Vor einigen Wochen wurde die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann unerwartet deutlich. Ihre Partei stützt Olaf Scholz ja eigentlich in der Ampel-Koalition. Im Interview mit dem ZDF kritisierte sie den Bundeskanzler allerdings für seine Kommunikation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
"Das war immer mein Wunsch an den Kanzler, seine Kommunikation zu ändern", so Strack-Zimmermann. Umfragen aus den vergangenen Wochen unterstreichen diesen Eindruck. Eine Mehrheit der Befragten wünschte sich, dass Olaf Scholz seine Politik besser erklärt.
Das Missverständnis des Olaf Scholz
Deutlich wurde das Kommunikationsdefizit, als sich der Bundeskanzler lange zurückhielt bei der Frage, ob Deutschland sogenannte schwere Waffen an die Ukraine liefern wird oder nicht. Erst spät äußerte er sich. Für den Kommunikationsberater Johannes Hillje steht fest, dass Olaf Scholz oft warte, bis er eine fertige Lösung präsentieren könne. "Der Kanzler möchte Politik als Produkt und nicht als Prozess des Abwägens kommunizieren," erklärt Hillje. Dies sei ein Missverständnis und der Kanzler wirke daher oft passiv.
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Kurskorrektur ohne durchschlagende Wirkung
Inzwischen hat Olaf Scholz seine Strategie etwas geändert. Die Zahl seiner Ansprachen nimmt zu. Auch in Fernsehsendungen ist er häufiger zu Gast, jüngst diskutierte er mit Bürgerinnen und Bürgern bei "RTL direkt". Dort habe er es durchaus geschafft mit seiner besonnenen Art zu überzeugen, beobachtet der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin. So habe Scholz auch im Wahlkampf im vergangenen Jahr agiert.
Insgesamt ist es dem SPD-Politiker aber nicht gänzlich gelungen, das Bild eines mitunter getrieben wirkenden Kanzlers nachhaltig zu korrigieren. Das könnte auch daran liegen, dass er sich im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten teilweise wenig souverän verhält. Seine Antworten bleiben oft vage und wirken besserwisserisch.
Robert Habeck und die Politik mit "angehängtem Fragezeichen"
Was die Kommunikation angeht, verfolgt Robert Habeck eine andere Strategie. Der Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler nimmt zum Beispiel immer wieder Videos auf, die über sein Ministerium in den sozialen Netzwerken verbreitet werden und in denen er seine Strategien erklärt. Dazu spricht der Grünen-Politiker auch immer wieder unangenehme Botschaften aus.
Er betonte beispielsweise im März, dass die deutsche Gesellschaft "ärmer" werden würde, wenn durch Sanktionen gegen Russland Energiepreise deutlich steigen würden. Dazu kommt, dass Robert Habeck auch immer wieder Zweifel offen anspricht. Die militärische Unterstützung der Ukraine nannte er "richtig". Gleichzeitig fragte er, ob sie auch "gut" sei.
"Politik mit dem angehängten Fragezeichen" nennt das Barbara Kostolnik, BR-Journalistin im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin. Mit dieser Strategie der Offenheit hat Robert Habeck Erfolg. Seine Beliebtheitswerte stiegen zuletzt. Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas warnt allerdings: "Die Frage ist, ob man permanent so agieren und unangenehme Wahrheiten aussprechen kann." In Wahlkämpfen der jüngeren Zeit hätten insbesondere die Grünen damit auch schlechte Erfahrungen gemacht. Diese Strategie sei stark zeitabhängig, so Faas.
Die "alte" Annalena Baerbock ist zurück
Auch Annalena Baerbock hat mit ihrer Art Politik zu erklären Erfolg. Die jetzige Bundesaußenministerin war als Spitzenkandidatin der Grünen im Wahlkampf im vergangenen Jahr über einen geschönten Lebenslauf und ein schlampig verfasstes Buch gestolpert. Sie wirkte gereizt und oft unsicher. Das hat sich geändert, beobachtet Thorsten Faas: "Wir erleben jetzt die alte Annalena Baerbock aus der Zeit vor dem Wahlkampf."
Die Außenministerin kommuniziere sehr klar und vor allem persönlich. Immer wieder stellt sie Bezüge zu ihrer eigenen Familie her und zu ihren Kindern. Etwa wenn Sie zu Gast ist in der Ukraine. "Das ist schon interessant, wie sie ihre Biographie - die ihr ja im Wahlkampf eher zum Nachteil gereicht ist - jetzt positiv einsetzt, um Schicksale auch zu vermitteln," analysiert Thorsten Faas von der FU Berlin. Dies sei außerdem ein großer Unterschied zu früheren Außenministern.
Große Hoffnungen in veränderten Kommunikationsstil
Generell ist der Kommunikationsexperte Johannes Hillje überzeugt, dass es einen Kulturwandel in der Politik braucht: "Weg vom allwissenden, alles richtig machenden Politiker, hin zum erklärenden, auch mal Fehler machenden Politiker." Wenn dieser Stil mehr und mehr Schule machen würde, könnte dies auch für die Gesellschaft ein Fortschritt sein.
Das Problem, dass teilweise "Argumente vorschnell zu Schwarz-Weiß-Lösungen verdichtet werden", sieht auch Thorsten Faas. Mehr Grautöne in der politischen Kommunikation könnten damit die Polarisierung der Gesellschaft eindämmen, das ist die Hoffnung von Johannes Hillje.
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