Symbolbild: Arzt oder Chirurg mit Organtransport nach Organspende für Operation vor Klinik Eingang in Schutzkleidung.
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Etwa 8.500 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan.

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Zu wenig Organspenden – Karl Lauterbach will Widerspruchslösung

Tausende Menschen warten in Deutschland auf ein überlebenswichtiges Organ. Das 2020 beschlossene Organspenderegister lahmt. Zudem ist fraglich, ob es die Spendebereitschaft steigern kann. Karl Lauterbach setzt darum auf die Widerspruchslösung.

Sandra Zumpfe weiß, wie es sich anfühlt, auf der Warteliste für ein Spenderorgan zu stehen. Ein Gendefekt führt dazu, dass sie mit Anfang 30 ein neues Herz braucht. Es beginnt ein Leben in Ungewissheit: "So im Laufe der Zeit waren die Gedanken eher: Wird dieses Herz rechtzeitig kommen? Das weiß man ja heutzutage nicht mehr. Und habe mir am Ende dann gedacht, es wird schon alles gut gehen." Für sie ist es am Ende gut ausgegangen.

Der Plan: Mehr Spender durch Online-Organspenderegister

Etwa 8.500 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Für einige auf der Warteliste wird der Anruf nicht rechtzeitig kommen. Im letzten Jahr haben rund 900 Menschen ihre Organe nach dem Tod gespendet.

Damit es mehr werden, soll ein Online-Organspenderegister helfen. Dort sollen alle eintragen können, ob sie bereit sind, ihre Organe zu spenden. Wie beim Organspendeausweis, nur digital. Die Krankenhäuser sollen so schneller auf die Daten zugreifen können, ohne lange nach Dokumenten suchen zu müssen, sagt Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft: "Es ist eine gewisse Erleichterung. Aber ob wir dadurch wesentlich mehr Menschen gewinnen, die diese Bereitschaft erklären, da bin ich skeptisch."

Organspende: Online-Register verzögert sich

Denn die Menschen müssen sich trotzdem aktiv mit der Frage auseinandersetzen, ob sie Organe spenden wollen oder nicht. Deshalb gehört auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte inzwischen regelmäßig informieren dürfen. Und sogar im Amt, etwa wenn man einen neuen Personalausweis beantragt, soll aufgeklärt werden, damit viele das Register nutzen. Eigentlich sollte es im März starten. Doch kurz zuvor teilte das Bundesgesundheitsministerium mit: daraus wird nichts – die Kliniken seien wegen der Pandemie schon zu sehr belastet.

Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft hält dagegen: Die Kliniken wären bereit. Es liege an der Bundesbehörde, die für das Online-Register zuständig ist. "Die haben uns am 19. April mitgeteilt, dass sie Probleme haben mit ihrem Dienstleister, der dieses Register entwickelt, also die Software und so weiter. Und dass man aufgrund dieser Probleme davon ausgehen muss, dass sich das über das Jahr 2022 hinweg verzögert", sagt Gaß.

Die Opposition kritisiert das: Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher der Union, wirft der Regierung vor, sich nicht genug um das Organspenderegister zu bemühen: "Ich glaube, Corona wird auch gern als Ausrede genommen für politische Versäumnisse." Der CDU-Politiker fordert Aufklärung vom Bundesgesundheitsministerium: "Es geht darum, dass wir schnell eine Zwischenevaluation brauchen, also ganz klar schonungslos gesagt wird, wo sind die Probleme: Liegts tatsächlich am Datenschutz oder an anderen technologischen Problemen?"

Lauterbach setzt auf eine Widerspruchslösung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen ganz anderen Vorschlag. Er sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Das Onlineregister ist tatsächlich ein technisches Problem. Da hat die Pandemie auch eine große Rolle gespielt. Das ist aber nicht der Grund, weshalb die Spenden zurückgegangen sind. Die Spenden gehen zurück, weil die Bereitschaft zur Spende zwar da ist – aber es wird nicht registriert. Eine Widerspruchslösung würde das beheben."

Widerspruchslösung heißt: Wer nicht zu Lebzeiten widerspricht, ist automatisch potenzieller Organspender. Der Bundestag hat darüber erst vor zwei Jahren debattiert, sich damals aber dagegen entschieden. Lauterbach fordert nun einen neuen Versuch: "Ich glaube, wir haben jetzt eine Menge versucht, aber es hat nicht wirklich geklappt. Es hat sich keine Verbesserung für die Menschen ergeben, die ein Organ benötigen. Wir brauchen aus meiner Sicht unbedingt einen neuen Anlauf für die Widerspruchslösung, wir bekommen das Problem sonst nicht gelöst."

Dass mehr Menschen Organe spenden könnten, dafür spricht eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Mehr als 80 Prozent der Deutschen stehen der Organspende positiv gegenüber – aber nur die Hälfte von ihnen hat das auch schriftlich festgehalten.

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