarnung vor dem Opernabend: Puccinis "Turandot" sei voller "Widersprüche, Verzerrungen und rassistischer Stereotype", schreibt das größte US-Opernhaus Met. Man solle das "problematische Meisterwerk" ansehen, aber darüber diskutieren.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Opernfans, die sich für Puccinis "Turandot" interessieren, empfiehlt die New Yorker Metropolitan Opera dringend einen aufklärenden Text, in dem die "kulturellen Gefühllosigkeiten" des Werks behandelt werden. "Es sollte nicht überraschen, dass der Besuch vielen Zuschauern chinesischer Abstammung schwer fällt, da ihr eigenes [kulturelles] Erbe vereinnahmt, zum Fetisch gemacht und als wild, blutrünstig und rückständig dargestellt wird", schreibt Christopher Browner auf der Website (externer Link).

Der Komponist habe sich traditionelle chinesische Musik "angeeignet". Mit Bezug auf Literaturexperten chinesischer Abstammung wird bemerkt, Puccini (1858 - 1924) habe die östliche Kultur der westlichen "untergeordnet": "Als westliche Projektion des Ostens ist das Werk voller Widersprüche, Verzerrungen und rassistischer Stereotype – und dennoch eines der aufregendsten und beeindruckendsten Werke, die jemals auf der Opernbühne präsent waren", so Browner.

Triggerwarnungen "schlecht fürs Geschäft"?

Das kollektive Bewusstsein der Zuschauer für die "damit verbundenen Probleme" müsse geschärft werden. Statt vor der Oper "zurückzuschrecken" wird empfohlen, sich mit ihren "Implikationen" auseinanderzusetzen" und über das "problematische Meisterwerk" zu diskutieren. Was bemerkenswert ist: Die Met zeigt immer noch eine historisierende Inszenierung des italienischen Regisseurs Franco Zeffirelli (1923 - 2019) aus dem Jahr 1987. Diese stellt in opulenter Ausstattung ein fiktives Bilderbuch-China zur Schau, mit zahlreichen Pagoden und Kostümen im Stil der berühmten Terracotta-Armee aus dem Mausoleum des ersten chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi (247 - 210 vor Chr.).

Der prominente und streitlustige britische Opernkritiker Norman Lebrecht kommentierte die Triggerwarnung (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt) der Met mit den Worten, sie sei "schlecht fürs Geschäft" und solle zurückgezogen werden: "Unter Theaterleuten besteht wachsende Übereinstimmung darüber, dass solche Warnungen den Ticketverkauf bremsen. Wenn ich gewarnt würde, dass etwas mein kulturelles Erbe, meine Intelligenz oder meine politischen Vorlieben beleidigen könnte, würde ich mindestens dreimal darüber nachdenken, bevor ich meine Kreditkarte zücke."

Gleichwohl schimpfte der Kritiker über die Zeffirelli-Produktion, sie sei mit ihrer verschwenderischen Ausstattung eine "Beleidigung für die Augen" und viel zu schlecht, um sich noch über "künstlich erzeugten Unmut über Rassismus" aufzuregen.

Puccinis "Madama Butterfly" ebenfalls problematisch?

Auch Puccinis Oper "Madama Butterfly" war wegen der kitschigen Fernost-Exotik schon vor Jahren als "rassistisch" gebrandmarkt worden (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Die Opernhäuser seien diesbezüglich "nervös" geworden, hieß es im britischen "Guardian" im Juni 2022: "Es besteht offenbar die Sorge, dass die Darstellung schlechten Verhaltens als dessen Befürwortung angesehen werden könnte", schrieb damals der Londoner Operndirektor Oliver Mears.

Er verteidigte gleichwohl eine Wiederaufnahme des Stücks in den Spielplan: "Wir haben ein Jahr damit verbracht, die Produktion [von 2003] im Detail zu befragen, uns mit asiatischen Kollegen und Praktikern zu beraten und japanische Experten für Bewegung, Kostüme und Make-up einzuladen, die Inszenierung zu überprüfen und diskrete Änderungen vorzunehmen zugunsten einer größeren Authentizität."

"Stereotypen verweichlichter asiatischer Männer"

Eine "Butterfly"-Produktion auf der Seebühne in Bregenz war 2022 ebenfalls umstritten. Als "unsensibel" wurde bezeichnet (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt), dass Regisseur Andreas Homoki die Handlung in das Japan der unmittelbaren Nachkriegszeit, also kurz nach Abwurf der Atombomben, verlegte. Die "Süddeutsche Zeitung" tadelte die "Polonaise von Geishas" und fragte sich, ob die Fernost-Exotik als Satire zu verstehen sei: "Nähme man es als Haltung des Regisseurs, wäre man äußerst verwundert."

In einem Kommentar für die "New York Times" hatte Yale-Studentin Katherine Hu, Tochter eines Tenors taiwanesischer Abstammung, bereits 2019 geurteilt: "Die klassische Oper hat ein Rassismus-Problem. Versucht nicht, dass zu vertuschen, bringt das Publikum dazu, sich damit auseinanderzusetzen." Die Autorin nannte ein Negativ-Beispiel aus "Turandot". So habe ein Regisseur aus den Hofschranzen Ping, Pang und Pong kurzerhand Jim, Bob und Bill gemacht: "Aber die Figuren kokettierten weiterhin mit den Stereotypen verweichlichter asiatischer Männer, während sie auf der Bühne herumtänzelten und einander ankicherten."

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