Mindestens 220 Tote in den vergangenen drei Tagen. Leichen, die im Mittelmeer schwimmen, an die libysche Küste gespült werden.
Wenn es noch einen Beleg dafür bräuchte, wie überlebenswichtig eine Einigung in der europäischen Asylpolitik sein kann, hätte diese - nach eigenen Worten "konservative" - Schätzung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sie wohl geliefert. Die Zahl beruht auf den Angaben von Überlebenden, die Retter zusammengetragen haben.
Italien verweigert Aufnahme von Flüchtlingen
Und doch ist die Ansage von Italiens Innenminister Salvini eindeutig: "Wir können keinen einzigen Flüchtling mehr aufnehmen - im Gegenteil: Wir wollen ein paar abgeben", sagte der Chef der fremdenfeindlichen Lega dem "Spiegel".
Dieser Leitlinie folgend hatte Salvini schon in den vergangenen Tagen die italienischen Häfen dicht gemacht: Schiffe privater Hilfsorganisationen mit Flüchtlingen an Bord durften nicht mehr einlaufen. Davon betroffen war nicht nur die "Aquarius", sondern jüngst auch Schiffe der deutschen Organisationen "Sea-Eye" und "Mission Lifeline".
Es geht auch ums Überleben der EU
Auch die osteuropäischen Visegrad-Staaten - Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei - teilten mit: Sie wollen weiterhin keine Flüchtlinge aufnehmen, weder direkt, noch im Rahmen einer europäischen Umverteilung. Stattdessen sollten die EU-Außengrenzen besser überwacht werden. Und Flüchtlinge sollten jenseits der EU-Grenzen warten, bis ihre Asylanträge bearbeitet sind.
Teilnehmen am EU-Sondergipfel am Sonntag wollen sie - all diesen Forderungen zum Trotz - aber nicht.
Dabei steht derzeit nicht weniger als die Zukunft Europas auf dem Spiel. Das weiß auch Salvini: "Innerhalb eines Jahres wird sich entscheiden, ob es das vereinte Europa noch gibt oder nicht mehr." Zeigen werde sich das vor allem bei den Haushaltsverhandlungen und im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament.
Kanzlerin wiegelt ab
Und eben beim Asyl-Sondergipfel der EU am Sonntag.
Doch selbst Kanzlerin Merkel, indirekt Initiatorin des Treffens, dämpft die Erwartungen: Es handele sich um ein Beratungs- und Arbeitstreffen, sagte sie. Eine Abschlusserklärung werde es nicht geben. Vielmehr solle mit den Ländern, die besonders betroffen sind, über alle Fragen der Migration gesprochen werden.
Dabei soll es zum einen darum gehen, wie mit ankommenden Flüchtlingen umgegangen werden soll - was insbesondere Italien und Griechenland betrifft. Aber auch um sogenannte Sekundärmigration, wenn Flüchtlinge also innerhalb des Schengenraums weiterreisen - etwa nach Deutschland.
Danach werde man sehen, so Merkel, "ob man bi-, tri- oder sogar multilaterale Absprachen treffen kann, um bestimmte Probleme besser zu lösen."
16 der 28 EU-Länder nehmen am Gipfel teil
Aus Sicht der EU-Kommission scheint sogar eine Einigung beim eigentlichen EU-Gipfel Ende Juni aussichtslos. EU-Kommissar Avramopoulos erklärte gestern, die Staats- und Regierungschefs sollten sich "vor Ende des Jahres" auf die Komponenten des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verständigen. Beim EU-Gipfel im Oktober 2017 war noch ein Konsens in der ersten Jahreshälfte 2018 avisiert worden.
Insgesamt 16 Länder haben ihre Teilnahme am Sondergipfel inzwischen signalisiert, teilte ein Sprecher der EU-Kommission derweil mit. Neben der ursprünglichen Achter-Gruppe aus Deutschland, Griechenland, Italien, Bulgarien, Malta, Österreich, Frankreich und Spanien wollten außerdem die Staats- und Regierungschefs von Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Kroatien, Slowenien, Finnland, Schweden und Luxemburg kommen, hieß es.
Die Einladung gelte jedoch weiterhin für alle EU-Länder.