Ausschnitt aus dem umstrittenen Video
Bildrechte: Twitter-Account Antifa Zeckenbiss

Ausschnitt aus dem umstrittenen Video

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Was wir über das strittige "Hetzjagd"-Video aus Chemnitz wissen

Regierung und Verfassungsschutz streiten über ein Video und seine Interpretation: In der Debatte über mögliche Hetzjagden in Chemnitz positioniert sich Verfassungsschutzpräsident Maaßen gegen Kanzlerin Merkel und spricht von Falschinformation.

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Im Zentrum der Debatte über mögliche Hetzjagden auf Menschen mit Migrationshintergrund in Chemnitz steht ein Video, das eine Verfolgungsszene zeigen soll. Doch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zieht die Glaubwürdigkeit des Videos in Zweifel.

Was ist über das Video bekannt?

Am Sonntag vor fast zwei Wochen begann die Serie von rechten Demonstrationen in Chemnitz. Am 26. August also, als der Tod von Daniel H. in Chemnitz bekannt wurde und sich anschließend rechtsextreme Gruppen auf der Straße sammelten. Am Abend dieses Sonntags wurde ein Video auf Twitter hochgeladen, das seither die Runde im Netz macht.

Es wurde von einem anonymen Account mit dem Namen "Antifa Zeckenbiss" veröffentlicht. Wer es aufgenommen hat, ist jedoch noch unklar. Das Video ist 19 Sekunden lang. Die Sequenz zeigt mehrere Männer, die anderen hinterherlaufen und sie davonjagen. Wobei die Verfolgten aussehen wie Migranten. Einer der Verfolger tritt mit einem Fuß nach einem der jungen Männer. "Haut ab"-Rufe sind zu hören und "Ihr seid nicht willkommen". Einer der Männer aus der Angreifer-Gruppe trägt ein T-Shirt, darauf ist "Chemnitz-Einsiedel" zu lesen, außerdem: "Tradition statt Invasion“.

Was sagt Maaßen dazu?

Der Bild-Zeitung sagte Verfassungsschutzpräsident Maaßen: "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist." Und er fügt hinzu: "Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken." Nebenbei: Dass es sich um einen Mord handelt, ist vom zuständigen Gericht noch nicht geklärt; die Anklage lautet auf Totschlag.

Nun sagte Maaßen nicht explizit, dass er sich auf das Video des Accounts "Antifa Zeckenbiss" bezieht. Doch das ist aufgrund der gezeigten Bilder und der hörbaren Parolen sehr wahrscheinlich - auch, weil kein anderes bisher bekanntes Video so explizit eine Jagdszene zeigt.

Die Rufe der Angreifer decken sich im Übrigen mit den Sätzen, die Regierungssprecher Steffen Seibert nach eigener Aussage dazu bewogen haben, von "Hetzjagden" zu sprechen. Damit liegt der Schluss nahe, dass er über genau dieses Video sprach, also er die Vorfälle am Montag darauf politisch einordnete:

"Zu diesem Zeitpunkt existierten in den sozialen Medien bereits vielfach verbreitete Schilderungen der Geschehnisse, darunter auch eine Videoaufnahme, die zeigt, wie Demonstranten in aufgeladener Stimmung Migranten mit Sätzen wie 'Haut ab', 'Was wollt ihr, ihr Kanacken' und 'Ihr seid nicht willkommen' nachsetzen und diese in die Flucht jagen", schreibt Seibert in seiner Antwort auf eine schriftliche Frage des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm.

Was spricht dafür, dass das Video authentisch ist?

Es lässt sich durch einen Abgleich von Gebäuden und Schildern zeigen, dass die Sequenz tatsächlich in Chemnitz aufgenommen wurde. Die Kleidung der Angreifer passt teils, wie oben beschrieben, zu den Ereignissen. Auch das Wetter stimmt. Und das Material tauchte nach bisherigen Kenntnissen vorher nicht im Internet auf. Auch ein weiteres Video - von einem anderen Account - zeigt dieselben Personen, wie sie den Migranten offenbar weiter verfolgen.

Gibt es Belege für eine gezielte Falschinformation?

Maaßen blieb bisher eine Erklärung für seine Vermutung schuldig, Belege für eine Falschinformation sind nicht bekannt. Was allerdings noch aussteht, ist ein Beleg dafür, dass das Video tatsächlich auch am 26. August - also dem Sonntag, an dem es auf Twitter hochgeladen wurde - aufgenommen wurde. Es ist also – bislang - nicht vollkommen sicher, dass das Video authentisch ist. Es ist aber eben auch nicht belegt, dass es nicht authentisch ist.