Szene aus dem Eröffnungsfilm "Jeanne du Barry"
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Stéphanie Branchu

Szene aus dem Eröffnungsfilm "Jeanne du Barry"

Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Cannes23 – Das weiblichste Festival ever

Heute Abend startet die 76. Ausgabe des Filmfestivals in Cannes – und es sind dort so viele Frauen im Wettbewerb vertreten wie noch nie. Auch der Eröffnungsfilm ist von einer Frau, aber er macht jetzt schon Schlagzeilen: "Jeanne du Barry".

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Cannes und das Geschlechterverhältnis im Wettbewerb: Das Thema bleibt ein Dauerbrenner. Zwar tut sich Jahr für Jahr ein bisschen mehr, aber Parität ist im wichtigsten Teil des Programms noch lange nicht erreicht. 2021 waren beim renommiertesten Filmfest der Welt vier Regisseurinnen im Rennen um die Goldene Palme, im Jahr drauf war es eine mehr. Iris Berben, die mit dem letztjährigen Wettbewerbsgewinner "Triangle of Sadness" vor Ort war, meinte damals lakonisch hoffnungsfroh: "Da hat Cannes noch ganz viel aufzuholen. Ganz bestimmt. Ich hoffe auf Iris Knobloch. Könnte eine gute Geschichte sein: Eine weibliche Präsidentin – und auch noch eine Deutsche. Wir wollen mal kucken, wo das hinführen könnte."

Ein Drittel der Filme ist weiblich

Wie viel Einfluss die neue Festivalpräsidentin Iris Knobloch auf die aktuelle Programmgestaltung hatte, lässt sich schwer sagen, die Planungshoheit in diesem Bereich liegt bei Festivalleiter Thierry Fremaux. Fakt aber ist: Im Wettbewerb wurde eine historische Höchstmarke erreicht: Sieben von 21 Filmen, ein Drittel also, stammt von Regisseurinnen. Nie gab es mehr. Der mediale Beifall, den es dafür gab, interessiert Fremaux kein bisschen: "Es gibt Leute, die mir gratulieren, weil wir sieben Frauen im Wettbewerb haben. Aber das lehne ich ab – weil ich auch die Kritik ablehne."

Debatten im Vorfeld

Fremaux' öffentliches Mantra lautet seit Jahren, dass Filme aufgrund ihrer Qualität in den Wettbewerb von Cannes aufgenommen werden – wer auf dem Regiestuhl saß, sei sekundär. Umso fataler ist es, dass ausgerechnet zwei Filmemacherinnen aus dem diesjährigen Programm im Vorfeld für negative Schlagzeilen gesorgt haben. Eine der Kontroversen erinnert an die in Deutschland geführte Diskussion um Machtmissbrauch am Filmset: In einer Reihe von anonymen Mails wurde der Französin Catherine Corsini tyrannisches Verhalten am Set ihres Dramas "Le Retour" vorgeworfen, auch andere Crewmitglieder sollen übergriffig geworden sein.

Der Titel des Films, zu Deutsch: "Die Rückkehr", wurde zum Programm: Ursprünglich fest für den Wettbewerb vorgesehen, wurde die Nominierung aufgrund der laufenden Untersuchungen zurückgezogen. Nachdem die Vorwürfe nicht belegt werden konnten, wurde "Le Retour" als Nachzügler in den Wettbewerb aufgenommen. Bereits Mittwochabend findet die Premiere statt, die Karten für das 2.300 Besucher fassende Theatre de Lumière waren sofort vergriffen.

"Jeanne du Barry" hat zur Eröffnung Premiere

Und auch der Eröffnungsfilm "Jeanne du Barry" stößt auf reges Interesse, nicht nur in Cannes. Vor allem national diskutiert wurde die Anzeige gegen die französische Regisseurin und Schauspielerin Maiwenn: Ein bekannter Journalist hatte ihr vorgeworfen, in einem Restaurant von ihr bespuckt und an den Haaren gerissen worden zu sein. Erst vor wenigen Tagen äußerte Maiwenn öffentlich, dass das stimme.

Für internationalen Gesprächsstoff hingegen sorgt die männliche Hauptrolle in Maiwenns Film: Johnny Depp wird erstmals seit dem monatelangen Gerichtsprozess gegen seine Exfrau Amber Heard einen neuen Film präsentieren und mit dem roten Teppich von Cannes eine PR-Plattform gigantischen Ausmaßes geboten bekommen. Festivalleiter Fremaux kann darin nichts Verwerfliches entdecken: "Hätte Johnny Depp Berufsverbot erhalten und wäre dieser Film verboten worden, würden wir nicht über ihn reden. Wenn es jemanden auf der Welt gibt, der sich nicht für diesen Medienprozess interessiert – dann bin das ich. Mein Interesse gilt dem Schauspieler Johnny Depp."

Festival-Präsidentin Iris Knobloch wiederum meinte bezugnehmend auf die Diskussionen um Maiwenn und Corsini im Gespräch mit dem US-Branchenblatt Variety: Debatten zu schaffen sei eine der Aufgaben des Festivals. Mission erfüllt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!