Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, gibt zu Beginn der SPD-Bundestagsfraktionsklausur ein Pressestatement.
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Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, gibt zu Beginn der SPD-Bundestagsfraktionsklausur ein Pressestatement.

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Ukraine: SPD für Diplomatie, schließt aber Panzer nicht aus

Zur Beendigung des Ukraine-Kriegs setzt die SPD-Fraktion im Bundestag auf diplomatische Gespräche. Fraktionschef Mützenich sieht in der Debatte über Kampfpanzer zur militärischen Unterstützung aber grundsätzlich "keine roten Linien".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Kriege werden in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld beendet": Das ist einer der Kernsätze in einem Entwurf für ein Positionspapier der SPD im Bundestag, das auf der Jahresauftakt-Klausur am Freitag beschlossen werden sollte. Die größte Regierungsfraktion setzt auf diplomatische Initiativen, um zu einem Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine zu kommen.

"Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, müssen diplomatische Gespräche möglich bleiben", heißt es weiter. Deswegen seien auch die Telefonate von Kanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin richtig und notwendig. "Bei jeglichen Verhandlungsbemühungen gilt das Prinzip: Nicht ohne die Ukraine, nicht über die Ukraine hinweg", zitiert darüber hinaus das ARD-Hauptstadtstudio aus dem Entwurf.

Mützenich zur Panzerdebatte: "Keine roten Linien"

Zu Beginn der zweitägigen Beratungen bekannte sich Fraktionschef Rolf Mützenich am Donnerstag aber auch zur weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine. Er schloss die Lieferung von Kampfpanzern nicht grundsätzlich aus: "Es gibt keine roten Linien", sagte er vor der Hintergrund der Panzerdebatte. Man werde sich da eng mit den Bündnispartnern abstimmen. Die Ukraine müsse das bekommen, "was für das Selbstverteidigungsrecht wichtig ist". Gleichzeitig müsse Deutschland aber darauf achten, "nicht in den Krieg verwickelt (zu) werden".

Polen hatte sich am Mittwoch bereiterklärt, zusammen mit Bündnispartnern Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 in die Ukraine zu liefern. Deutschland hat der Ukraine bisher nur die leichteren und weniger schlagkräftigen Schützenpanzer vom Typ Marder zugesichert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bekräftigte bei einem Truppenbesuch im sächsischen Marienberg, dass eine Kampfpanzer-Lieferung derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. "Diese Entscheidung ist nicht getroffen. Und deswegen stellt sich diese Frage auch darüber hinaus nicht."

Die Bundesregierung habe darüber hinaus bislang keine Anfragen internationaler Partner zur Ausfuhr von Leopard-Panzern erhalten. "Es gibt keinerlei Anträge seitens Polen oder anderer Nationen auf diese Lieferung", sagte Lambrecht. Deutschland müsste als Herstellerstaat das Vorhaben genehmigen.

Entscheidender Ramstein-Termin?

Nächste Woche Freitag kommen die Verteidigungsminister der westlichen Verbündeten auf dem rheinland-pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein zusammen, um über weitere Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet zu beraten. Dass sich die Bundesregierung bis dann für eine Lieferung von Kampfpanzern entscheide, sei "nicht sehr wahrscheinlich", hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch gesagt.

In dem Entwurf für das SPD-Positionspapier kommt das Wort Panzer laut der Nachrichtenagentur dpa kein einziges Mal vor. Es werde lediglich darauf verwiesen, dass Deutschland der Ukraine bereits "im großen Umfang" Ausrüstung und Waffen geliefert habe. Die Passage zu diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges sei stattdessen ausführlich.

"Wir müssen weiterhin jeden Versuch unternehmen, Russland zum Rückzug zu bewegen und gegenüber Russland eine ehrliche Bereitschaft zu einem gerechten Friedensschluss einfordern", heißt es demnach in dem neunseitigen Entwurf. Es werde darauf verwiesen, dass in "kleinen Teilbereichen" Verhandlungserfolge mit Russland erzielt werden konnten, zum Beispiel beim Gefangenenaustausch oder beim Getreideexport über das Schwarze Meer. Es gelte, auf diesen Ansätzen aufzubauen, etwa im Bereich der Rüstungskontrolle.

Ukraine sieht diplomatische Initiativen skeptisch

Die ukrainische Regierung steht diplomatischen Initiativen skeptisch gegenüber. Sie sieht keinen Sinn in Verhandlungen mit Russland, solange nicht alle Truppen von ihrem Staatsgebiet abgezogen sind - einschließlich der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Die Russland-Politik der SPD vor dem Ukraine-Krieg war in den vergangenen Monaten scharf kritisiert worden. Die Partei will ihre Haltung nun neu definieren. Beim Parteitag Ende 2023 soll ein neues außen- und sicherheitspolitisches Konzept beschlossen werden. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte im Oktober mehrere Fehleinschätzungen seiner Partei in der Russland-Politik der letzten Jahrzehnte eingestanden. In einer Grundsatzrede sprach er sich für ein grundsätzliches Umdenken aus. "Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren", sagte der Parteivorsitzende. "Russland hat sich aus dem System der gemeinsamen Sicherheit und der gemeinsamen Werteordnung verabschiedet. Unsere Sicherheit muss ohne Russland funktionieren."

Russland als "Aggressor" - aber was ist in Zukunft?

In dem Entwurf für das Positionspapier der Fraktion ist der Zungenschlag laut dpa ein anderer. Zwar hieße es dort, dass Russland als Aggressor auftrete, dem mit konsequenter Abschreckung begegnet werden müsse. Allerdings werde Russland auch in Zukunft ein Land mit erheblicher Fläche, Bevölkerung und militärischer Stärke auf dem europäischen Kontinent sein. "Dies wird auf lange Sicht für die Gestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur relevant sein."

Die Autoren des Papiers können sich bei einer "fundamentalen Abkehr vom verbrecherischen Angriffskrieg Russlands" auch wieder vertrauensbildende Maßnahmen mit dem Land vorstellen. "Wenn eine ernsthafte Bereitschaft hierzu erkennbar sein sollte, könnte eine Politik der kleinen Schritte, die in überschaubaren Bereichen Initiativen zur Vertrauensbildung startet und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft wird, ein diplomatischer Ansatz sein." Aus der Fraktion hieß es laut dpa, der Entwurf für das Positionspapier sei mit der Parteiführung abgestimmt.

Melnyk reagiert auf SPD-Satz

Der ukrainische Vizeaußenminister und frühere Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, widersprach der SPD-Fraktion im Bundestag bereits am Mittwoch, nachdem ein Journalist über das Papier berichtete. "Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden. Deutschland sollte das besser wissen."

Lambrecht: Marder-Zusage bleibt

Unterdessen sieht Verteidigungsministerin Lambrecht die zugesagte Lieferung von 40 Schützenpanzern an die Ukraine und das geplante Ausbildungspaket auf Kurs. "Die Zusage, so wie sie gemacht ist, so wird sie auch erfolgen", sagte sie in Marienberg. Die SPD-Politikerin machte deutlich, dass die Marder nicht aus dem aktiven Bestand der Bundeswehr stammen.

Mit Informationen von dpa und AFP

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