Screenshot der MingaGPT-Website
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Eine KI als Dialektpfleger: Was können "MingaGPT" und Co.?

Kann KI Bairisch? Es gibt zumindest eine, die das behauptet: "MingaGPT". Für den Dialektforscher Ludwig Zehetner ein Fall von Selbstüberschätzung. Denn Fehler macht das System immer noch einige. Oder sagen Sie "Boarn", wenn Sie "Bayern" meinen?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Vor ein paar Monaten gab es im BR-Fernsehen diesen Moment: Ein Moderator befragte einen Roboter und wollte unter anderem von ihm wissen, ob er auch auf Bairisch antworten könne. Antwort: "Na klar: Mir san die Bairisch und mir kenna gut meha." Na dann.

Eine KI übersetzt Schweizerdeutsch in Hochdeutsch

Das Bairisch dieses Roboters erscheint dann doch noch recht ausbaufähig. Es wirkt oft lustig, wenn die KI versagt, wenn sie abweicht von dem, was sie soll – unseren Dialekt imitieren zum Beispiel. Ist ja auch nicht leicht. Denn was wäre individueller als die Art, wie wir sprechen? Sprachmelodien ändern sich von Region zu Region. Selbst zwischen Berg und Tal variiert so mancher Dialekt. Eben diese regionalen Eigenheiten will die KI sich jetzt "draufschaffen".

Einige Dialekte kann sie bereits klassifizieren und verstehen – Schweizerdeustch zum Beispiel. Jan Deriu, ein KI-Forscher aus Zürich, hat eine solche Künstliche Intelligenz mitentwickelt. Auch hier lag die große Schwierigkeit in der Dialektvielfalt. Man habe versucht, die KI so fit zu machen, dass sie auch noch die feinsten Unterschiede erkennt, erklärt er im BR-Interview. "Das heißt, wenn jemand auf Zürich-, auf Berndeutsch oder Bündnerdeutsch spricht, dann ist unsere KI in der Lage, dieses Gesprochene in Hochdeutsch zu verwandeln."

Die Entwickler haben in den verschiedenen Schweizer Kantonen 500 Stunden Audioaufnahmen gesammelt, mit denen sie ihre KI gefüttert haben. Jetzt kann sie zum Beispiel bei Sitzungen schweizerischer Unternehmen zuhören und die Sitzungsergebnisse dann ins Hochdeutsche übertragen und schriftlich an deutsche Unternehmenspartner senden.

"MingaGPT" kommuniziert ausschließlich auf Bairisch

Ähnlich, aber anders, funktioniert "MingaGPT". "Servus! I bin MingaGPT, dei freundliche bayerische KI vo da Stadt Minga und geh gern allen Fragen rund um Minga beantwortn. Wia deaf i dia helfa?", begrüßt einen der Chatbot auf der eigenen Website. Das Hochdeutsche ist offenbar nicht seine Stärke, als Übersetzer taugt er nicht. Was er aber kann: Er beantwortet Fragen rund um München in schönstem Schrift-Bairisch.

Den Dialekt hat das System eigenständig erlernt, Basis waren Texte im Netz. Entwickelt hat den Bot die Firma "Mayflower" aus München. Ohne großen Aufwand, sagt Thomas Joachim Graebe, der an MingaGPT mitgearbeitet hat. "Die neuen Chatbots auf GPT-Basis können tatsächlich alle Fragen beantworten, wenn sie die Inhalte, ob als Buch oder eben die Website der Stadt München, gelesen haben", so Graebe gegenüber dem BR.

Als Dialektpfleger taugt die KI noch nicht

Kann die KI, deren Einfluss Kulturschaffende oft kritisch sehen, also vielleicht sogar Kulturgut bewahren, indem sie beispielsweise Dialekte archiviert, die vom Aussterben bedroht sind? Die Dialektologie ist da noch ziemlich skeptisch: Der Mundartforscher Ludwig Zehetner merkt an, dass im Netz antrainierte Dialekte nicht einwandfrei sein können. Und tatsächlich macht auch MingaGPT noch einige Fehler.

Was er damit meint, macht Zehetner an einem Satz klar, den MingaGPT ausgespuckt hat: "In ganz Boarn ist da Brotzeit die wichtigste Mahlzeit." Kein Mensch würde statt "Bayern" "Boarn" sagen, moniert der Mundartforscher. "Und es heißt auch nicht 'da Brotzeit', sondern 'die Brotzeit'." Seiner Meinung nach sei es deshalb noch zu früh, den Chatbot als Dialektpfleger zum Einsatz zu bringen. "Es bräuchte ein längeres Pre-Training, und zwar mit echten Sprechern und nicht mit Texten aus dem Internet. Stand jetzt dient das sicher nicht zum Erhalt des Dialekts."

Skepsis ist also durchaus noch angebracht, auch wenn MingaGPT schon jetzt vollmundig behauptet, es habe das Bairische "quasi im Bluat". Intelligenz schützt offenbar nicht vor Selbstüberschätzung. Auch nicht die künstliche.

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