Gisela Schneeberger (2019)
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Gisela Schneeberger

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Bayerisch aus Notwehr: Gisela Schneeberger wird 75

"Jeder hat mindestens fünf Charaktere in sich", meint Gisela Schneeberger. Die bayerische Grande Dame des tragikomischen Witzes hat sie alle verkörpert. Mindestens. Jetzt wird sie 75. Eine Würdigung.

Über dieses Thema berichtet: Bayerisches Feuilleton am .

"Dieser Satz nervt mich total", sagt Gisela Schneeberger im BR-Interview mit Achim Bogdahn. Die Schauspielerin meint das bayerisch-breitbeinige "Mia san mia", das der nicht minder breitbeinige FC Bayern zum Vereinsmotto gemacht hat. Ähnlich schlimm sei nur das regionalstolze "Da bin I dahoam". "Das ist so inflationär geworden", sagt Schneeberger. "Und alles, was so inflationär wird, das nervt mich irgendwie."

Schnippisch statt breitbeinig

So redet immerhin eine, die den Titel einer bayerischen Volksschauspielerin durchaus verdient hätte. Wobei man dazu sagen muss: Bayerisch-breitbeinig ist Schneeberger in keiner ihrer vielen Rollen. Das bayerisch-schnippische ist schon eher das Ihre. In die Wiege gelegt war's ihr jedoch nicht.

Die Mutter kommt aus dem Rheinland, der Vater aus Franken und zuhause in Freimann, damals noch ein Dorf im Norden Münchens, wird nur Hochdeutsch gesprochen. So erzählt es Schneeberger im Rückblick. Sie sei deswegen sogar verprügelt worden. "Die Mitschülerinnen fanden das so arrogant, dass sie mir aufgelauert haben. Und am nächsten Tag kam ich an mit Bayerisch." Bayerisch aus Notwehr – vielleicht passt dieses Motto ja besser zu Schneeberger.

Vom Klassenclown zur vielschichtigen Schauspielerin

Schon in der Schule sei sie der "Klassenkasperl" gewesen, erinnerte sie sich mal in der ZEIT. Und auch sonst nahm sie den Unterricht offenbar nicht ganz so ernst, musste sie doch zwei Schuljahre wiederholen. 1970, mit 21 Jahren, bestand sie dann aber doch das Abitur und widmete sich nach einem Ausflug an die Uni (Psychologie) ihrer Leidenschaft: der Schauspielerei.

Mit einer komischen Rolle nach einem Stück von Ludwig Thoma bekam sie 1971 einen Platz an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule. Danach ging es aufwärts mit der Karriere. 1976 engagierte sie das Berliner Schillertheater, im Werkraum der Münchner Kammerspiele begeisterte sie an der Seite von Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt in der Gesellschaftssatire "Kehraus". Regie führte ihr damaliger Ehemann Hanns Christian Müller, der das Stück 1983 auch verfilmte.

Bekannt ist Schneeberger etwa für die bissige Fernsehserie "Fast wia im richtigen Leben", die Urlaubssatire "Man spricht deutsh" [sic!], das Theaterstück "München leuchtet" oder die ARD-Kabarettsendung "Scheibenwischer", die mit scharfzüngigen Kommentaren zu Politik und Gesellschaft vor allem die CSU oft erzürnte. Für Doris Dörrie stand sie für die Komödie "Bin ich schön?" vor der Kamera, mit Senta Berger drehte sie die TV-Serie "Die schnelle Gerdi". Auch beim Singspiel beim Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg wirkte sie mit.

Gespür für das Unscheinbare: Polt über Schneeberger

Angst, sich lächerlich zu machen, hat Schneeberger nicht, auch Rollen jenseits gängiger Schönheitsnormen bis hin zur Hässlichkeit scheut sie nicht. So legte sie sich für die Komödie "Eine ganz heiße Nummer" Hängebrüste und falsche Zähne zu. "Mich hat das wahnsinnig beeindruckt", sagt ihre Mitspielerin Rosalie Thomass im BR. Sie habe schon viele Menschen in der Filmbranche erlebt, die sehr eitel seien, sagt die Kollegin. Schneeberger dagegen suche danach, ihre Figur möglichst echt und menschlich wirken zu lassen.

Es ist diese Freude, in andere Menschen zu schlüpfen und sie nach genauer Beobachtung in all ihren Eigenheiten darzustellen, die Schneebergers Darbietung so authentisch macht. "Sie entdeckt an Menschen etwas, was anderen Menschen wahrscheinlich oft nicht auffällt", schwärmt Polt im BR. "Die Gisela, die kann diese Unscheinbarkeit entlarven und macht daraus was, weil sie eben das Gespür dafür hat."

Schneebergers Frauenfiguren sind mal eigenwillig und skurril, mal kantig, temperamentvoll oder warmherzig und manchmal tragisch. Im Interview mit dem BR sinniert sie auch über die mindestens fünf Charaktere, die jeder Mensch in sich trage. Dass das nicht nur alles sympathische Seiten sind, gibt sie zu: "Was Biestiges habe ich schon auch in mir."

Mit Informationen der dpa.

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