Ungewisse Zukunft für die Ostsee-Pipeline
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Ukraine-Krise: Folgen für die Gasversorgung in Deutschland?

Die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 liegt erst einmal auf Eis. Doch welche Folgen hat die jüngste Eskalation im Konflikt um die Ukraine auf die Gasversorgung in Deutschland? Drohen gar kalte Wohnungen – mangels Gas aus Russland?

Die europäischen Staaten haben sich wegen des russischen Vorgehens im Osten der Ukraine auf ein ganzes Bündel an Sanktionen geeinigt. Unter anderem wird der Handel mit russischen Staatsanleihen verboten, um das Land finanziell zu schwächen. Zudem kommen zahlreiche Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste, was bedeutet, dass ihre Vermögenswerte in der EU eingefroren werden. Die wichtigste Maßnahme aus deutscher Sicht: Das Genehmigungsverfahren für die Pipeline Nord Stream 2 wird gestoppt.

55 Milliarden Kubikmeter Gas könnten jährlich durch Nord Stream 2 von Russland Richtung Deutschland fließen. Zusätzlich zu den bestehenden Pipelines, also insbesondere zu Nord Stream 1, der Jamal-Pipeline durch Polen sowie – ein Name, der in diesen Tagen zynisch klingt – durch die Pipeline "Bruderschaft" durch die Ukraine. Knapp 200 Milliarden Kubikmeter Gas fließen derzeit aus Russland Richtung Westen, Deutschland ist dabei der größte Abnehmer.

Hohe Abhängigkeit von russischem Öl und Gas

Zugleich ist die Abhängigkeit Deutschlands von Energielieferungen aus Russland enorm: Rund 40 Prozent des Öls, das hierzulande verbraucht wird, stammt aus Russland. Beim Gas liegt der Anteil sogar bei 55 Prozent – mit seit Jahren steigender Tendenz. Sollten zum Beispiel die Gaslieferungen von heute auf morgen ausbleiben, hätte das massive Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Experte: Heizungskunden müssen sich keine Sorgen machen

Auch im Wohnungsbereich geht die Sorge um, schließlich werden 48 Prozent der Wohnungen mit Gas geheizt. Ein Katastrophen-Szenario mit kalten Wohnungen hält jedoch Timm Kehler, Geschäftsführer des Branchenverbands Zukunft Gas, für nicht denkbar. Heizungskunden seien gesetzlich besonders geschützt und würden, selbst wenn es zum Äußersten käme, bei den Gaslieferungen bevorzugt behandelt.

Dafür reiche das Gas aus anderen Bezugsländern wie Norwegen oder Holland sowie das Flüssiggas (englisch: Liquified Natural Gas, kurz LNG), das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Unternehmen als Gaskunden müssten sich in einer solchen Situation hinten anstellen – sie wären die eigentlichen Verlierer einer weiteren Zuspitzung der Krise.

Allerdings rechnet Branchenexperte Kehler nicht damit, dass Russland plötzlich den Gashahn zudreht. Er erinnert daran, dass die Energiepartnerschaft mit Russland auch schwierige Phasen in früheren Jahrzehnten überdauert habe: "Selbst in den größten Eskalationen des Kalten Kriegs war die Gasversorgung aus Russland gesichert", so Kehler.

Russland will weiter Gas liefern

Russlands Präsident Putin hat trotz der Ukraine-Krise auch bereits zugesagt, die Gaslieferungen an die Weltmärkte ohne Unterbrechung fortsetzen zu wollen. Nach wie vor erfüllt Russland auch gegenüber Deutschland alle Lieferverpflichtungen aus bestehenden Verträgen, hält sich darüber hinaus aber am Gasmarkt zurück. Das ist insofern bemerkenswert, als die hohen Energiepreise gerade hohe Gewinne verheißen und obwohl die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft einen wesentlichen Beitrag zum russischen Staatshaushalt leisten, zwischen 35 und 40 Prozent sind es ungefähr.

Zugleich hat Russland 600 Milliarden Dollar Reserven zur Seite gelegt, um für Sanktionen gewappnet zu sein. Dabei sind die Möglichkeiten des Westens auf dem Energiesektor ohnehin gering – eben wegen der Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas. Das gilt selbst für das vorläufige Aus für Nord Stream 2, das in erster Linie einen hohen symbolischen Wert hat.

Allerdings erhöht die Entscheidung zu Nord Stream 2 den Druck, die Energieversorgung auf andere Beine zu stellen. Auch aus politischen Gründen, wie Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck zugibt: "Je mehr wir in der Lage sind, Energie in Deutschland selbst zu produzieren, um so souveräner können wir außen- und sicherheitspolitisch agieren."

Höhere Kosten als Preis für mehr Unabhängigkeit von Russland

Freilich: Der von dem Grünen-Politiker angestrebte Ausbau der erneuerbaren Energien kostet Zeit. Und so spielt in der aktuellen Diskussion Flüssiggas als Energiequelle eine große Rolle, trotz vieler Umweltbedenken. Also Gas, das zum Beispiel in den USA oder in Katar gewonnen und dort verflüssigt wird, um dann mit Schiffen nach Europa transportiert und dann wieder in Gas zurück verwandelt zu werden.

Ein deutlich höherer Aufwand als einfach Gas von Russland durch eine Pipeline nach Europa zu schieben, erläutert Thomas Peiß, Energie-Analyst bei der Bayerischen Landesbank. Die Folge: Der Preis für Gas, das zumindest noch eine Zeit lang als so genannte "Brückentechnologie" gebraucht wird, dürfte weiter steigen. Das sei zumindest kurz- und mittelfristig der Preis für mehr Unabhängigkeit von Russland, so Peiß.

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