Ein Benzinkocher ist zwar nicht so leicht zu bedienen wie ein Gaskocher, aber im Ernstfall kann so mit Sprit aus dem Auto gekocht werden.
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Ein Benzinkocher ist zwar nicht so leicht zu bedienen wie ein Gaskocher, aber im Ernstfall kann so mit Sprit aus dem Auto gekocht werden.

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Trinkwasser aus Regentonne: Run auf Katastrophen-Selbsthilfekurs

Kein Licht, keine Heizung, kein Wasser: Wenn der Strom weg ist, wird sichtbar, wie er das Leben bestimmt. In Kursen macht das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk Bürger seit Jahren fit für Ernstfälle. In Krisenzeiten sind sie immer ausgebucht.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Das Wasser der Regentonne ist gelblich-braun. Blüten und tote Insekten schwimmen auf der Oberfläche. Detlef "Teddy" Hacker schöpft einen Eimer voll heraus. "Das werdet ihr gleich trinken!" sagt der Kursleiter vom Medizinischen Katastrophen-Hilfswerk (MHW) zu den erstaunten Teilnehmern des Selbsthilfekurses. Noch zweifeln sie daran, dass sie das Wasser aus der Regentonne gleich trinken werden.

Selbsthilfekurs derzeit ausgebucht

Das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk veranstaltet den Selbsthilfekurs schon seit vielen Jahren. Die Schulung sei sehr gefragt, das Thema "aktuell wie nie", sagt der Einsatzleiter und Präsident des MHW, Robert Schmitt. "Wenn große Krisen sind, sind die Kurse mehr als ausgebucht.“ Anlässe waren die Atomkatastrophe von Fukushima, die Flut im Ahrtal und nun der Krieg in der Ukraine. "Wir leben in sehr unruhigen und herausfordernden Zeiten."

Rund hundert Teilnehmer nehmen an dem Tagesworkshop in Tuntenhausen in der MHW-Akademie teil, mehrere hundert stehen auf der Warteliste fürs nächste Mal. Der Kurs ist für jeden kostenlos, das ist Robert Schmitt ein großes Anliegen. Der Gründer vom Medizinischen Katastrophen-Hilfswerk will viele Menschen auf ein mögliches Blackout-Szenario vorbereiten. "Jeder, der vorbereitet ist und vielleicht auch seinem Nachbarn helfen kann, entlastet uns Einsatzkräfte," begründet Schmitt die Initiative, bundesweit gebe es kein vergleichbares Kursangebot.

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Wer gut vorbereitet ist, braucht keine Angst vor einem Ernstfall zu haben.

Kochen geht auch ohne Strom

In acht Stationen geht es um die verschiedensten Themen. So wird etwa erklärt, wie Kochen auch ohne Elektrizität geht. Fällt der Strom aus, bleibt der Herd kalt. Wer aber vorbereitet ist, kann trotzdem kochen, sagt Mirko Hacker vom MHW und zeigt verschiedene Möglichkeiten. Neben einer klassischen Feuerstelle geht auch ein Fondueset mit Feuerpaste oder ein Teelichtofen. Hierfür müssen mehrere Teelichter unter einen Rost gestellt werden. Bis damit Wasser erhitzt werden kann, würde es dauern, so Hacker.

Schneller geht es mit einem Spirituskocher oder Campinggaskocher. Jedoch sind dafür zwingend kleine Gaskartuschen nötig, die sollte man auf Vorrat daheim haben. Etwas komplizierter zu bedienen ist ein Benzinkocher, dafür kann Diesel oder Benzin verwendet werden. Der Brennstoff wird in einen kleinen Tank gefüllt und durch eine Pumpe oder einen Druckknopf unter Druck gesetzt. Durch das Öffnen des Ventils am Brenner wird das Benzin dann in den Brenner geleitet und entzündet, wodurch die Flamme entsteht. Selbst bei Temperaturen unter -10 Grad ist es mit einem Benzinkocher möglich, eine warme Mahlzeit zuzubereiten.

Tipp: Keine Hamsterkäufe machen

In einem anderen Workshop lernen die Teilnehmer, was alles zu einem Notfallvorrat gehört. Kursleiter Markus Eichschmid hat alles anschaulich vorbereitet. Auf Tischen stehen Lebensmittel, viele Dosen, Mehl, Nudeln und auch Süßigkeiten. Letztlich soll das gekauft werden, was man normal auch gern isst. Sein Tipp, nicht "Hamster-Käufe" zu machen, sondern lieber ab und zu etwas mehr mitnehmen. Anstelle von zwei Packungen Nudeln einfach mal drei mitnehmen. Er spricht von einem gesunden Kreislauf.

