Die Literatur-Nobelpreis-Medaille, die dem deutschen Schriftsteller Grass im Jahr 1999 verliehen wurde
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Die Literatur-Nobelpreis-Medaille, die dem deutschen Schriftsteller Grass im Jahr 1999 verliehen wurde

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Literaturnobelpreis 2023: Das Rätselraten hat begonnen

Am Donnerstag ist es so weit: Dann wird bekannt gegeben, wer den diesjährigen Literaturnobelpreis bekommt. Die Buchmacher haben schon ein paar klare Favoriten – geirrt haben sie sich in der Vergangenheit aber recht oft.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Eine Kollegin der Leipziger Volkszeitung hat es unlängst auf den Punkt gebracht. Wenn es eine Tradition gebe beim Literaturnobelpreis, dann die, "dass ihn immer die Gleichen nicht bekommen". Man könnte auch sagen: Der Literaturnobelpreis ist sowas wie ein Favoritengrab. Seit Jahren warten alle darauf, dass ihn der Japaner Haruki Murakami bekommt, oder die Kanadierin Margaret Atwood, vielleicht auch der rätselhafte Amerikaner Thomas Pynchon. Immerhin sind alle drei, so unterschiedlich ihre Bücher auch sind, sowas wie literarische Weltphänomene.

Der Nobelpreis ist ein Favoritengrab

Aber genauso oft wie die Buchmacher ihre Nasen beim Preisrennen vorne sahen, genauso oft blieb ihnen der Preis am Ende auch verwehrt. In den letzten zehn Jahren zeigte sich die Stockholmer Jury gerne unberechenbar. Und bereit, auch diversen Perspektiven Raum zu geben. Fünf Frauen und fünf Männer wurden ausgezeichnet, aus Asien, Afrika, Amerika und Europa. Darunter ziemliche Überraschungen wie die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück, die 2020 wohl kaum einer auf dem Schirm hatte (und auch kaum einer kannte).

Klar, es gab auch naheliegendere Entscheidungen – etwa die politisch umstrittene Vergabe an Peter Handke im Jahr 2019 oder die letztjährige Auszeichnung von Annie Ernaux. Aber grundsätzlich gilt: Den Buchmachern ist nicht zu trauen in Sachen Literaturnobelpreis. Weil es Spaß macht, wagen wir trotzdem einen Blick auf die Namen, die in den Wettbüros kursieren.

Die Buchmacher sehen Jon Fosse und Can Xue oben

Vorweg: Die drei bisher Unglücklichen sind wieder mal mit dabei, wenn auch nicht auf den vordersten Plätzen. 15:1 setzen die Buchmacher die Chancen dieses Jahr für Murakami an, genauso hoch übrigens wie für den diesjährigen Friedenspreisträger Salman Rushdie. Pynchon sehen manche immerhin bei 12:1, Margaret Atwood nur bei 28:1. Die Topfavoriten dieses Jahr sind andere.

Jon Fosse (6:1) und Can Xue (5:1) stehen ganz oben auf der Liste. Die Siebzigjährige zählt zu den renommiertesten chinesischen Autorinnen der Gegenwart. In den späten Achtzigern begann sie mit Novellen, in den Neunzigern machte sie sich vor allem mit literaturwissenschaftlichen Arbeiten einen Namen. Mittlerweile ist sie auch international als Belletristin bekannt.

Vor allem ihr letzter Roman "Liebe im neuen Jahrtausend" wurde in Deutschland ziemlich euphorisch besprochen. Die Süddeutsche verglich die Lektüre mit einem LSD-Trip. Das mag auch an Xues ungewöhnlicher Arbeitsweise liegen. Nur eine Stunde pro Tag schreibt sie, ohne Vorbereitung und nur mit der Hand. Der Moment zählt, das Sprachspielerisch-Assoziative. "Ihre Bücher zu lesen fühlt sich oft an wie der Besuch eines Yoga-Bootcamps", so die Süddeutsche in einer Rezension. "Entweder man hat danach einen Bandscheibenvorfall und will nie wieder hin, oder man ist um einiges beweglicher und nebenbei einige festgefahrene Überzeugungen losgeworden."

Auch Knausgård schafft es in den erweiterten Favoritenkreis

Jon Fosse ist hierzulande vor allem als Dramatiker bekannt, den Beinamen "Beckett des 21. Jahrhunderts" hat ihm das eingebracht. Der 64-jährige Norweger schreibt jedoch auch Lyrik und Prosa. Momentan arbeitet er etwa an einem siebenteiligen Romanprojekt unter dem Titel "Der andere Name". Man mag dabei auch an einen anderen Norweger denken, der sich mit einem siebenteiligen Romanprojekt einen Namen gemacht hat: Karl Ove Knausgård, der ungekrönte König der Autofiktion und ein Schüler Fosses. Auch ihn haben die Buchmacher dieses Jahr auf der Liste, allerdings etwas weiter hinten (20:1.). Aber bekanntlich muss das die Chancen ja nicht mindern – ganz im Gegenteil.

Dieser Artikel ist erstmals am 2. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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