Robert Habeck, Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz sitzen am 11.12.2023 im Büro des Kanzlers zu weiteren Beratungen in der Haushaltskrise zusammen.
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So könnte die Einigung im Haushaltsstreit aussehen

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So könnte die Einigung im Haushaltsstreit aussehen

Obwohl alle Beteiligten sich um Zuversicht bemühen: Die Haushaltsfindung 2024 ist vertrackt, weil viele politische Überzeugungen auf dem Spiel stehen. Wer genau hinsieht, kann Ansätze für eine Einigung finden.

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Seit Wochen verhandeln die Minister der Ampel-Parteien, und seit Wochen sind alle Beteiligten zuversichtlich, dass "sehr schnell" eine Lösung gefunden wird. "Wir sind so weit vorangekommen", sagt am Montag Bundeskanzler Scholz, man sei "sehr zuversichtlich, bald" ein Ergebnis mitzuteilen. Trotz aller Zuversicht – das Ergebnis lässt auf sich warten.

Es geht darum, eine 17-Milliarden-Euro-Lücke allein im Bundeshaushalt 2024 zu schließen. Die Ampel-Parteien haben jeweils eigene Vorstellungen, wie das geschehen soll. Sie lehnen dabei die öffentlichen Forderungen der anderen teils kategorisch ab. Allerdings gibt es auch Aussagen zwischen den Zeilen, die andeuten, wie eine Lösung möglich wäre.

Die Ampel und das Sparen: tiefe Gräben – überall

Bis vor kurzem wären Einsparungen nicht in diesem Umfang nötig gewesen. Was auch daran lag, dass die Ampel-Koalition Schulden, die für Corona-Hilfen vorgesehen waren, für andere Investitionen nutzen wollte. Daraus wurde nichts. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umbuchung in einen Investitionsfonds untersagt. Daher fehlen im entsprechenden Klima- und Transformationsfonds 60 Milliarden Euro. Weil die Finanzierungsgrundlage für Ampelpläne damit entfällt, müssten laut dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil nun einige Koalitionsvereinbarungen auf den Prüfstand – etwa die Einhaltung der Schuldenbremse oder der Verzicht auf Steuererhöhungen.

FDP: Keine Steuererhöhungen, keine Änderung der Schuldenbremse

Für FDP-Finanzminister Lindner hat der Koalitionsvertrag weiterhin Gültigkeit: Lindner schließt Steuererhöhungen kategorisch aus. Das sei ja die Bedingung für die FDP gewesen, in die Ampel-Regierung einzutreten. Auch von der Idee, an die Ausgestaltung der Schuldenbremse ranzugehen, hält der Finanzminister nichts. Außerdem bedürfte es für eine Änderung der Schuldenbremse einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also auch der Stimmen von CDU und CSU. Und die Union würde da – sehr wahrscheinlich – nicht mitmachen.

(K)eine Kürzung bei Sozialleistungen

Lindner hätte wohl die Unterstützung der Unionsparteien bei seinen Sparvorschlägen: Etwa bei der Kürzung der Sozialausgaben, die rund 45 Prozent des Bundeshaushalts ausmachen. Dazu zählt das Bürgergeld. Dessen Erhöhung um 12. Prozent zum 1. Januar hält Lindner für zu hoch. Einsparungen in diesem Bereich sind aber mit SPD und Grünen nicht zu machen.

"Auch in Zeiten knapper Haushalte dürfen und werden wir Angriffe auf den Sozialstaat nicht zulassen", betonte Grünen-Chefin Ricarda Lang. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte beim SPD-Parteitag: "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats geben." Das hört sich klar an. Scholz spricht aber von Sozialstaat und nicht von Sozialleistungen. Das lässt Interpretationsspielraum. Wirkliche Einschnitte in diesem Bereich wären der SPD-Parteibasis wohl schwer zu vermitteln.

Haushalt 2024: Ist das noch Notlage oder schon normal?

Die größten Hoffnungen setzen SPD und Grüne zumindest öffentlich auf eine weitere Verlängerung der Haushaltsnotlage. So könnte die Schuldenbremse wie in den vergangenen Jahren ein weiteres Mal ausgesetzt werden. Der SPD-Parteitag hat das Vorgehen mit einigen Einschränkungen beschlossen, Parteichefin Saskia Esken erklärt: "Wir können nicht Krisenbewältigung aus dem Normalhaushalt stemmen." Gemeint ist etwa die Militärhilfe für die Ukraine. Deutschland hat bislang europaweit mit mehr als 17 Milliarden Euro am meisten dafür ausgegeben.

Lindner hatte zwar erklärt, man könne die Notlage nicht zur Normalität erklären. Gleichzeitig machte er aber klar, dass er zu den Ausgaben für die Ukraine stehe. Lindner verweist auf hohe verfassungsrechtliche Hürden, die eine weitere Notlage nehmen müsste, um nicht wieder vor Gericht zu scheitern. Bislang seien ihm keine ausreichenden Argumente für eine weitere Notlage von SPD und Grünen genannt worden. Das ist sicher kein Ja zur erneuten Aussetzung der Schuldenbremse, aber eben auch kein kategorisches Nein wie bei den meisten anderen Vorschlägen.

Dienstwagenprivileg für den Haushalt 2024 abschaffen?

Aus der Ampel-Koalition heißt es, es gebe nicht die eine große Lösung, sondern viele Tausend Haushaltstitel, die man sich gerade ansehe. Darunter dürften auch althergebrachte Förderungen und Subventionen sein, zu denen unterschiedliche Zahlen kursieren, welcher Betrag sich durch sie einsparen ließe. Etwa das Dienstwagenprivileg.

Die Grünen fordern seit langem, die aus ihrer Sicht klimaschädliche Subvention zu beenden. Bundesverkehrsminister Wissing hat aber eine rote Linie gezogen: Das Dienstwagenprivileg soll bleiben, genauso wie die Steuervergünstigung für Diesel. Das Ende dieser Vergünstigung könnte Milliarden in die Staatskasse spülen, trifft aber laut Wissing die falschen: Pendler seien eh schon stärker belastet, sie weiter zu belasten, sei nicht sozial. Auch die Streichung des Agrardiesels, der steuerlichen Unterstützung für Landwirte, scheint keine Option für die FDP zu sein.

Strompreisbremse könnte wegfallen

Nicht unwahrscheinlich ist, dass im Zuge der Einsparungen höhere Strompreise auf Haushalte und Firmen zukommen könnten. Eigentlich hatte die Koalition für das kommende Jahr noch eine Unterstützung von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Das Gericht hat nicht über diesen Fonds geurteilt.

Allerdings besteht auch dieser Fonds aus Schulden, die bereits 2022 – begründet mit der Notlage – aufgenommen wurden. Und dieses Prinzip hat Karlsruhe für verfassungswidrig erklärt. Er wird nun aufgelöst. Unklar ist, ob sich für den geplanten Strompreiszuschuss noch Mittel im regulären Haushalt finden. Seit dem Abend gehen die Verhandlungen von Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner weiter.

Im Video: BR-Korrespondentin Barbara Kostolnik zur Haushaltskrise

BR-Korrespondentin Barbara Kostolnik zur Haushaltskrise
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BR-Korrespondentin Barbara Kostolnik zur Haushaltskrise

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