Luxemburg: Ein Schild mit der Aufschrift "Cour de Justice de l'union Européene" steht vor den Bürotürmen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
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Luxemburg: Ein Schild mit der Aufschrift "Cour de Justice de l'union Européene" steht vor den Bürotürmen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

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Verstoß gegen EU-Recht: EuGH verurteilt Polen und Ungarn

Im Justizstreit der EU mit Polen hat der Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einen weiteren Teil der polnischen Justizreform für unrechtmäßig erklärt. Auch zwei ungarische Gesetze verstoßen gegen EU-Recht, urteilten die Richter.

Die polnische Regelung, derzufolge der gleichzeitig als Generalstaatsanwalt fungierende Justizminister Richter an höhere Gerichte abordnen und von dort jederzeit wieder abberufen kann, verstößt gegen EU-Recht.

Es müsse sichergestellt sein, dass eine solche Abordnung niemals als Instrument zur politischen Kontrolle von Gerichtsentscheidungen diene, teilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit. Das Bezirksgericht Warschau hatte den EuGH um Auslegung des EU-Rechts gebeten.

Die Regelung führe dazu, dass die abgeordneten Richter während der Dauer der Abordnung nicht über die Garantien und die Unabhängigkeit verfügen, über die ein Richter in einem Rechtsstaat normalerweise verfügen müsse, teilte der EuGH mit. Nach dem Urteil ist es demnach nicht ausgeschlossen, dass die Regelung als Instrument zur politischen Kontrolle des Inhalts justizieller Entscheidungen eingesetzt wird.

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Mehrere EuGH-Urteile gegen polnische Justizreform

Der Umgang von Polens nationalkonservativer PiS-Regierung mit dem Justizsystem des Landes steht schon seit Jahren heftig in der Kritik. Die Regierung in Warschau und besonders Justizminister Zbigniew Ziobro signalisieren bislang allerdings in den entscheidenden Punkten kein Einlenken.

Ziobro ist auch Architekt der Justizreformen. Er argumentiert, seine Reformen seien nötig, um das polnische Justizsystem leistungsfähiger zu machen und es zudem von Richtern zu befreien, die noch im Kommunismus geprägt wurden.

Bereits mehrmals entschied der EuGH, dass Teile der polnischen Justizreform gegen europäisches Recht verstoßen. Zuletzt verhängte er Ende Oktober ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro gegen Polen, weil das Land eine Entscheidung zur sogenannten Disziplinarkammer für Richter nicht umsetzte. Die EU-Kommission und Polen streiten seit langem über die Einhaltung der für EU-Staaten verbindlichen rechtsstaatlichen Grundsätze.

Ungarns Gesetz gegen Flüchtlingshelfer verstößt gegen EU-Recht

Auch zu Ungarn fällte das Gericht zwei Entscheidungen: Zum einen wurde die Kriminalisierung von Flüchtlingshelfern in Ungarn für rechtswidrig erklärt. Ein entsprechendes Gesetz der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban verstoße gegen EU-Recht, urteilten die EuGH-Richter.

Hintergrund ist eine Klage der EU-Kommission gegen das Gesetz von 2018. Es kriminalisiert Aktivisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, die Migranten dabei helfen, einen Asylantrag zu stellen, obwohl diese nach ungarischen Kriterien wohl nicht schutzberechtigt sind. Dadurch werde das Recht der Asylbewerber beschnitten, "mit den einschlägigen nationalen, internationalen und nichtstaatlichen Organisationen zu kommunizieren und von diesen Unterstützung zu erhalten", argumentiert die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde überwacht in der Staatengemeinschaft die Einhaltung des gemeinsamen Rechts. Die EuGH-Richter gaben der EU-Kommission nun Recht. Durch die ungarische Regelung würden die im EU-Recht garantierten Rechte derjenigen beschränkt, die Personen unterstützen, die internationalen Schutz suchen, hieß es am Dienstag.

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Zum anderen wurde erklärt, dass auch das ungarische "Stop Soros"-Gesetz gegen EU-Recht verstößt. Damit bestraft Ungarn unter anderem Organisationen, die Asylverfahren in Fällen unterstützen, in denen die ungarischen Kriterien nicht erfüllt sind. Die Bezeichnung "Stop Soros" bezieht sich auf den liberalen US-Milliardär George Soros. Der aus Ungarn stammende Holocaust-Überlebende unterstützt mit seiner humanitären Stiftung zahlreiche Zivilorganisationen, die Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen. Die ungarische Regierung unterstellt Soros, eine große Zahl muslimischer Einwanderer nach Europa zu bringen, und attackiert ihn mit antisemitischen Stereotypen. Die EU-Kommission verklagte Ungarn in den vergangenen Jahren mehrfach wegen der Asylregeln vor dem EuGH. Dabei stellte der Gerichtshof bereits mehrfach fest, dass grundlegende Teile der ungarischen Asylpolitik gegen EU-Recht verstoßen. Ungarn setzte die Urteile allerdings nicht immer zur Zufriedenheit der EU-Kommission um.

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