Hans-Georg Maaßen (WerteUnion) bei einer Rede in Erfurt, aufgenommen am 21.10.23.
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Hans-Georg Maaßen (WerteUnion) bei einer Rede in Erfurt, aufgenommen am 21.10.23.

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Maaßen und die Werteunion: Wofür steht die neue Partei?

Die Werteunion um den früheren Verfassungschef Hans-Georg Maaßen will bald als Partei bei Wahlen antreten. Welche Ziele verfolgt sie? Welche politische Rolle kann sie spielen? Und wie steht die CSU zur Werteunion?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Markige Worte, daran spart die Werteunion nicht. Auf der Webseite des Vereins steht: "Unsere Mission heißt: Deutschland retten!" Man kämpfe "für eine Rückbesinnung auf die Werte der CDU/CSU von Adenauer, Strauß und Kohl". Die Werteunion sieht Deutschland in einer beispiellos bedrohlichen Lage – als aktuelle Krisen nennt sie "Massenmigration, Energiekrise, Deindustrialisierung, Wirtschaftskrise, Klimahysterie, Demokratieabbau" und mehr. Bekanntestes Gesicht ist Hans-Georg Maaßen, jahrelang bei der CDU, von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesverfassungsschutzes.

Lange verstand sich die Werteunion als Sammelbecken von Konservativen und Rechtsnationalen, denen die Richtung der CDU unter Angela Merkel nicht gefiel. Sowohl die Merkel-Regierungsjahre als auch die derzeitige Ampel-Bundesregierung sieht man als "Linksrutsch".

Werteunion ist jetzt eine Partei

Seit Mitte Februar ist klar: Die Werteunion mit ihren nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitgliedern ist jetzt eine Partei. Hans-Georg Maaßen wurde zum Parteivorsitzenden gewählt. Nach der Parteigründung Sahra Wagenknechts wächst damit erneut die Zahl der Parteien, die auch im Wählerspektrum der AfD um Stimmen werben.

Die Werteunion wolle die Lücke füllen zwischen CDU und CSU, die den Weg verlassen hätten, und der AfD, die radikal geworden sei. Das sagte Maaßen dem Sender tv.berlin. "Wir stehen für klassische bürgerliche Werte, die Deutschland stark gemacht haben und die die CDU letztendlich auch geprägt haben." Die Werteunion ist laut ihm für Freiheit, Rechtsstaat, Demokratie, Toleranz, aber auch für einen Rückzug des Staats aus dem Leben der Menschen.

Migration, Klimaschutz, Energie: Das will die Werteunion

Bei der Migration will Maaßen eine Politik "mit Augenmaß". Je nach Qualifikation und "Eignung für den Arbeitsmarkt", sollen Ausländer nach Deutschland kommen können. Härte gibt es anderswo: Familiennachzug und Familienzusammenführungen für Geflüchtete soll es nicht mehr geben. Ausreisen sollen "alle Straftäter" sowie Menschen, die nicht zur "Assimilation" bereit sind. Wer keinen Schutzstatus hat, sondern geduldet ist, soll ebenfalls weg – zur Not begleitet von deutschen Soldaten.

Betroffen davon wären rund 250.000 Menschen. So viele leben mit einer Duldung in Deutschland. Sie sind ausreisepflichtig, können aber trotzdem vorerst in Deutschland bleiben – zum Beispiel wegen einer Erkrankung oder weil es in ihrem Herkunftsland zu gefährlich ist. Ausreisen müssten laut den Plänen der Werteunion wohl auch tausende "Geduldete", die derzeit eine Berufsausbildung machen.

Auch ein Positionspapier zum Islam findet sich auf der Webseite der Werteunion. Gefordert wird unter anderem eine harte Bestrafung für "Friedensrichter", die nach islamischen Vorschriften und außerhalb der deutschen Justiz Recht sprechen. Die Werteunion nennt als Ziele zudem ein weitreichendes Verschleierungsverbot sowie strengere Regeln für den Bau und Betrieb von Moscheen.

Neue Atomkraftwerke, Hoffen auf Kernfusion

Im Positionspapier zum Klimaschutz heißt es: "Umwelt und Klima sind seit Jahrmillionen einem ständigen Wandel unterworfen." Die Werteunion hat aber auch nichts dagegen, die "Verstromung aus fossilen Rohstoffen" zu reduzieren. Wie die AfD sowie weite Teile von Union und FDP will man zurück zur Atomkraft: Neue Kernkraftwerke sollen gebaut, die Forschung zur Kernfusion intensiviert werden.

Anders als die AfD bringt die Werteunion keinen deutschen EU-Austritt ins Spiel. Gefordert wird stattdessen ein reformiertes, "starkes Europa der Vaterländer". Auf EU-Ebene lehnt die Partei eine Vergemeinschaftung von Schulden ab. In der Verteidigungspolitik bekennt sich die Werteunion zur Nato und fordert eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Im Wirtschafts- und Finanzbereich verlangt die Werteunion, Inflationsbekämpfung zur Priorität zu machen und eine strenge Beschränkung der Staatsverschuldung.

