Paul McCartney, Ringo Starr, John Lennon und George Harrison von den Beatles auf einem Foto aus dem Jahr 1967.
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Paul McCartney, Ringo Starr, John Lennon und George Harrison von den Beatles auf einem Foto aus dem Jahr 1967.

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Ein emotionales Erlebnis: Neue und letzte Single der Beatles

Mehr als 50 Jahre nach dem Ende der Beatles erscheint eine "neue" Single namens "Now & Then". Sie wird die andauernde, generationenübergreifende Faszination für das Vermächtnis der "Fab Four" weiter befeuern.

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"Lennon/McCartney" - das sind die legendärsten Songwriting-Credits der Popgeschichte. Sie werden hinter der großen Mehrheit jener Beatles-Songs aufgeführt, die zwischen 1962 und 1970 erschienen sind und von der Band selbst geschrieben wurden.

In diesem Sommer gab es dann plötzlich mehrere Schlagzeilen über einen "letzten Beatles-Song", der "dank künstlicher Intelligenz" entstanden sei. Zurecht fragte sich so mancher Beatles-Fan, ob das bedeuten würde, dass der Name einer KI in den Kompositions-Credits auftauchen werde. Lennon/McCartney/Software XY? Kaum vorstellbar, hatten die Beatles doch einander versprochen, keines ihrer Mitglieder je zu ersetzen.

Künstliche Intelligenz als Studio-Assistenz

Je mehr man seitdem über die tatsächliche Entstehung von "Now & Then" mitbekam, desto klarer wurde, dass KI zwar eine wichtige, aber keine kreative Rolle gespielt hatte. So wurden beispielsweise weder Gesangsparts "aus dem Nichts" generiert - was technisch durchaus möglich gewesen wäre - noch ließ man einen Computer einen Songtext im Stile des 1980 verstorbenen John Lennon schreiben.

Das Rohmaterial zur nun erschienenen Beatles-Version von "Now & Then" bestand aus einem Demo, das John Lennon 1979 in seiner Wohnung im Dakota Building in Manhattan aufgenommen hatte, und das viele Beatles-Fans bereits von im Internet kursierenden Bootleg-Aufnahmen kennen. Durch den Einsatz von KI konnte nun Lennons Gesang von seinem Klavierspiel getrennt und von einem rauschenden Störgeräusch befreit werden. Ein technischer Vorgang, der noch nicht möglich war, als Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr Mitte der 90er-Jahre zum ersten Mal gemeinsam an dem Song arbeiteten - und frustriert aufgaben.

Wie klingt "Now & Then"?

Nun ist das Werk vollbracht, und entstanden ist ein fast schwindelerregendes Zusammentreffen dreier verschiedener Post-Beatles-Epochen. John Lennons Demo von 1979, George Harrisons Gitarrenspiel von 1995, und kontemporäre Aufnahmen wurden miteinander kombiniert: Paul McCartney und Ringo Starr spielten brandneue Bass- und Schlagzeugparts ein, außerdem wurden Streicher-Arrangements (komponiert von McCartney, Giles Martin - Sohn von Beatles-Produzent George Martin - und dem Komponisten Ben Foster) hinzugefügt.

"Now & Then" in seiner neuen, offiziellen Version zu hören, ist ein emotionales Erlebnis. Während Lennons Demo voller Klagen war, von markanten Piano-Akkorden getragen wurde und offenkundig nicht fertig komponiert war, ist diese Aufnahme wie ein Sonnenaufgang: von Anfang an ist nun eine Akustikgitarre zu hören, die Streicher schieben sich sanft ins Bild, und um Lennons Stimme ranken sich die Harmoniegesänge seiner Beatles-Kollegen Richtung Himmel. "Now and then I miss you", erklingt es, und wirklich stellt sich sofort ein starkes Sehnsuchtsgefühl ein - aber auch ein Gefühl von Staunen. Hört man das gerade wirklich?

Starke Melodie, dichtes Arrangement

Die Hauptmelodie ist stark genug, um sich gegen das neue, dichte Arrangement nicht nur durchzusetzen, sondern vielmehr mitzureißen: "I know it’s true/it’s all because of you", singt Lennon, und das Schöne ist, dass er sowohl uns Hörende als auch seine Band meinen könnte. Ein Gitarrensolo, eingespielt von McCartney, zollt dem 2001 verstorbenen George Harrison Tribut, ganz am Schluss hört man Ringo lakonisch sagen: "That was a good one". In den Songwriting-Credits stehen übrigens alle vier Bandmitglieder.

Hätten McCartney und Jeff Lynn, der den Song mitproduzierte, mehr von der "Nacktheit", die Lennons Demo naturgemäß auszeichnete, bewahren können? Natürlich - aber sie werden ihre Aufgabe so interpretiert haben, "Now & Then" mit so viel Leben zu füllen, wie möglich. Und das haben sie geschafft.

Die Beatles-Ära geht weiter

"All diese Erinnerungen überfluten einen", sagt McCartney in einem Video, das die Veröffentlichung des Songs begleitet, und er hat recht. Auch wenn man während der aktiven Phase der Beatles noch nicht am Leben war: Sie sind immer noch "larger than life", ihre Musik und ihr Image sind omnipräsent, online wie offline. Dementsprechend generationenübergreifend wird die Wirkung auf die Hörenden von "Now & Then" sein. Viele werden sich an das erste Mal erinnern, als sie die Beatles hörten, andere werden an geliebte Menschen denken, die sie mit den Beatles verbinden. Manche dieser Menschen werden nicht mehr am Leben sein.

Die gefeierte Doku "The Beatles - Get Back" (2021) hat bewiesen, wie groß die Faszination für das Vermächtnis der "Fab Four" weiterhin ist, bzw. wie schnell sie in einer neuen Generation entstehen kann. Das ist auch denjenigen bewusst, die das Vermächtnis der Beatles so gekonnt und lukrativ vermarkten. Nach der "Now & Then"-Single (Vinyl und Kassette) erscheinen Neuauflagen der sogenannten "Red"- und "Blue"-Greatest Hits-Compilations (im Original 1973 erschienen). Die Käuferschaft steht bereit - ein Fan formulierte es in einem Kommentar bei Social Media diese Woche treffend: "Die Beatles-Ära endet nur dann, wenn wir es zulassen."

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