Eichschmid empfiehlt, Lebensmittel nach dem Verbrauchsdatum zu sortieren und auch zu verbrauchen. Dann dürfe nur nicht vergessen werden, sie wieder nachzukaufen. Bei der Auswahl der Produkte sollten vor allem Nahrungsmittel gekauft werden, die auch ohne Kühlung länger gelagert und notfalls auch kalt gegessen werden können.

Wasser ist das Wichtigste: 30 Liter pro Person

Das A und O sei jedoch Wasser. Nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Kochen und Waschen würde es bei einem längeren Blackout benötigt. Pro Person spricht er von rund 30 Liter. Generell sollten genug Lebensmittel und Getränke bevorratet werden. Bei einem längeren Stromausfall könnte es unmöglich sein, Lebensmittel aus einem Supermarkt zu bekommen, das sollte sich jeder bewusst machen. Zehn, besser 14 Tage, sollte man ohne fremde Hilfe auskommen.

Eichschmid rät auch zu einem Dokumentenordner, wo alle wichtigen Urkunden und Zeugnisse griffbereit sind, und auch ein gepackter "Flucht-Rucksack" mit Erste-Hilfe-Set, Zahnputz-Set, Taschenlampe und Klappmesser könnte helfen, wenn man im Fall einer Evakuierung schnell aus Haus oder Wohnung muss.

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Alles was schmeckt und gut haltbar ist, sollte in einem Notfallvorrat sein. Bis zu 14 Tage sollte genug Vorrat vorhanden sein.

Mehr Miteinander statt Gegeneinander

Wenn der Strom wegbleibt, geht nichts mehr: kein fließendes Wasser, keine Toilettenspülung, kein Herd, kein Aufzug, kein Telefon und kein Internet. Nicht nur die Energieknappheit könnte einen Blackout auslösen, sondern auch Naturkatastrophen oder Wetterextreme, Sabotage oder Cyberangriffe. Robert Schmitt findet, dass sich jeder mal mit dieser Situation auseinandersetzen sollte. "Spielen Sie einfach mal durch, was wäre, wenn, und stellen Sie sich die ehrliche Frage, wie gut sind Sie darauf vorbereitet".

Wer sich im Vorfeld Gedanken mache, hat keinen Grund zur Panik. Letztlich sei alles händelbar, nur halt nicht spontan, sondern geplant. Sein Appell richtet sich auch an die Freunde, Familienmitglieder und Nachbarn, er wünscht sich mehr Zusammenhalt: "Überlegen Sie sich doch mal, wer was leisten kann, der eine könnte sich um Lebensmittel kümmern, der andere etwa um Trinkvorräte, wieder ein anderer kann Erste-Hilfe-Set und Notfallrucksack bereithalten." So könne etwa auch in Hochhäusern mit nur begrenzten Lagerflächen in den Wohnungen vorgesorgt werden.

Wasser aus der Regentonne wird trinkbar

Gerade war das Wasser noch in einer Regentonne, jetzt macht es Detlef "Teddy" Hacker vor den Augen der Teilnehmer trinkbar. Das sei ganz einfach, sagt er. Alle Materialen, die er verwendet, kann jeder sich ganz leicht besorgen und vielleicht schon mal in einer trockenen Kiste sichern. Erst hat er eine grobe mechanische Reinigung des Wassers gemacht. Dafür verwendet er einen Damenstrumpf. blickdichte Strümpfe hätten die beste Filterwirkung, verrät der Kursleiter der Wasseraufbereitungsstation.

Danach kommt die eigentliche Reinigung. Dafür hat er eine Plastikflasche aufgeschnitten und durch einen ausgeklügelten Aufbau einen ganz natürlichen Filter geschaffen. Das System sei aus der Natur abgeschaut, so hat er Kies, Quarzsand, Watte und Grillkohle in einem System geschichtet und dazwischen Leintücher gelegt. Das Regentonnen-Wasser schüttet er oben in die Flasche, nach und nach rinnt es durch die verschiedenen Schichten und unten tropft sauberes, klares Wasser raus. Wer will, kann es probieren. Erdig schmecke es, sehr natürlich, jemand findet es sogar "saugut". Nicht alle haben sich getraut, einen Schluck des Wassers zu nehmen, das kurz zuvor noch in der Regentonne war.

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Ein selbstgebauter Wasserfilter kann in der Not helfen und Wasser aus der Regentonne trinkbar machen.

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