Wichtig ist bei alldem: Bisher ergeben sich die Forderungen der Werteunion aus Positionspapieren und öffentlichen Äußerungen, in erster Linie von Maaßen. Ein ausführliches Programm wie bei anderen Parteien gibt es bisher nicht.

Hans-Georg Maaßen – und sonst?

Bis vor kurzem war Maaßen, Jahrgang 1962, Mitglied der CDU. Vor einem Jahr hatte ihn der Parteivorstand einstimmig zum Austritt aufgefordert, was Maaßen nicht tat. Das Ausschlussverfahren gegen ihn dürfte sich mittlerweile erledigt haben: Maaßen hat seine Mitgliedschaft in der CDU nach eigenen Angaben beendet. Ohnehin war klar, dass seine Zeit in der Partei vorbei ist – die Statuten der CDU erlauben keine doppelte Parteimitgliedschaft.

Ob Maaßen als Gesicht der Werteunion Menschen jenseits des kleinen eigenen Mitgliederkreises begeistern kann, wird sich zeigen. 2021 trat er bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat an, im Wahlkreis 196 in Südthüringen. Maaßen verlor deutlich gegen den SPD-Kandidaten Frank Ullrich – mit 22,3 zu 33,6 Prozent. Danach sprach er von einer schweren Niederlage. Außer dem "Bundesvorsitzenden" Maaßen gibt es kaum bekannte Gesichter der Werteunion: Stellvertretende Vorsitzende sind Simone Baum, Peter Matschuk, Hans-Otto Pistner und Kay-Achim Schönbach.

Wie steht die Werteunion zur AfD?

Anders als CDU und CSU grenzt sich die Werteunion nicht klar von der AfD ab. Im Gegenteil: Gefragt nach einer möglichen Koalition mit der AfD in Thüringen sagte Maaßen, die Werteunion würde mit allen sprechen, von links bis rechts. Bei dem Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, bei dem auch über die Deportation deutscher Staatsbürger gesprochen wurde, waren laut Medienberichten auch zwei Mitglieder der Werteunion anwesend.

Im politischen Spektrum zwischen Union und AfD werben bereits mehrere kleinere Parteien um Wähler. Dazu zählt die 2022 gegründete Kleinpartei Bündnis Deutschland, die konservative Positionen vertritt und das Nationale betont. Weniger als 700 Mitglieder hat die Partei Wir Bürger. Ihr gehören einige frühere AfD-Mitglieder an, die sich bereits 2015 gemeinsam mit Bernd Lucke aus der AfD verabschiedet hatten, weil ihnen diese zu radikal geworden war. Die Partei hieß anfangs Alfa und später für einige Zeit Liberal-Konservative Reformer (LKR).

Landtagswahlen im Osten als Ziel

Die Landtagswahl in Thüringen findet am 1. September statt. Hier und bei den anderen Herbst-Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg will die Werteunion mitmachen. Bei der Europawahl im Juni wird die neue Partei laut Vertretern der Werteunion nicht antreten.

Politikwissenschaftler wie Karl-Rudolf Korte sehen das Wählerpotenzial "im mitte-rechten und rechtsradikalen Lager". Dem ZDF sagte Korte vor einiger Zeit, die Werteunion könnte die AfD-Wählerschaft verkleinern. Sein Kollege Uwe Jun von der Universität Trier verortet die Werteunion "irgendwo zwischen CDU und AfD, nationalkonservativ, aber nicht rechtsradikal". Das sei ein schmales Spektrum, zumal dort auch die Freien Wähler um Hubert Aiwanger Ambitionen hätten, sagte Jun zuletzt im Interview mit Bayern 2.

CSU-Generalsekretär: "Keinerlei Bedeutung in Bayern"

Die CSU distanziert sich schon länger deutlich von Maaßens neuer Partei. Auf BR24-Anfrage bekräftigt Generalsekretär Martin Huber zuletzt: "Wer bei der Werteunion mitmacht, kann kein CSU-Mitglied sein und muss die Partei verlassen." Die Standpunkte der Werteunion seien nicht mit den Werten der Christsozialen vereinbar. Hubers Fazit: Die Werteunion habe "in Bayern keinerlei Bedeutung".

Unterdessen warnte der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, angesichts der derzeitigen Parteineugründungen vor Zuständen wie in der Weimarer Republik. Durch Parteien wie die Werteunion oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) "droht eine Zersplitterung des Parteiensystems und die Gefahr von erneuten Weimarer Verhältnissen in Deutschland", sagte er jüngst den RND-Zeitungen. Güllner spielt damit an auf die instabilen politischen Verhältnisse zum Ende der Weimarer Republik vor rund 100 Jahren, die das Erstarken der Nationalsozialisten begünstigten.

Mit Informationen von AFP

Dieser Artikel ist erstmals am 24. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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