Reno, Nevada. Ein Clown an einer Imbisstheke. 1963.
Bildrechte: Thomas Hoepker | Magnum Photos

Reno, Nevada. Ein Clown an einer Imbisstheke. 1963.

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Hommage an Amerika: "Thomas Hoepker - My Way, USA"

Das Amerikahaus in München widmet dem weltbekannten Fotografen Thomas Hoepker eine Retrospektive, in der zum Teil bislang unveröffentlichte Aufnahmen zu sehen sind. "My Way, USA" zeigt seinen ganz besonderen Blick auf Amerika.

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Ein trauriger Clown blickt gedankenversunken ins Leere. Müde hält er sich an seiner Kaffeetasse fest. Mit Mütze, Kragen und Karokostüm verkleidet sitzt er schlaff auf dem Hocker in einem völlig überfüllten amerikanischen Diner in Nevada. Sein geschminktes Gesicht scheint wie ein Farbklecks in der Menge - und das, obwohl es sich hierbei um ein schwarz-weißes Bild handelt. Der Fotograf Thomas Hoepker hat diesen Moment 1963 mit seiner Kamera festgehalten.

Bewegende Bilder in bewegten Zeiten

Den besonderen Blick des berühmten Magnum-Fotografen auf seine Wahlheimat USA gibt es nun in der Ausstellung "My Way" im Amerikahaus in München zu sehen. Es ist eine Hommage an dieses Land, mit Schwarz-Weiß-Fotografien seines Roadtrips durch die USA in den 60er-Jahren, Farbaufnahmen von New York aus den 80ern, bis hin zu eindrücklichen Porträts von Berühmtheiten wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol oder Muhammad Ali.

Die Bilder sind ein Querschnitt durch Amerika, der einfühlsam und ehrlich den Alltag der Menschen auf den Straßen, in den Bars, Casinos, Hinterhöfen und Armutsvierteln zeigt. Und das, obwohl Thomas Hoepker sich in einem früheren Interview mit dem BR als eher schüchtern bezeichnete: "Ich bin eigentlich eher scheu und habe Hemmungen, irgendjemand die Kamera vor die Nase zu halten, vor allem den Leuten, die ich nicht kenne".

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New York Reklametafel 1963

Geschichtenerzähler und Bilderfabrikant

Der gebürtige Münchner Thomas Hoepker, der heute in New York lebt, arbeitete jahrelang als Autorenfotograf und Fotojournalist und gehört zu den ersten deutschen Fotografen, die Teil der berühmten Magnum-Agentur wurden, die er später sogar zeitweise als Präsident führte.

Hoepker versteht sich als Geschichtenerzähler und Bilderfabrikant. Seine einfühlsamen Aufnahmen reflektieren einen stets menschlichen Blick und sind neben der bestechenden Bild-Ästhetik oft von Humor und Ironie geprägt. Sie zeigen intensive und genaue Beobachtungen eines Landes, das von Rassendiskriminierung, Spiritualität und Massenkonsum geprägt ist.

Auf einem der schwarz-weißen Fotos blickt ein bebrilltes Ehepaar durch ein Busfenster, unter ihren ausdruckslosen Gesichtern klebt eine Reklame, auf der wiederum zwei Gesichter mit Schnurrbart zu sehen sind, die beinah wie eine Spiegelung der Passagiere wirken und für ein Magenmittel werben. Ein anderes Bild zeigt einen Taxifahrer, der sich im Sportteil seiner Zeitung vergraben hat – obwohl die Schlagzeile die Ermordung Kennedys verkündet. Und dann sieht man den Central Park von oben, wie ein buntes Mosaik aus Picknick-Decken. Sein wohl berühmtestes Bild zeigt eine Gruppe fröhlicher Freunde in der Sonne am Hudson River in New York am 11. September, während im Hintergrund das World Trade Center in Flammen steht. Das Bild ist zugleich Raserei und Stillstand.

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Blick von Williamsburg, Brooklyn, auf Manhattan, 11. September 2001. New York City, New York, 2001

Fotografie braucht Zeit

Das Zeitlassen ist für Thomas Hoepker "das Wichtigste". Er erzählt dem BR, wie man sich mit Fotos an eine Situation "rantasten" und nicht über diese "herfallen" oder sie "einsacken" dürfe. Und dass gerade jenes Zeitlassen immer schwieriger werde, weil alles immer schneller würde und nicht mehr die Zeit zur Besinnung sei. Weder bevor man ein Foto macht, noch danach.

Mit Muhammad Ali verbrachte der Thomas Hoepker damals viele Wochen, Willy Brandt besuchte er ganz privat zu Hause und auch für seine anderen Protagonisten nahm er sich immer Zeit. Seine Faszination für Fotografie entdeckte Hoepker bereits in jungen Jahren auf seinen Sommerreisen durch Italien, stets beeinflusst durch den neorealistischen Film und Fotografen wie Henri Cartier-Bresson.

Die Ausstellung "My Way" wurde in Zusammenarbeit mit der Ehefrau Hoepkers, der Dokumentarfilmerin Christine Kruchen, von den Fotografen und Leitern des Buchkunst-Berlin Verlags, Anna Druga und Thomas Gust, kuratiert. Gust betont, dass Hoepker sich immer als Autoren-Fotograf und Image Maker empfunden habe. Ihm sei es wichtig gewesen, mit seinen Bildern komplexe Geschichten zu erzählen und dennoch nie etwas zu inszenieren. Auch der Humor spiele in seinen Fotos eine wichtige Rolle. Dabei würde sich Hoepker jedoch nie über den Menschen stellen oder sich lustig machen. Die Devise des Fotografen lautete stets: "Da ist ein Bild und ich bin ein Fotograf, also muss es gemacht werden, sonst ist das Bild weg."

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Lovers Lane, Blick von New Jersey auf das World Trade Center, New York City, USA 1983

Das Land der grenzenlosen Möglichkeiten

Thomas Hoepker fängt Momente ein und hält sie damit für immer fest. Ob tiefe, traurige oder versunkene Blicke, wache Augen, Gebäude, Verkehr, lachende Gesichter – und immer wieder das Land der Grenzen – und grenzenlosen Möglichkeiten. Der Kurator Thomas Gust ist überzeugt, dass Hoepker wohl eine wenig romantische Version von den USA hatte: "Hoepker erkannte, dass der problematische amerikanische Traum unerfüllt bleiben könnte und war dennoch von dem Land fasziniert." Die Ausstellung lädt zu einer Zeitreise in ein vergangenes, beinah vergessenes Amerika ein. Und dennoch sind Hoepkers Bilder von Zeitlosigkeit geprägt und seine Kritik an Alltagsrassismus und Kommerzialisierung ist heute so aktuell wie damals. Es sind bewegende Bilder in bewegten Zeiten.

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