Drei Aquarelle zeigen Elli (Gabriele Hermann, 1889-1942), Valli (Valerie Pollak, 1890-1942) und Ottla (Ottilie David, 1892-1943)
Bildrechte: Kafkas Schwestern, 2023 © Sebastian Jung

Wer waren die drei Schwestern des weltberühmten Literaten Franz Kafka? Was ist aus ihnen geworden, nach dem Tod des Autors am 3. Juni 1924?

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"Kafkas Schwestern" - Installation im Jüdischen Museum München

Wer den Namen Kafka hört, denkt an literarische Meisterwerke. Dass der Schriftsteller drei Schwestern hatte, wissen hingegen nicht viele. Das will die Installation "Kafkas Schwestern" des Künstlers Sebastian Jung im Jüdischen Museum ändern.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Drei Porträts, gemalt in Aquarell. Es sind die Gesichter dreier Mädchen. Die Farben sind kräftig, das passt zu den kindlichen Gesichtszügen. Und überrascht ein wenig, verbindet man die Aquarelltechnik doch eher mit luftig-leichten Pastell-Tönen. Dazu der Untergrund: Die Aquarelle hängen auf einer einfachen Spanplatte, wie man sie aus dem Baumarkt kennt, derb und roh, irgendwie unfertig.

"Das Material hat entweder selber eine Verletzlichkeit und es kommt eine Härte hinzu. Oder andersrum: das Material hat eine Härte und es kommt eine Verletzlichkeit hinzu", sagt der Künstler Sebastian Jung über seine Intervention.

Die drei Aquarelle zeigen die Schwestern Franz Kafkas. Jung hat sie nach schwarzweißen Kinderfotos gemalt. Er hat ihnen grüne Augen gegeben, knallrote Haare, einen blauen Mund. Es ist, als sagten diese Bilder: Alles ist möglich, drei Kinder, eine Million Möglichkeiten von Zukunft und Leben.

Übersehene sichtbar machen

Während Kafka 1924 an den Folgen seiner Tuberkulose-Erkrankung starb, wurden seine Schwestern im Holocaust von den Nazis ermordet. Eine Gendenktafel am Familiengrab in Prag erinnert an Elli, Valli und Ottla, wie der ältere Franz seine Schwestern nannte: Gabriela Herrmannová, Valerie Pollaková und Otilie Davidová. Elli und Valli wurden 1942 im Vernichtungslager Chelmo, Ottla ein Jahr später in Auschwitz ermordet. Sehr viel mehr weiß man nicht über sie.

Fast alle Informationen stammen aus den Briefen Kafkas und enden mit seinem Tod 1924. Kuratorin Lara Theobalt vom Jüdischen Museum hat die Lebensläufe der drei Frauen erst einmal recherchieren müssen: "Die Kafka-Biografien enden 1924 und dann gibt es allenfalls noch einen Satz, dass die Schwestern im Nationalsozialismus ermordet wurden." So habe sie erstmal versucht "überhaupt einen Lebenslauf zu rekonstruieren, das war schon eine Herausforderung".

Ottla war die Lieblingsschwester

Elli und Valli heiraten recht früh, verlassen das Elternhaus und werden ihrem Bruder in ihrem bürgerlichen Leben bald ein bisschen fremd. Ottla hingegen heiratet erst spät. Obwohl in der Großstadt Prag geboren, liebt sie das Landleben. Sie macht eine landwirtschaftliche Ausbildung, will nach Palästina auswandern, übernimmt dann aber den Hof ihres Schwagers. Sie ist für Kafka eine enge Vertraute: "Kafka gibt ihr Bücher zum Lesen und sie tauschen sich über Literatur und Philosophie aus", sagt die Kuratorin Theobalt.

Die Quellenlage bleibt dünn. Klar: Kafka ist der Schriftsteller von Weltrang, nicht die Schwestern. Trotzdem zeugt die jahrzehntelange Unsichtbarkeit seiner Schwestern von großem Desinteresse. Frauen-Biografien interessierten lange einfach nicht so sehr. "Mich hat es erstaunt, weil eigentlich ist ja jeder Schritt Kafkas dokumentiert, es gibt ja keine Forschungsarbeit, die noch nicht geschrieben wurde." Aber für die Schwestern sei die Quellenlage sehr dünn gewesen.

Was in Franz Kafkas Biographie fehlt

Franz Kafka gilt heute als Symbolfigur des deutschsprachigen Prager Judentums. Die Vernichtung durch die Nazis hat er nicht miterlebt. Müßig zu fragen, was geschehen wäre, wenn er nicht 1924 gestorben wäre. Das Schicksal seiner Schwestern lenkt den Blick auf die Shoah: eine wichtige Ergänzung zur Beschäftigung mit Kafka.

Sebastian Jung zeigt die Schwestern aber ganz bewusst nicht als Holocaust-Opfer. Sondern als Kinder, in bunten Farben, genauso so, wie Kafka sie kannte.

Kafkas Schwestern - Eine Installation des Künstlers Sebastian Jung. Installation im Foyer des Jüdischen Museums München im Rahmen des Festivals KAFKA2024 / Eintritt frei. Bis 29. September 2024

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