Das Fridericianum bildet den Mittelpunkt der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstschau Documenta.
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Documenta: Zwei Mitglieder der Findungskommission treten zurück

Nachdem zunächst die israelische Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger aus der sechsköpfigen Findungskommission der Documenta ausgetreten war, folgt nun der indische Schriftsteller Ranjit Hoskoté. Die Gründe sind unterschiedlich.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Der Documenta kommt ein Teil ihrer Findungskommission abhanden. Nachdem am Wochenende zunächst bekannt wurde, dass sich die israelische Künstlerin und Philosophin Bracha Lichtenberg Ettinger aus der sechsköpfigen Kommission zurückgezogen hat, folgt jetzt das nächste Kommissionsmitglied: Ranjit Hoskoté.

Ihre Entscheidung hatte Lichtenberg Ettinger in einem Brief an alle Beteiligten mit der aktuellen Situation im Nahen Osten begründet, wie es in einer Pressemitteilung hieß. Demnach bereite es ihr Schwierigkeiten, nach dem 7. Oktober 2023 und dem Beginn des Hamas-Terrors in Israel einen Beitrag zu der Arbeit der Findungskommission zu leisten. Auch weil ihre Bitten abgelehnt worden waren, die Arbeit der Kommission angesichts des Massakers der Hamas zu unterbrechen.

Antisemitismus-Vorwurf gegen Ranjit Hoskoté

Allerdings betonte Lichtenberg Ettinger, dass ihr Rückzug nicht im Zusammenhang stehe mit einem Aufruf des indischen BDS aus dem Jahr 2019, den der indische Dichter und Kulturkritiker Ranjit Hoskoté unterschrieben hatte.

BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen". Die Kampagne ruft zum Boykott des Staates Israel und israelischer Produkte wegen des Vorgehens gegen Palästinenser auf. Zudem findet sich – wie die "SZ" am Freitag zuerst berichtete – in der Petition, die Hoskoté unterzeichnet hatte, folgender Satz: "Zionismus ist eine rassistische Ideologie, die einen siedlerkolonialistischen Apartheidsstaat verlangt, in dem Nicht-Juden nicht die gleichen Rechte haben und der in der Praxis, auf der ethnischen Reinigung von Palästinensern in den letzten sieben Dekaden besteht."

Claudia Roth droht der Documenta finanzielle Konsequenzen an

Die von Hoskoté unterzeichnete Erklärung sei "ganz klar antisemitisch und strotzt vor israelfeindlichen Verschwörungstheorien", sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) dazu am Freitag. Sie drohte der Documenta finanzielle Konsequenzen an. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes werde "es für die nächste Documenta nur geben, wenn es einen gemeinsamen Plan und sichtbare Reformschritte hin zu klaren Verantwortlichkeiten, einer echten Mitwirkungsmöglichkeit für den Bund und Standards zur Verhinderung von Antisemitismus und Diskriminierung gibt. Ich sehe hier noch keine Grundlage erreicht".

Der im Raum stehende Antisemitismus-Vorwurf ist nun auch der Grund für den Rückzug von Hoskoté. In seinem Rücktrittsschreiben heißt es: "Die letzten Tage gehörten zu den zutiefst erschütterndsten Tagen in meinem Leben. Der ungeheuerliche Vorwurf des Antisemitismus wurde gegen meinen Namen erhoben, und zwar in Deutschland, einem Land, das ich mit Liebe und Bewunderung betrachte und zu dessen kulturellen Einrichtungen und intellektuellem Leben ich seit mehreren Jahrzehnten als Schriftsteller, Kurator und Kulturtheoretiker beigetragen habe." Er wolle betonen, dass er "das jüdische Volk in höchstem Maße schätze und immer tiefstes Mitgefühl für seine historischen Leiden und Bewunderung für seine glorreichen kulturellen Errungenschaften empfunden habe". Außerdem teile er die BDS-Positionen nicht und unterstütze die Bewegung auch nicht. Er verurteile "den Terror, den die Hamas am 7. Oktober 2023 gegen Israel entfesselt hat".

Antisemitismus-Eklat bei der Documenta 15

Schon die Documenta 15 war von einem Antisemitismus-Eklat überschattet worden. Sehr zentral – auf dem Friedrichsplatz – wurde das Banner "People's Justice" der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi aufgestellt. Darauf wurden Mossad-Mitglieder mit Schweinsköpfen sowie ein Schläfenlocken tragender Jude mit Zigarre und SS-Hut verunglimpft.

Die Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Hoskoté war im März neben fünf weiteren Mitgliedern von ehemaligen künstlerischen Documenta-Leiterinnen und -Leitern für die Findungskommission ausgewählt worden. Die Gruppe soll bis Ende 2023 oder Anfang 2024 einen Kurator, eine Kuratorin oder ein Kollektiv für die kommende Ausgabe der documenta im Jahr 2027 vorschlagen. Die 16. Ausgabe der Documenta soll vom 12. Juni bis 19. September 2027 in Kassel stattfinden.

Mit Informationen von dpa

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