ARCHIV - 10.11.2017, Nordrhein-Westfalen, Köln: Der "Heilige Sankt Martin" reitet bei einem Martinszug am Dom vorbei.
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Der "Heilige Sankt Martin" reitet bei einem Martinszug in Köln am Dom vorbei (Archivbild 2017).

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Sankt Martin: Soldat wider Willen, Pazifist aus Überzeugung

Dass der Heilige Martin seinen Mantel mit dem armen Bettler teilt, weiß fast jedes Kind. Weniger bekannt dürfte sein, dass der römische Soldat eigentlich keiner sein wollte - sondern, dass er quasi Kriegsdienstverweigerer war.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Auf diesen Satz aus dem Grundgesetz hätte sich vermutlich auch der junge Martin von Tours berufen. Doch zu seiner Zeit im Imperium Romanum gab es freilich kein grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Kriegsdienstverweigerung wie seit 1949 in Deutschland.

Einer der ersten Kriegsdienstverweigerer?

Also trat der spätere Kirchenmann zunächst in die Fußstapfen seines Vaters, als römischer Soldat, erklärt der evangelische Theologe Uwe Metz. Martins Vater sei Tribun gewesen, und nach damaligem Brauch war es üblich, dass der Sohn in die Fußstapfen des Vaters tritt. "Aber er hat es wirklich nur wider Willen gemacht - weil er war Soldat und er war getauft. Und er hat sich dann durchgerungen, zu sagen: Das Militärische und das Christliche - das lässt sich nicht vereinbaren, dass er dann eben tatsächlich seinen Dienst sehr früh quittiert hat."

Martin wurde zum Waffenverweigerer - unter Berufung auf den christlichen Glauben: Du sollst nicht töten. Nicht der erste Kriegsdienstverweigerer, aber sicher einer der bekanntesten. Zu jener Zeit, in der Spätantike, sei der christliche Pazifismus sehr verbreitet gewesen, so der Theologe Metz. "All das Militärische, Soldatische war nicht Sache der Kirche oder des christlichen Glaubens, das überließ man den Herrschern."

Griff zum Schwert um Mantel zu teilen

Immerhin rief ja auch Jesus zu Gewaltlosigkeit und Feindesliebe auf. Martin, der spätere Bischof von Tours, griff in seiner kurzen Zeit als Soldat nur ein einziges Mal zur Waffe. Und dafür ist er heute vor allem bekannt, so Metz. "Das einzige Mal, dass der Heilige Martin das Schwert geführt hat, das war, als er den Mantel teilte." Der Theologe Metz leitet daraus ab: "Man kann als wirklicher Christ eigentlich nur Pazifist sein."

Lange galt die Idee vom "gerechten Krieg"

Doch so treu wie der Heilige Martin sind die Kirchen ihrem pazifistischen Anfang nicht immer geblieben. Über Jahrhunderte hinweg galt die Lehre vom "gerechten Krieg", die mit dem Kirchenlehrer Augustinus ausgerechnet ein Zeitgenosse des Heiligen Martin in die Tradition der Kirche eingebracht hatte.

Heute haben beide großen Kirchen Militärbischöfe, die sich in der Hauptsache als Seelsorger für Soldaten verstehen. Andreas Quirin ist Soldat und Katholik. Für ihn kein Widerspruch. Grundsätzlich würden alle Menschen, auch Soldaten und Soldatinnen, den Frieden lieben.

"Es gibt keinen, der mit dem Messer zwischen den Zähnen nur darauf wartet, dass er endlich in irgendeinen Krieg ziehen darf, um dann Gewalt zur Anwendung zu bringen", so Quirin. Trotzdem sei aber auch klar: "Wir sind natürlich kein bewaffnetes, technisches Hilfswerk, das nur zum Brunnenbohren oder zum Häuserbauen losgeschickt wird."

Gläubiger Soldat sein - kein Widerspruch?

Und das sei in den Fällen, in denen Soldaten zur Waffe greifen, auch richtig so. Da wisse er auch die Gemeinschaft katholischer Soldaten hinter sich, deren Vorsitzender Quirin ist. Von einem gewalt- und waffenfreien Pazifismus hält der gläubige Soldat in solchen Fällen nichts: "Das halte ich für eine absolut naive Vorstellung. In Afghanistan haben die Anfänge gezeigt, dass es natürlich da militärischer Gewalt bedarf, um diejenigen, die da aggressiv ihre Interessen durchzusetzen versuchen, in die Schranken zu weisen und um dann es möglich zu machen, zivile Aufbauhilfe zu leisten." Der Einsatz der Waffe sei aber immer das letzte Mittel, weil alle wüssten, dass das verheerende Auswirkungen habe, die niemand wolle.

Der Heilige Martin als Vorbild für Soldaten heute

Hat der Heilige Martin mit seinem christlichen Pazifismus als Vorbild also ausgedient? Von wegen, sagt Quirin. Denn auch Soldaten handeln nicht unethisch, müssten vielmehr – so wie Martin – ihr Handeln immer neu vor ihrem Gewissen und Gott auf den Prüfstand stellen.

"Das ist natürlich etwas, was für uns Soldaten in der heutigen Zeit eigentlich Standard sein sollte, dass man gewissen Dingen kritisch gegenübersteht, auch gewisse Dinge hinterfragt. Und insofern denke ich, ist es ein gutes Beispiel, das auch für uns in der heutigen Zeit gelten könnte."

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