Schüler beim Überqueren einer Straße
Bildrechte: BR/Johanna Schlüter

Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn das Kind allein zur Schule geht, und nutzen GPS-Tracker.

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Tracking bei Grundschulkindern – Kontrolle durch besorgte Eltern

Viele Eltern machen sich Sorgen, dass ihrem Kind auf dem Schulweg etwas passiert. Neben dem "Elterntaxi" kommen bei Grundschülern auch technische Helfer zum Einsatz, wie GPS-Tracker. Geht diese Kontrolle zu weit?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Es ist kurz vor 8 Uhr, an einem Freitag im September. Vor einer Grundschule im Münchner Westen staut es sich: Eltern bringen ihre Kinder mit dem Lastenfahrrad oder dem Auto vor die Schule. Dazwischen lotst ein Verkehrshelfer in Warnjacke Grüppchen von Erstklässlern über den Zebrastreifen. So können die Kinder pünktlich und vor allem sicher ihren Schultag beginnen.

Bei dem Thema Sicherheit gehen viele Eltern jedoch noch einen Schritt weiter: Neben dem Pausenbrot landen auch kleine GPS-Tracker im Schulranzen. Oder eine Smartwatch, eine GPS-Uhr, mit Anruf- und Notruffunktion baumelt am Handgelenk. Auf diese Weise können Eltern digital überwachen, wo sich ihr Kind befindet.

Tracking bei Kindern: Meinungen der Eltern gehen auseinander

Die Eltern vor der Grundschule sind beim Thema Tracking eher geteilter Meinung. Doch das Thema Sicherheit beschäftigt sie und ist für viele ein Argument, die eigenen Kinder zu tracken. Rechtlich gesehen dürfen sie das: Als Erziehungsberechtigte sind sie die Entscheidungsträger, wenn es um die Zustimmung von der Übermittlung von Standortdaten bei Minderjährigen geht.

An vielen Schulen sind Smartphones und Smartwatches während des Unterrichts verboten. Ein Vater hat seiner siebenjährigen Tochter trotzdem eine GPS-Uhr gekauft: "Sie soll allein mit ihren Freunden zur Schule gehen. Die Smartwatch mit der GPS-Funktion erleichtert es mir, zu wissen, wo sie ist. Wenn sie in einer Gefahrensituation ist, kann sie einen Alarm auslösen." Auch eine Mutter findet es in Ordnung, wenn das Kind eine Smartwatch trägt: "Ich finde es in manchen Situationen ganz praktisch, gerade wenn man das Kind nicht rechtzeitig abholen kann. Dann kann man einfach schnell über die Uhr Bescheid geben."

Eine Mutter trackt ihre Kinder nicht, ist sich aber unsicher. Denn die Angst, dass etwas auf dem Schulweg passieren könnte, ist bei ihr groß: "Ich habe zwei Kinder, vier und sechs, und natürlich mache ich mir Sorgen. Ich bekomme immer wieder aus der Tagespresse mit, was so passiert und dass Kinder verschwinden." Doch es gibt auch Gegenstimmen: Eine Mutter lehnt das Tracking komplett ab: "Ich tracke meine Kinder nicht. Ich versuche sie so zu erziehen, dass sie so viel Eigenverantwortung wie möglich übernehmen können. Und dass wir ihnen Vertrauen schenken, dass sie das gut hinbekommen."

Risiken beim Tracking: Die Eltern-Kind-Beziehung leidet

Doch das Tracking ist vor allem bei Grundschulkindern nicht unproblematisch. Davor warnt Angelika Beranek, Professorin für Medienpädagogik an der Hochschule München. "Aus pädagogischer Sicht rate ich vom Tracking ab", sagt Beranek. Denn das Tracking könne Kindern im Grundschulalter vor allem zwei Botschaften übermitteln: Erstens – die Welt da draußen ist gefährlich, denn sonst müsse man nicht ständig wissen, wo sich das Kind aufhält. Und zweitens – "Ich vertraue dir nicht. Ich glaube nicht, dass du dich an unsere Absprachen hältst und dass du den Weg allein gehen kannst." Auf diese Weise könne laut Beranek die Eltern-Kind-Beziehung belastet werden.

Doch die Technik erfüllt auf den ersten Blick das Sicherheitsbedürfnis der Eltern. Das Angebot ist mittlerweile groß: Neben GPS-Tracker und Uhren gibt es auch Tracking-Armbänder und Einlagen für die Schuhe. Doch Beranek meint, dass durch das Tracking nur eine Scheinsicherheit geschaffen wird: "So eine Uhr an meinem Handgelenk schützt mich nicht vor einem Verkehrsunfall. Sie schützt mich auch nicht davor, dass mich ein Fremder anspricht", sagt sie.

Vielmehr würden die Kinder die Geräte mit einem Sicherheitsgefühl verknüpfen. Die Gefahr: Ohne den technischen "Schutzengel" fühlen sie sich draußen unsicher und würden verlernen, ihrer Intuition zu vertrauen. Auch könne die frühe Gewöhnung an digitale Geräte laut Beranek dazu führen, dass eine spätere Medienabhängigkeit begünstigt werde.

Wann Tracker sinnvoll sein können

Dennoch gibt es einige Situationen, in denen das Tracking auch nützlich sein kann: "Zum Beispiel bei kleineren Kindern, die das noch nicht verstehen, wenn man in einer belebten Umgebung unterwegs ist, wo man das Kind leicht verlieren könnte. Bei einem Zweijährigen ist das relativ unproblematisch", sagt Beranek. Auch könne das Tracking in einer Übergangsphase helfen, wenn sich beispielsweise das Kind daran gewöhnen soll, den Schulweg allein zu gehen und noch unsicher ist. Doch hier sollte es sich nicht um eine Dauerlösung handeln: "Es sollte dann schnell ein Ablösungsprozess stattfinden und dem Kind kommuniziert werden: Du schaffst das allein."

Beranek plädiert vor allem dazu, die Kinder für den Alltag fit zu machen: Wie gehe ich in einer Verkehrssituation um? Wie gehe ich damit um, wenn ich angesprochen werde? Wie bewege ich mich denn da draußen? Ein technisches Gerät könne diese Erziehungsaufgabe nicht übernehmen. Sie rät: Lieber mit dem Kind den Schulweg üben, damit es sich auch ohne Tracker sicher fühlt.

Dieser Artikel ist erstmals am 1. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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