Die Band My Ugly Clementine
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Auf der Suche nach "The Good Life": Die Band My Ugly Clementine

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My Ugly Clementine: "The Good Life" im Falschen

Die österreichische Band "My Ugly Clementine" hat ein Album über das Leben im Klarkommen-Modus gemacht. Alltagsprobleme verknüpfen sie mit den tiefer liegenden Ursachen unserer spätkapitalistischen Gesellschaft.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ein passenderer Titel als "The Good Life" sei "The Okay Life" gewesen. Das hat Sängerin und Bassistin Sophie Lindinger in einem Interview über das zweite Album ihrer Band My Ugly Clementine gesagt. Beim Anhören versteht man, was sie meint: Die Songs auf "The Good Life" handeln nicht von gut gelaunten Menschen, die durch eine heile Welt tanzen, sondern von einem Leben im Klarkommen-Modus. Es dominieren die Frustration über den Kapitalismus, die Wut gegen das Patriarchat, und der Zweifel an sich selbst.

Lo-Fi-Aufnahme im tschechischen Wald

Diese Alltagskämpfe oder, wie My Ugly Clementine vielleicht sagen würden, "Struggles", werden in den Songtexten ohne komplizierte Metaphern geschildert. Es geht um Therapiegespräche, ungesunde Social-Media-Nutzung, Sexismus und vertrackte Freundschaften, für die man gerne kämpfen würde - aber einfach zu müde ist. 

Die Stressoren, die auf die Charaktere der Songs einwirken, werden durch die Produktion auf effektive Weise widergespiegelt. Die Gitarren sind verzerrt, wirken teilweise sogar etwas verstimmt, und sind oft so abgemischt, dass sie aneinander vorbei fräsen. Obwohl "The Good Life" auf einem Majorlabel erscheint, wurde es nicht in einem Großstadt-Studio aufgenommen, sondern analog und lo-fi in einem abgelegenen Haus im tschechischen Wald. Man hört das Feedback der Verstärker, und gelegentlich das Gelächter der Bandmitglieder. 

Hochkomplexer Gesang

Diese Lockerheit ist die große Stärke des Albums. My Ugly Clementine lassen keinen Zweifel daran, wie wütend sie die Prioritäten-Anordnung der kapitalistischen Gesellschaft macht. Aber sie zeigen auch, wie dieser Wut ihren Schmerz nehmen: durch ihre gemeinsame, kreative Arbeit, und durch ihren Humor. Ein Beispiel für Ersteres ist der unaufgeregt vorgetragene, aber hochkomplexe, mehrstimmige Gesang.

Eine der vielen tollen Bands, an die "The Good Life" denken lässt, ist die legendäre US-amerikanische Alternative Pop-Band Weezer. Deren Sänger Rivers Cuomo schrieb Mitte der 90er einen Song mit demselben Titel, und kombinierte auf ähnliche Weise kratzige Gitarren mit Beach Boys-Harmonien und Außenseiter-Texten. Das klamaukige Albumcover, auf dem My Ugly Clementine in Rüschen-Blusen vor einer potthässlichen Fotostudio-Wand posieren, könnte auch von einer Weezer-Platte stammen - aber die Musik auf "The Good Life" ist vielseitiger und tiefgründiger, als es Weezer je waren bzw. sein wollten. 

Weezer, die kanadische Pop-Punk-Musikerin Avril Lavigne, der Film "Zehn Dinge, die ich an dir hasse" von 1999 - die Liste der expliziten und vielleicht hineininterpretierten Referenzen, die die Österreicherinnen bemühen, ist lang. Aber genauso viel Spaß wie die Suche nach popkulturellen Anspielungen macht es auch, sich dieses Album am Stück anzuhören. My Ugly Clementine platzieren in einem Song mehr Ideen, als andere Bands für eine ganze Platte haben.

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