René Sydow
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Kabarettist René Sydow: Die Bürde des weisen Mannes

Der Kabarettist René Sydow ist eine Entdeckung. 2016 hat er den Förderpreis des Deutschen Kleinkunstpreises erhalten. Jetzt geht der 38-Jährige mit einem neuen, abendfüllenden Kabarettprogramm auf Tournee: "Die Bürde des weisen Mannes".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

In Nürnberg war er gerade schon, am Samstag (22.9.) gastiert er in Erlangen, am Donnerstag nächster Woche (27.9.) tritt er in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf, und am Samstag danach (29.9.) ist er im Hofgarten Kabarett in Aschaffenburg zu Gast.

Verantwortung hat nicht das System, sondern der Einzelne

Rene Sydows Programm "Die Bürde des weisen Mannes" ist etwas für Menschen, die noch an den Menschen glauben möchten – statt an Gott oder an den technischen Fortschritt oder an die freien Kräfte des Marktes. Sydow nimmt die Verantwortung aus den großen anonymen Institutionen, aus dem Staat, aus den Kirchen, aus der Wirtschaft heraus und gibt sie dahin zurück, wo sie hingehört: an den einzelnen Bürger, den Konsumenten, das Individuum. Wir sind es, die in der Summe aus der Welt ein Paradies machen könnten oder eben eine Hölle daraus machen. Niemand zwingt uns dazu, T-Shirts für drei Euro zu kaufen. Wenn wir es aber tun, dann hat das Folgen.

Solidarität statt Imperialismus - schaffen wir das?

Als Optimist will Sydow immer wieder zeigen: Eine bessere Welt ist möglich! Dann nämlich, wenn es uns gelingt, unser Denken zu verändern. Wir entscheiden, ob wir Rechtspopulisten hinterherhecheln, oder ob wir uns solidarisch verhalten.

"Europa wäre doch etwas Großartiges und würde jeden Extrempolitiker, jeden Menschenfeind sofort in seine Schranken verweisen. Allerdings müsste sich die EU nicht, wie es in den Verträgen steht, zum Sozialen bekennen, sondern verpflichten, wie sie es übrigens zur Marktwirtschaft tut. Denn dann müssten alle Mitgliedsstaaten in der sozialen Frage einen Zusammenschluss machen, am besten, bevor sie zusammen Schluss machen." René Sydow

Aber damit wir anders denken können, müssten wir uns Zeit nehmen, um über die Begriffe nachzudenken, mit denen wir unsere Verantwortungslosigkeit schönreden - und wir müssten es wollen. Der Welthandel zum Beispel, wie er derzeit organisiert ist, ist in Sydows Augen nur eine Form des Imperialismus.

Weltherrschaft für Algorithmen

Brutalitäten des anonymen Schlachthauses namens Welt entlarvt Sydow als Folgen unserer Kaufentscheidungen. "Die Bürde des Weisen Mannes" ist ein Programm über Kolonialismus, über Bildung und Ideale, darüber, wie wir sind und wie wir sein sollten. Also: ein moralisches Programm, das immer wieder die Wirklichkeit an ihrem Anspruch misst - etwa in Sachen Internet.

"Sechs Milliarden Menschen auf diesem Planeten haben Zugang zu einem internetfähigen Handy, übrigens nur 4,5 Milliarden zu einer Toilette. Man muss sich halt auf Prioritäten setzen. - Wir drehen den digitalen Zauberwürfel vor unseren Augen und sehen nichts als ein Kaleidoskop der Relevanzlosigkeit. Ich habe überhaupt nichts gegen das Internet. Es gibt da großartige Informationen, tolle Seiten, es gibt da sogar ganz fantastischen Journalismus, das gibt es alles. Aber leider steht dort auch der erhabenste Gedanke neben dem dümmsten Furz." René Sydow

Sollen wir uns von diesem Internet vorschreiben lassen, wie wir zu denken haben? Wer beherrscht dann die Welt? Die Algorithmen von Google?

Bildung statt Effizienz und Konsum

Was lernen wir aus der Tatsache, dass wir längst Computer und Roboter bauen können, die viel effizienter arbeiten können als wir? Wir lernen daraus, dass weder Effizienz noch Konsum Hauptziel menschlicher Existenz sein können. Eher schon eine Bildung, wie sie Wilhelm von Humboldt anstrebte. Den zitiert Sydow in seinem Programm mit der schönen Definition, Bildung sei die Anregung aller Kräfte des Menschen, sodass sich dieser zu einer selbst bestimmten Persönlichkeit entfalten kann, die in ihrer Einzigartikeit die Menschen bereichert. Ist das das, was was wir an den Schulen unseren Kindern einpflanzen? Herzensbildung, moralische Bildung?

René Sydow stellt in seinem Programm hochintelligente Fragen. Es ist kein Schaden, wenn sie noch ein bisschen im Ohr bleiben.

"Wir fragen uns immer nur, wie wir leben wollen. Warum fragen wir uns nie, wofür? Wir fragen uns immer nur, was bloß aus unseren Kindern werden soll. Warum fragen wir uns nie, wer sie werden sollen?" René Sydow

René Sydows Programm "Die Bürde des weisen Mannes" ist als Doppel-CD erschienen beim Kölner Label Wortart und kostet 18 Euro.