Frau sitzt zusammengekauert am Boden, Mann ballt die Faust
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Fast die Hälfte aller getöteten Frauen in Deutschland wurden von ihrem Partner getötet.

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"Gewalt in Beziehungen ist kein privates Problem"

Jeden dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine Partnerin. Das sind jedes Jahr über 100 Frauen. Laut Sozialwissenschaftlerin Monika Schröttle hat dies vor allem etwas mit patriarchalen Denkmustern zu tun.

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BR24: Woran liegt es das immer noch so viele Frauen von ihren Partnern getötet werden?

Monika Schröttle: Obwohl wir oft das Gefühl haben, dass wir in Deutschland schon sehr emanzipiert sind, sehen wir ganz klar, dass in den Köpfen noch patriarchale Strukturen wirken. Ein Aspekt davon ist, dass Männer sich oft in ihrer Ehre und ihrem Ego gekränkt fühlen, wenn eine Frau sich trennen will. Oder wenn sie sich der Kontrolle des Partners entzieht. Das kann zur Folge haben, dass Männer Gewalt anwenden oder die Partnerin sogar töten.

Worin genau bestehen denn diese patriarchalen Denkmuster?

Männer sehen Frauen oft als ihren Besitz an, wie ein Haus oder ein Auto - als Bestätigung des männlichen Egos und der männlichen Identität. Wenn die Frau sich dann trennen will, empfinden das diese Männer als Kontrollverlust, als würde man ihnen etwas wegnehmen, was ihnen gedanklich rechtmäßig gehört. In diesem Denken wird Frauen kein Recht auf die eigenständige Entscheidung für oder gegen die Partnerschaft zugestanden.

Gibt es neben den fatalen Denkmustern auch Probleme auf institutioneller Ebene?

Eindeutig ja, denn oft ist bereits bekannt, dass ein Mann gefährlich ist, aber nicht alle staatlichen Instanzen intervenieren sofort und direkt, etwa durch sofortige Schutzmaßnahmen und obligatorische Anti-Gewalt-Trainings. Auch weil es noch nicht überall ausreichend Angebote für Täterarbeit gibt. Deshalb machen die Täter oft weiter, bis etwas wirklich Schlimmes passiert. Außerdem kriegen viele Frauen keinen zeitnahen Platz im Frauenhaus. Das heißt wir haben noch immer keine Struktur; die sicherstellt, dass alle staatlichen Instanzen zusammenwirken, um schwere Gewalt gegen Frauen konsequent zu verhindern.

Inwiefern spielt die Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen eine Rolle?

Kulturell bedingt wird den Männern oft noch Verständnis entgegengebracht, wenn sie gegenüber ihrer Frau gewalttätig oder besitzergreifend werden, aus Eifersucht oder weil sie sich ohnmächtig gefühlt haben vor der Tat. Dabei wissen wir, dass diese Taten meistens nicht im Affekt begangen, sondern von den Tätern geplant und oft auch gegenüber Dritten angekündigt werden.

Und wie genau zeigt sich ganz praktisch das Verständnis für die Täter?

Zum Beispiel, wenn in Gerichtsverhandlungen geprüft wird, ob der Täter sich vorher von der Frau gekränkt fühlte oder ob sie sich kurz vor der Tat von ihm getrennt hat. Das wird dann oft als mildernder Umstand gewertet. Man könnte andersherum genauso sagen, dass Tötungen aus Eifersucht oder dem Wunsch die Partnerin zu kontrollieren, als besonders niederes Motiv zu werten ist. Aber unsere kulturellen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit und Geschlechterhierarchien bedingen, dass wir eher Verständnis für Täter in Situationen von Machtverlust haben.

Was kann jeder oder jede Einzelne von uns tun, um Partnerschaftsgewalt zu verhindern?

Die sozialen Umfelder sind extrem wichtig. Am besten geht man auf die betroffene Frau zu und bietet Hilfe an. Es ist wichtig zu signalisieren: Die Frau ist nicht schuld an der Gewalt und es ist völlig inakzeptabel, dass der Täter Kontrolle und Gewalt ausübt. Wenn man sich nicht traut zu klingeln, sollte man auf jeden Fall die Polizei rufen bei Verdacht auf Gewalt. Darüber hinaus geht es aber letztlich darum, dass wir – Frauen und Männer gemeinsam – uns darauf verständigen, welche Geschlechterverhältnisse wir haben wollen. Und uns konsequent für gleiche Rechte, Respekt und Wertschätzung einsetzen. Und Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, nicht länger dulden.

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