Der Kabarettist Max Uthoff
Bildrechte: BR/Ralf Wilschewski

Der Kabarettist Max Uthoff live auf der Bühne.

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Neues Programm von Max Uthoff: Das Ende des Sarkasmus?

In seinem Programm "Alles im Wunderland" führt der Kabarettist Max Uthoff zwei Stunden lang die Ambivalenz dieser Welt vor Augen. Er zieht die Parallele zwischen Alice und uns.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ein Mann zählt seine Lebenszeit – ganz in schwarz, auf schwarzer Bühne, geht Max Uthoff das ganz große Thema an: die eigene Sterblichkeit. Die durchschnittliche Lebenserwartung des deutschen Mannes betrage 78 Jahre, sagt Uthoff. "Ich bin 56, mir bleiben noch 8.024 Tage. Gut, es könnte auch länger dauern. Was bei meinem Lebenswandel bedeutet, dass der Rest ohne Geld vonstattengehen müsste. Dann lieber pünktlich Schluss. Könnte auch kürzer gehen. Ich könnte Pech haben und im Lotto gewinnen und irgendeiner überredet mich zu einer Tauchexpedition zur Titanic."

Die ersten Lacher schon nach 35 Sekunden. Zurücklehnen und sich berieseln lassen wie in "Der Anstalt". Man identifiziert sich mit seinen Alltagsproblemen. Neulich sei er vor einem Altglascontainer gestanden und habe eine halbe Minute überlegt, ob die leere Weinflasche in den Grünglascontainer komme oder in den Braunglascontainer.

Drei Generationen Bildungsbürgertum

Nein, keine Verkleidung, kein Rollenwechsel. Stattdessen ähnelt der Kabarettist mehr einem Grabredner. Die Sterblichkeit hat schon begonnen, bei jedem von uns. Das macht Uthoff dem Publikum in der ersten Reihe auch immer wieder klar, wenn er es nach dem Alter fragt: "Darf ich Sie kurz fragen, wie alt Sie sind? 52. Glauben Sie, dass Sie in den verbleibenden 26 Jahren - gesetzt Sie wollen ein Leben voller sinnlicher Fülle, voller praller Schönheit führen -, dass es da Raum gibt für ein Interview mit Christian Lindner?"

Drei Generationen Bildungsbürgertum sitzen in dem Schwabinger Theater Leo 17 – ein Heimspiel auch für den Kabarettisten. Sein Vater hatte nur ein paar Straßen weiter Richtung Münchner Freiheit das Rationaltheater gegründet. Der Vater kommt auch im neuen Programm vor, als Beispiel dafür, was Pflegeheime kosten und wie wir mit den Schwächsten der Gesellschaft umgehen.

Der Kabarettist arbeitet sich auch an der FDP ab, die in seinen Augen ein großer Zeitkiller ist. Denn darum geht es ja, die Tage, die bleiben, sinnvoll zu nutzen. "Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Alle, die im Raum sind und FDP gewählt haben, dürfen jetzt aufstehen und gehen. Ich zahle ihnen den Eintrittspreis zurück."

Die Absurdität dieser Welt

Ein Live-Abend ist keine Fernseh-Satire und Uthoff ist natürlich er selbst auf der Bühne. Nur so kann er einen zweistündigen Bogen spannen, der versinnbildlicht, wie komplex die Welt geworden ist, wie ungerecht und grausam. Der stärkste Moment ist, wenn er über die vielen Toten spricht, die auf der Flucht im Mittelmeer im Juni ertrunken sind. Dann werden Uthoff und auch der Saal ganz leise: "Auf dem Boot waren auch Frauen und Kinder. Die waren in einem Raum unter Deck untergebracht, aus dem es kein Entkommen gab. Und deshalb gab es keine überlebenden Frauen und Kinder." Er habe diesen Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" gelesen und geweint. "Vielleicht lag's am Alter, vielleicht bin ich aber manchmal auch am Ende meines Sarkasmus angekommen."

Und dann fällt aus der Zeitung, wie er weiter erzählt, der Immobilienteil mit den millionenteuren Angeboten der Großstadt München. Absurd, diese Welt, absurd.

Die Ambivalenz, die wir eben aushalten müssen

Zwei Stunden führt uns Max Uthoff die Ambivalenz dieser Welt vor. Und zieht die Parallele zwischen Alice im Wunderland und uns: "Alice landet in einem Land, in dem es nichts Eindeutiges gibt. Und sie erträgt diese Ambivalenz, die Ambiguitäts-Toleranz eines siebenjährigen Mädchens. Und uns regt alles auf, was nicht absolut eindeutig ist. Mein Gott, dann gibt's halt jetzt 62 Geschlechterkategorien. Ich habe auch den Überblick verloren. Aber ich weiß doch: Ich bin ein weißer, heterosexueller Cis-Mann. Ich bin der Letzte, der leidet."

Und da sitzt sie, die Ratlosigkeit. Es war ein kluger Abend, eifrig beklatscht von vermutlich reflektierten Menschen. Aber die, die es hören sollten, sitzen hier ja nicht. Und da ist sie wieder. Die Ambivalenz, die wir eben aushalten müssen in dieser komplexen Welt. Und dabei nicht vergessen, menschlich und mitfühlend zu sein. Denn die Lebensuhr tickt.

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