Andrij Melnyk, scheidender Botschafter der Ukraine
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Andrij Melnyk, scheidender Botschafter der Ukraine

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Undiplomatischer Diplomat: Melnyk verabschiedet sich von Berlin

Heute hat der ukrainische Botschafter seinen letzten Arbeitstag in Berlin. Melnyk hat sich seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine mit oft harter Kritik an der Bundesregierung einen Namen gemacht. Porträt eines undiplomatischen Diplomaten.

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Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat sich via Twitter von Deutschland verabschiedet. "Ich kehre nach Hause zurück erhobenen Hauptes mit reinem Gewissen und dem Gefühl, meine Pflicht gegenüber der Ukraine erfüllt zu haben", schrieb er am frühen Freitagmorgen. "Danke, liebe deutsche Freunde, für Ihre Geduld."

Botschafter mit klarer Botschaft an Deutschland

Einen Botschafter mit derart klaren Botschaften hat Deutschland selten erlebt, was vor allem daran liegen dürfte, dass sich Andrij Melnyk nie wirklich in der Rolle des filigranen Diplomaten gesehen hat, sondern eher in der eines Lebensretter seines Landes, das sich spätestens seit Ende Februar buchstäblich im Überlebenskampf befindet.

"Wenn jemand ertrinkt, da ist man nicht höflich, da muss man schreien und manchmal auch lauter werden als als sonst", entschuldigte Andrij Melnyk seine bisweilen robuste Ausdrucksweise vor kurzem bei Maischberger in der ARD. Jedenfalls hat sich der 47-Jährige gewiss noch nie vorwerfen lassen müssen, dass man bei ihm mühsam zwischen den Zeilen lesen muss.

Melnyk nannte Scholz "beleidigte Leberwurst"

Zuletzt war es Tesla-Chef Elon Musk, dessen in der Tat unausgegorenen Friedensplan für die Ukraine Melnyk auf Twitter mit einem unzweideutigen "fuck off" bedachte. Altkanzlerin Merkel warf er Besessenheit mit dem Terrorstaat Russland vor. Bundeskanzler Scholz bezeichnete er als beleidigte Leberwurst. "Natürlich hat dieser Botschafter Emotionen erregt, positive wie negative", beschrieb ihn einmal Wolfgang Ischinger, selbst ehemaliger Diplomat.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) übte deutliche Kritik an Melnyk, nachdem dieser Deutschland im Juni vorgeworfen hatte, dass ukrainische Geflüchtete sich nicht willkommen fühlten. Die Reaktion des bayerischen Innenministers folgte prompt: "Das ist eine Unverschämtheit und geht vollkommen an der Realität vorbei, das ist einfach falsch", so Herrmann.

Die Provokation, meinten Beobachter, sei bei Melnyk genauso zum Markenzeichen geworden wie seine stets adrette Kleidung und die markante Hornbrille. Seine Fürsprecher hingegen betonten, Melnyk sei genau der Botschafter, den Deutschland verdiene.

Strack-Zimmermann dankbar für Melnyks Vehemenz bei Waffenlieferungen

"Ich habe ihn mal in einem Streitgespräch gesagt, dass seine Inhalte wichtig sein, aber er sprachlich die Verpackung ändern müsse", erklärte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Trotz der Ausdrucksweise sei sie dankbar ist für den Druck, den Melnyk stets auf die Bundesregierung ausübte, schneller mehr Unterstützung für die Ukraine zur Verfügung zu stellen.

Der Jurist Melnyk hatte schon seit den den ersten Kriegswochen Unterstützung bei den Waffenlieferungen gefordert. "Ich glaube, das ist auch die verdammte Pflicht, auch der deutschen Freunde, hier endlich was zu tun und nicht nur zu reden."

Melnyk verteidigte ukrainischen Kollaborateur Bandera

Vielleicht war es das, was für so manchen in der deutschen Politprominenz am schwierigsten zu verdauen war: Dass Andrij Melnyk persönlich auch noch einiges aufzuarbeiten hat. Daran scheint selbst für sein Ministerium kein Zweifel zu bestehen, versuchte Melnyk doch im Interview mit dem Politik-Blog "Jung und Naiv" hartnäckig, den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera reinzuwaschen, der im Zweiten Weltkrieg mit den Nationalsozialisten gemeinsame Sache gemacht hatte und Mitverantwortung für den Massenmord an Polen und Juden im Zweiten Weltkrieg trägt.

"Es gibt keine Beweise, und deswegen werde ich mich nicht also davon distanzieren", sagte Melnyk trotz unzweifelhafter historischer Belege. Ob genau dies der Grund für seine Abberufung nach über sieben Jahren in Deutschland ist, ließ Kiew offen.

Melnyk wechselt ins ukrainische Außenministerium

Dass Deutschland Andrij Melnyk ganz los wird, ist nicht zu erwarten. Auch in seiner neuen Funktion im ukrainischen Außenministerium dürfte der Rückkehrer den wichtigsten Verbündeten und Partner in Europa, wie Melnyk Deutschland nennt, im Blick behalten. "Und ich hoffe, dass, dass die Deutschen auch diejenige, die sich beleidigt fühlen, doch Nachsicht haben, wenn ich weg bin", warb der scheidende Botschafter unlängst für Verständnis und war bei diesen Worten ausnahmsweise einmal ganz und gar Diplomat.