Ehemaliger VW-Vorstand Herbert Diess beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen.
Bildrechte: BR

Ehemaliger VW-Vorstand Herbert Diess beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

E-Autos: Diess sieht deutsche Hersteller "in guter Position"

Die Nachrichten für die deutsche Automobilindustrie klingen zurzeit eher düster - China gehöre die Zukunft. Beim Sonntags-Stammtisch sieht der ehemalige VW-Chef Herbert Diess Deutschland trotzdem in einer guten Position bei der Elektromobilität.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Obwohl Deutschland immer mehr E-Autos exportiert, hat der klassische Verbrennermotor nach wie vor den größten Anteil bei den Pkw-Exporten. Der wichtigste Abnehmer für die deutschen Verbrenner ist China. Die meisten Elektro-Marken kommen wiederum aus China selbst.

Die Unternehmensberatung PwC zeichnete im November in einer Studie eine düstere Zukunft für die Autoindustrie Europas: In den kommenden Jahren soll sich Europa demnach vom Exporteur zum Importeur entwickeln. Laut Studie ist es möglich, "dass Europa 2025 bereits einen Importüberschuss von mehr als 221.000 Fahrzeugen (Verbrenner und Elektroautos) erreichen könnte". China dagegen verkauft immer mehr elektrisch betriebene Fahrzeuge in Europa.

Deutschland droht auf dem E-Automarkt abgehängt zu werden, sagen Experten wie der ehemalige Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg–Essen, Ferdinand Dudenhöfer. Auch aus den Chefetagen deutscher Automobilunternehmen sind Krisentöne zu hören. So schlug der VW-Markenchef Thomas Schäfer in einer öffentlich gewordenen Videoschalte mit weltweiten Führungskräften deutliche Töne an. Von einem "letzten Weckruf" sei da die Rede gewesen, berichtete das "Manager Magazin", denn es braue sich ein "perfekte(r) Sturm" zusammen. "Der Dachstuhl brennt", so Schäfer. Ein gewichtiger Grund ist die sinkende Nachfrage nach Elektroautos und die starke Konkurrenz aus China.

Technologiewechsel dauert zwei Lebenszyklen

Für den ehemaligen VW-Vorstand Herbert Diess ist der Wettbewerb mit China jedoch noch nicht verloren, erläuterte er beim Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen: "Ich glaube, wir haben alle Chancen." Ein solcher Wechsel in der Industrie von einer Technologie zur anderen dauere in der Regel zwei Lebenszyklen. Bei den Smartphones wären das vier, fünf Jahre. Dieser Wechsel vom Verbrenner zu elektrisch würde 15 bis 20 Jahre dauern, schätzte Diess. "Wir sind jetzt in der ersten Hälfte dieses Lebenszyklus - ich würde sagen, noch nicht bei der Hälfte. Und ich würde sagen, wir haben eine ganz gute Position."

Dass diese Position jedoch in der ganzen Breite des Elektroautomarktes auf Dauer nicht einfach zu halten sein wird, zeigen aktuelle Zulassungszahlen in Deutschland. Zwar sind 15 Prozent aller neu zugelassenen Autos elektrisch, aber im vergangenen Jahr sanken die Zulassungen bei neuen E-Autos in Deutschland um 13 Prozent. Zeitgleich stiegen sie in den Nachbarländern Österreich und der Schweiz - in Frankreich sogar um 43 Prozent. Als Gründe dafür werden die hohe Inflation, die gestiegenen Stromkosten und die gekürzten staatlichen Kaufprämien gesehen. Die Zurückhaltung der Kunden merkt auch der hiesige Marktführer VW. So wird das VW-Werk im niedersächsischen Emden nach den Sommerferien nicht, wie geplant, in eine dritte Schicht für ihre Elektromodelle ID einsteigen, sondern die Produktion um rund 30 Prozent kürzen.

Diess: "Brauchen starken Heimatmarkt für Elektromobilität"

Mit dem Wechsel zur Elektromobilität biete sich eine Angriffsfläche - und die werde genutzt, ist sich auch Diess sicher. Die deutsche Automobilbranche glänze jedoch insbesondere mit Premiumprodukten - Fahrzeugen, die serienmäßig Ausstattung umfassen, die andere Anbieter nur gegen Aufpreis anbieten. Daher müsse man sich anstrengen und konzentrieren. "Jede Industrie braucht einen starken Heimatmarkt und die Premiumindustrie hat in Deutschland einen enorm starken Heimatmarkt", sagt Diess. Man hätte hierzulande fast 30 Prozent Premiumanteil. "Wir brauchen einen starken Heimatmarkt für Elektromobilität."

Sich dabei unabhängig von China zu machen, scheint als Exportnation kaum möglich: Zu viel Produktion findet dort statt. "In China werden mehr Premiumfahrzeuge gebaut und verkauft, von Mercedes, BMW, Porsche und Audi, als im Rest der Welt." Der Markt sei so groß, dass man ihn natürlich bedienen müsse. Wenn man den nicht bediene, sei man aus dem Geschäft, so Diess - in Indien, Lateinamerika und Afrika gebe es keinen Premiummarkt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!