Kanzler Olaf Scholz  in der ZDF-Sendung "Was nun?"
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Kanzler Olaf Scholz in der ZDF-Sendung "Was nun?"

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Ukrainischer Botschafter: Scholz spielt "beleidigte Leberwurst"

Bundeskanzler Scholz wird Kiew vorerst nicht besuchen. Er begründet dies mit der Ausladung von Bundespräsident Steinmeier durch die ukrainische Regierung. Kritik kommt vom ukrainischen Botschafter Melnyk, der Scholz "beleidigte Leberwurst" nennt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bundeskanzler Olaf Scholz will wegen der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Seite vorerst nicht in die Hauptstadt Kiew reisen. Es sei "ein ganz bemerkenswerter Vorgang" gewesen, den gerade mit großer Mehrheit wiedergewählten Bundespräsidenten auszuladen, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung "Was nun?". Scholz stellte mit Blick auf eine eigene Reise klar: "Das steht der Sache im Weg."

Der Kanzler betonte, Deutschland habe der Ukraine viel militärische und wirtschaftliche Hilfe geleistet. Da könne es nicht sein, dass man dann sage, der Präsident könne aber nicht kommen. "Das kann man nicht machen", sagte Scholz.

Kritik vom ukrainischen Botschafter Melnyk

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat das vorläufige Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz zu einer Kiew-Reise kritisiert. "Eine beleidigte Leberwurst zu spielen klingt nicht sehr staatsmännisch", sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. "Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten."

Melnyk sagte, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würde sich weiterhin freuen, Scholz in Kiew empfangen zu dürfen. Er fügte aber hinzu: "Worauf sich die Ukraine viel mehr als auf alle symbolischen Besuche freuen würde, ist, dass die Ampel-Regierung den Antrag des Bundestages über die Lieferung von schweren Waffen zügig umsetzen wird und die bisherigen Zusagen erfüllt."

Unverständnis von EVP-Fraktionschef Weber

Auch der EVP-Fraktionchef im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), zeigte wenig Verständnis dafür, dass der Kanzler weiterhin nicht nach Kiew reisen will. "Was sollen die Ukrainer jetzt machen? Sollen sie um Entschuldigung bitten, dass sie den Bundespräsidenten nicht eingeladen haben? Was erwarten wir denn jetzt auch von denen?" so Weber im Interview mit der Bayern 2 radioWelt.

Die Ukrainer seien "im Überlebenskampf", sagte Weber weiter und forderte von Scholz: "Deswegen jetzt auch mal runterschlucken, wenn einmal eine Entscheidung gefällt worden ist, von der ja auch eingeräumt worden ist, dass sie nicht perfekt war, und Solidarität zeigen.“ Er habe Verständnis dafür, dass der Bundespräsident eine besondere Rolle habe, so der CSU-Politiker. "Aber wenn man die Person sieht, muss man schon darauf hinweisen. (…): Die Ukrainer bezahlen die Fehler, die gemacht worden sind in den vergangenen Jahren, in Berlin und auch von Sozialdemokraten."

Steinmeier ausgeladen

Der geplante Kiew-Besuch von Steinmeier war Mitte April geplatzt, weil die ukrainische Seite ihn auslud. Er wollte zusammen mit den Staatschefs von Polen, Lettland, Estland und Litauen nach Kiew reisen, die schließlich ohne ihn aufbrachen. Steinmeier steht wegen seiner früheren Russland-Politik als Außenminister, in der Ukraine in der Kritik. Inzwischen hat er Fehler in der Bewertung von Kreml-Chef Wladimir Putin und in seiner Einschätzung beispielsweise der Pipeline Nord Stream 2 eingeräumt.

Zu der geplanten Kiew-Reise von CDU-Chef Friedrich Merz sagte Scholz, dieser habe ihn über seine Pläne informiert. "Ich habe da keine Einwendungen." Er billige die Reise.

Merz bekräftigt Reisepläne

Merz hatte zuvor seine Reisepläne bekräftigt. Er habe bei der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU "ohne jede Ausnahme Zustimmung" dafür bekommen, "dass ich mich entschlossen habe, diese Woche nach Kiew zu reisen", sagte der CDU-Vorsitzende nach dem Treffen in Köln.

Er nehme dabei eine Einladung des ukrainischen Parlaments wahr. Und da es in den vergangenen Wochen keinerlei Anzeichen dafür gegeben habe, dass Bundeskanzler Scholz eine solche Reise plane, habe er keine Veranlassung mehr gesehen, mit der Annahme der Einladung weiter zu warten. "Ich will mir in der Ukraine selbst ein Bild machen von der Lage dort", erläuterte Merz. Er wolle in Kiew auch mit Parlamentariern und Regierungsmitgliedern sprechen.

Auch Gysi reist in die Ukraine, Baerbock wahrscheinlich

Für die Linkspartei will deren ehemaliger Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi vom 3. bis zum 8. Mai in die Ukraine reisen. Geplant seien Besuche in Kiew, Butscha, Irpin und Lemberg, teilte die Partei mit.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stellte eine Ukraine-Reise in Aussicht - allerdings noch ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen. In der ARD-Sendung "Anne Will" sagte sie am Sonntagabend: "Ja, ich werde auch reisen." Sie habe dies bereits nach Bekanntwerden der Kriegsverbrechen in Butscha geplant - habe dann aber zunächst dem Bundespräsidenten den Vortritt lassen wollen, der dann "leider" wieder ausgeladen worden sei. Das heiße aber nun nicht, "dass ich in Zukunft nicht fahren werde".

Scholz will sich bei Ukraine-Politik nicht treiben lassen

Scholz wies im ZDF-Interview erneut den Vorwurf der Zögerlichkeit bei der Unterstützung der Ukraine etwa mit schweren Waffen zurück. "Ich habe immer schnell entschieden, zusammen mit allen anderen, mich mit den Verbündeten abgestimmt", sagte er. "Aber mein Kurs ist schon, dass wir besonnen und mit klarem Verstand handeln." Die Regierung treffe keine Entscheidung im Stil einer PR-Abteilung - "immer noch was drauf oder niemals etwas".

Viele Deutsche machten sich Sorgen, dass es eine Eskalation des Krieges hinaus geben könnte. "Sie machen sich diese Sorgen ja auch berechtigterweise." Er versicherte, es werde keine unmittelbare Beteiligung der Nato an dem Krieg geben.

Scholz und sein Kabinett kommen am heutigen Dienstag zu einer zweitägigen Klausurtagung auf Schloss Meseberg zusammen, um über den Ukraine-Krieg und dessen Folgen zu sprechen.

Kanzler: Kann Schröder keine Befehle geben

Der Kanzler forderte seinen Vor-Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) erneut auf, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Es sei "völlig unvertretbar, spätestens seit dem Kriegsbeginn unmöglich", dass der frühere Bundeskanzler diese Aufgaben weiter wahrnehme, sagte Scholz. Ein Bundeskanzler könne seinem Vorgänger aber "keine Befehle geben".

Bundeskanzler Scholz in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz"
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Bundeskanzler Scholz sprach in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz" über Altkanzler Schröder.

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