Symbolbild Häusliche Gewalt
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Zu Hause, die Hölle – Corona und partnerschaftliche Gewalt

Die Zahl der erfassten Fälle von Gewalt in Partnerschaften ist in Deutschland erneut gestiegen. 139 Frauen und 30 Männer sind laut einer Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) im vergangenen Jahr durch Partner oder Ex-Partner getötet worden.

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Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau an Gewalt, die sie im engsten Umfeld erleidet. Jeden einzelnen Tag wird in Deutschland zumindest einmal versucht, eine Frau umzubringen. Eine Statistik, die jeden und jede umgehend erschauern lassen müsste. Taten, die oft als "Familientragödie" in Schlagzeilen verharmlost werden, etwa wenn ein Mann seine Frau und seine Kinder tötet.

Die geschäftsführende Ministerin für Frauen, Christine Lambrecht (SPD), die auch noch Justizministerin ist, findet klare Worte: "Da stellen sich mir die Haare auf, wenn ich das lese. Wenn ein Partner, ein Ex-Partner eine Frau oder Kinder tötet, dann ist das nichts anderes als ein Gewaltdelikt, und als solches muss es auch bezeichnet werden." Raus aus dem Tabu, raus aus dem Schweigen rät sie nicht nur den betroffenen Frauen, sondern auch den Angehörigen, den Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen.

Die Opfer: Überwiegend Frauen

In der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) ist ausgewiesen, welche Taten angezeigt wurden. Dazu gehören Bedrohung, Nötigung, Stalking, Körperverletzung bis hin zu Totschlag. 148.031 Opfer von Partnerschaftsgewalt listet die Statistik für das vergangene Jahr 2020 auf, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 4,4 Prozent.

Der Trend der letzten Jahre setze sich damit fort, erklärt der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch. Seit 2015 sei bei den Partnerschaftsdelikten ein Anstieg um 15 Prozent zu verzeichnen. Die Opfer sind überwiegend Frauen, über 80 Prozent. Der Tatort: das Zuhause, aber auch das Internet, soziale Medien.

Die Täter: Hauptsächlich Männer

BKA-Präsident Münch erläutert: Auch der Anteil der Männer, die Opfer von partnerschaftlicher Gewalt geworden sind, ist vergangenes Jahr gestiegen: auf 28.867. Dennoch: Die Täter bei Partnerschaftsgewalt sind in der Regel männlich, ein Drittel ist zwischen 30 und 40 Jahre alt, knapp ein Viertel stand zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss.

All das aber betrifft lediglich die angezeigten Taten, die bei Polizei und Staatsanwaltschaft landen, das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld, sagt Münch, sei erheblich größer. Er beziffert es auf bis zu neunzig Prozent. Die Hemmschwelle, den eigenen Partner oder Ex-Partner anzuzeigen, sei viel höher als bei "Wildfremden". Ob es durch die Pandemie zu einer Zunahme von Partnerschaftsgewalt gekommen sei, kann Münch nicht bestätigen, allerdings geht er auch hier von einem großen Dunkelfeld aus. Studien dazu gibt es noch nicht. Immerhin sei eine in Vorbereitung, erklärt die geschäftsführende Frauenministerin Lambrecht.

Pandemie als Brandbeschleuniger?

Über das Dunkelfeld kann Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen, mehr sagen. Im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 verzeichneten ihre Statistiken einen deutlichen Anstieg der Beratungszahlen: 51.400 Fälle, eine Zunahme von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Alle zwanzig Minuten kam ein Anruf, der partnerschaftliche Gewalt zum Thema hatte, ein Fünftel aller Anrufe drehten sich darum. Corona sei nicht die Ursache für partnerschaftliche Gewalt, aber das Risiko erhöhe sich enorm: Zukunftssorgen, finanzielle Ängste, Home-Schooling, Home-Office, all das treibe den Stress-Level nach oben und setze Gewaltpotential frei.

Sensibilisierung der Gesellschaft wichtig

Söchting hat jedoch noch eine andere Erklärung für die vielen Anrufe beim Hilfetelefon in Corona-Zeiten, eine positive. So könne es auch sein, dass mittlerweile viele Menschen den Hilfenotruf 08000 116 016 kennen würden. Stark zugenommen hätten nämlich auch Anrufe aus dem sozialen Umfeld betroffener Frauen, von Nachbarn, Freundinnen, Freunden und dem Kollegenkreis. Das Home-Office tue sein Übriges: Wer von morgens bis abends zuhause arbeite, bekomme deutlich eher mit, wenn es in der Nebenwohnung laut und brutal wird. Generell allerdings gelte es, genauer hinzuschauen und hinzuhören und das Schweigen zu brechen.

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