Noch vor dem ersten Kaffee geht es für Matthias Ank um sechs Uhr morgens los. Der Kirchenmusikdirektor von St. Lorenz legt das Notenblatt mit Erik Saties "Vexations“ vor sich und drückt seine Finger sanft in die Tasten. Er macht den Anfang des 18-stündigen Klaviermarathons selbst. Insgesamt sind es 52 Pianistinnen und Pianisten, die für jeweils fünfzehn bis zwanzig Minuten mehrmals das Klavierstück spielen werden.
Besondere Stimmung am frühen Morgen
In der Früh sind nur wenige Menschen in Nürnbergs Innenstadt unterwegs, auf der Baustelle neben der Kirche wird noch nicht gearbeitet und die Sonne scheint schräg in die Lorenzkirche. Obwohl es so früh des Klavier-Marathons ist, sitzen zwei Männer und zwei Frauen in den Reihen. Saskia Patock ist mit ihrem Mann in dir Kirche gekommen. "Wir sind extra aufgestanden. Wir fanden das einfach eine schöne Sache und wollten das ein bisschen anhören vor der Arbeit."
Komponist mit Humor
Der Komponist Erik Satie war ein Mann mit Humor. Er hat Werke geschrieben, die tragen Titel wie "Schlaffes Präludium für einen Hund“ oder "Stücke in Form einer Birne“. Die "Vexations“ – übersetzt Quälereien oder Schikanen – hat Satie Ende des 19. Jahrhunderts komponiert. Zu seiner Lebzeit wurde es aber nie aufgeführt. Ist diese Musik, die in Dauerschleife gespielt werden soll, also nur ein Scherz? Kirchenmusikdirektor Matthias Ank findet vielmehr, dass Satie das Stück vielleicht eher als Installation oder Performance komponiert haben könnte. Warum das Werk aber ausgerechnet 840 Mal gespielt werden soll, darauf gibt es keine Antwort.
Insgesamt 52 Pianistinnen und Pianisten spielen Saties "Vexations“. Der pensionierte Lehrer Michael Herrnböck löst Matthias Ank am Klavier ab. Der fliegende Wechsel geschieht ohne Unterbrechung in der Musik: Ank spielt den letzten Akkord des Klavierstücks. Während dieser noch nachklingt, setzt sich Herrnböck auf den Klavierhocker und fängt gleich an. Der Übergang ist nicht zu hören – das soll auch so sein. "Es hat irgendwie keinen Anfang und kein Ende. Es geht irgendwie dahin. Insofern ist es schon was ganz Besonderes“, sagt Herrnböck.
Musik als Teil des Raumes
Erik Satie sei davon ausgegangen, dass ein Raum durch die Größe, durch die Möblierung und das Licht gestaltet wird, erklärt Matthias Ank. "Und er möchte den Raum auch durch Klänge gestaltet wissen“, so der Kirchenmusiker. Und diese den Kirchenraum gestaltende Musik ist insgesamt 18 Stunden lang in der Lorenzkirche zu hören. So wird die Lorenzkirche in der belebten Nürnberger Innenstadt noch bis Mitternacht zu einem ganz besonderen Klang-Raum.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!