Das Gesicht einer Frau wird nach einer Behandlung abfotografiert (Symbolbild)
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Aus der ganzen Welt kommen Menschen in die Türkei, um sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen.

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Schönheits-OPs in Istanbul – Wie die Türkei Patienten lockt

Schönheits-Operationen sind in der Türkei wesentlich billiger als in Deutschland. Immer mehr Menschen reisen daher nach Istanbul, um sich dort operieren zu lassen. Dahinter steckt ein ausgefeiltes System, an dem nicht nur Ärzte verdienen.

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Patrick Effenberger kommt am Istanbuler Flughafen an. Der junge Vater aus dem Allgäu ist zum ersten Mal hier. Aber viel Zeit bleibt ihm nicht, um sich die Stadt anzuschauen. Denn hergeführt hat ihn ein Problem, und das möchte er hier in Istanbul lösen.

Haartransplantation in der Türkei viel billiger

Patrick Effenberger wünscht sich volleres Haar. Kommendes Jahr steht seine kirchliche Hochzeit an – da möchte er keine Geheimratsecken und kahle Stellen auf dem Hinterkopf mehr haben. Deshalb hat er sich entschieden, in Istanbul eine Haartransplantation durchführen zu lassen. Vor allem der günstigere Preis ist es, der für ihn ausschlaggebend war. Er zahlt für das Gesamtpaket aus Hotel, Transfer, Dolmetscher und dem Eingriff selbst über 2.000 Euro weniger, als eine Haartransplantation allein durchschnittlich in Deutschland kosten würde.

Auch Cihan Simsek aus München spart fast 2.000 Euro. Er ist extra in die Türkei geflogen, denn er ist unzufrieden mit der Form seiner Nase. Die Spitze geht ihm zu weit nach unten und soll hier in Istanbul nun angehoben werden.

Größte Nachfrage an OPs in der Türkei aus Deutschland

Die beiden sind keine Einzelfälle. Laut dem Unternehmen USHAŞ, das dem türkischen Gesundheitsministerium unterstellt ist, sind 2022 mehr als 1,2 Millionen ausländische Patienten für einen medizinischen Eingriff in die Türkei gereist. Die Einnahmen durch den sogenannten Gesundheitstourismus sollen im selben Jahr bei mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar gelegen haben.

Im internationalen Vergleich ist die Türkei das Land mit dem größten Anteil an ausländischen Patienten, erklärt der internationale Berufsverband für ästhetisch-plastische Chirurgen (ISAPS). Die größte Nachfrage nach medizinischen Eingriffen in der Türkei kommt von Deutschen. Die beliebtesten Behandlungen unter den Gesundheitstouristen seien Haartransplantationen und Nasen-Operationen, so ISAPS.

Vermittlungsagenturen verkaufen Gesamtpakete

Cihan Simsek hatte seinen Schönheitschirurgen schon vier Wochen vor der Operation in Ottobrunn bei München kennengelernt. Der Arzt reist regelmäßig für Vorgespräche nach Deutschland. Professor Sükrü Yazar und sein Patient haben durch eine sogenannte Vermittlungsagentur zusammengefunden. Der Deal: Eine Vermittlungsagentur akquiriert für türkische Ärzte und Kliniken Kunden aus dem Ausland, zum Beispiel in Deutschland. Die Agentur verkauft nicht nur die neue Nase oder die neuen Brüste, sondern kümmert sich auch um Hotel, Transfer und Dolmetscher. Die türkischen OP-Anbieter zahlen dafür eine Provision.

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Mann mit transplantierten Haaren in Istanbul

Medizinisches Personal in der Türkei deutlich günstiger

Patrick Effenberger ist inzwischen im OP-Saal. Ein Team aus medizinischen Fachkräften entnimmt von seinem Hinterkopf 5.000 Haarwurzeln und setzt sie an den kahlen Stellen wieder ein. Der Eingriff dauert acht Stunden. Immer wieder laufen Bluttropfen an seiner Schläfe hinunter, die die Mitarbeiter wegwischen. Der Patient ist dabei wach, er steht allerdings unter starken Betäubungsmitteln. Deshalb spürt er die Stiche fast nicht. Tätowieren sei schlimmer, sagt Patrick Effenberger.

Ein Grund, warum seine OP so viel günstiger in der Türkei ist, sind die Personalkosten. Das Pflegepersonal im Krankenhaus verdiente 2018 laut OECD in der Türkei durchschnittlich 15.000 US-Dollar im Jahr (umgerechnet etwa 13.600 Euro Jahresgehalt). In Deutschland sind es 55.000 Dollar (umgerechnet etwa 50.000 Euro Jahresgehalt). Das Durchschnittsjahresgehalt von Fachärzten lag im selben Jahr in der Türkei bei knapp 36.000 US-Dollar (rund 32.600 Euro), während es in Deutschland knapp 165.000 Dollar (rund 149.600 Euro) waren.

Cihans Simseks Nasen-OP ist zwei Tage nach seiner Ankunft in Istanbul. Er sei sehr aufgeregt, sagt er, während er in seinem Krankenhausbett zum OP-Saal geschoben wird. Fast drei Stunden wird seine Nase nun bearbeitet.

Subventionsleistungen rund um Medizintourismus in der Türkei

Dass so viele Medizintouristen wie Cihan Simsek in die Türkei reisen, ist politisch gewollt. Schon 2015 formuliert ein Aktionsplan der türkischen Regierung eine Vision für 2023: Die Türkei solle unter den Top-Fünf-Ländern weltweit im Medizintourismus liegen, mit einem Umsatz von 5,6 Milliarden Dollar. Um das zu erreichen, steckt die türkische Regierung viel Geld in den Sektor. Auf persönliche Anordnung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan subventioniert der Staat allerlei Kosten, die Ärzte und Kliniken im Medizintourismus haben. Dazu gehören Ausgaben für Marketing, Vermittlungsprovisionen, Dolmetscher und Social-Media Experten.

"Ich kann gar nicht fassen, dass ich eine neue Nase habe"

Patrick Effenberger war durch die Sozialen Medien auf die Idee gekommen, eine Haartransplantation in der Türkei durchführen zu lassen. Und nun hat auch er selbst seinen achtstündigen Eingriff an seiner Kopfhaut hinter sich. Müde geht’s für ihn ins Hotel – und gleich am nächsten Tag zurück ins Allgäu. Bis die Haare an den neu transplantierten Wurzeln vollständig wachsen, muss er zehn Monate warten – pünktlich bis zu seiner Hochzeit in einer Kirche bei Füssen sollte es soweit sein.

Auch Cihan Simsek hat seine Operation ohne Komplikationen überstanden. Seine Nase ist verborgen unter einem Verband, das Gesicht rund um die Augen leicht geschwollen. Er ruht sich noch etwas aus. Am nächsten Tag darf er zurück in seine Unterkunft. Eine Woche später ist dann sein großer Tag: Der Verband kommt ab und er sieht seine operierte Nase zum ersten Mal im Spiegel. Zuerst schaut er wortlos und tastet zaghaft mit dem Finger auf der Nasenspitze. Dann sagt er: "Gefällt mir sehr gut. Ist perfekt geworden. Ich kann gar nicht fassen, dass ich jetzt eine neue Nase habe!"

Im Video: Türkei lockt mit Billigpreisen für Schönheits-Operationen

Patent mit verbundenem Kopf
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Patient mit verbundenem Kopf

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