Anlage von Nord Stream 1
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Russland dreht Gashahn wohl wieder auf – aber nicht ganz

Fließt wieder Gas durch Nord Stream 1, wenn die Wartung der Pipeline beendet ist? Ja, meldet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf Insider. Aber die Mengen würden schon wie zuvor auf niedrigem Niveau bleiben.

Durch die Pipeline Nord Stream 1 soll Insidern zufolge nach dem Ende ihrer Wartung am Donnerstag wieder russisches Gas nach Westeuropa fließen. Die Pipeline solle ihren Dienst wieder aufnehmen, werde dies aber nicht in vollem Umfang tun, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Der russische Gas-Monopolist Gazprom hatte die Kapazität der Lieferungen durch Nord Stream 1 bereits im vergangenen Monat auf 40 Prozent beschnitten und dies auf die Wartung einer Turbine in Kanada zurückgeführt - diese ist Berichten zufolge aber wieder auf dem Weg nach Europa.

"Sie (Gazprom) werden zu dem vor dem 11. Juli gesehenen Niveau zurückkehren", sagte einer der Insider. Gazprom und die Betreiber der Pipeline wollten sich zunächst nicht äußern.

Nord-Stream-Berichte lösen Euphorie an der Börse aus

Am 11. Juli war der Gas-Strom durch die Pipeline für eine Wartung unterbrochen worden. Deren Ende wird für den Donnerstag erwartet. Die große Sorge in Deutschland ist, dass Russland danach den Gashahn nicht wieder aufdreht und die bereits gedrosselten Lieferungen ganz versiegen.

Neben Reuters meldete auch die Wirtschaftsagentur Bloomberg, dass die russischen Gaslieferungen voraussichtlich wieder aufgenommen werden. Die Nachricht löste eine Rally am deutschen Aktienmarkt aus. Bei den Einzelwerten gehörte der deutsche Gas-Versorger Uniper, der durch die reduzierten russischen Lieferungen in Schieflage geraten ist, mit einem Plus von gut zehn Prozent zu den Favoriten.

Durch Nord Stream 1 war in der Vergangenheit mehr als ein Drittel der russischen Gas-Exporte in die Europäische Union geleitet worden. Die Europäische Kommission hatte mit Blick auf die Pipeline und die Frage künftiger Lieferungen erklärt, sie bereite sich auf alle Szenarien vor, auch auf ein Ausbleiben der Lieferungen nach der Wartung.

Kühnert: Weiter auf russisches Gas angewiesen

Ein dauerhafter Ausfall von Nord Stream 1 würde Deutschland nach Worten von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert deutlich härter treffen als Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Bundesregierung habe alles dafür getan, dass es "kein technisches Argument mehr für die russische Seite" gebe, die Pipeline nicht wieder ans Netz zu nehmen, auch durch die Bereitstellung der zuvor in Kanada gewarteten Turbine, sagte der SPD-Politiker dem Deutschlandfunk.

Inzwischen sei völlig klar, dass die Gasversorgung für Deutschland keine Kleinigkeit sei, wie manche noch im März oder April geglaubt hätten, sagte Kühnert. Es sei eine "traurige Wahrheit", dass Deutschland vorerst noch auf russisches Gas angewiesen sei, um im Winter massive Probleme für Haushalte und Industrie abzuwenden.

  • Zum Possoch klärt: Droht Deutschland ohne russisches Gas im Winter der Gasnotstand?

Chemieverband: Gasmangel würde nicht flächendeckend eintreten

Ein möglicher Gasmangel würde Deutschland aus Sicht der Chemiebranche schrittweise und regional unterschiedlich treffen. "Wir werden einen Gasmangel nicht gleichzeitig in Deutschland sehen und auch nicht flächendeckend", sagte Jörg Rothermel, Energieexperte beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), in Frankfurt.

Der Osten und Süden würden im Ernstfall wahrscheinlich zuerst betroffen sein. "Im Süden haben wir nur zwei Speicher. Außerdem ist das Netz nicht für stärkere Gasflüsse aus dem Norden und Westen ausgelegt."

Bund plant mit fünf schwimmenden Flüssiggas-Terminals

Die Bundesregierung treibt unterdessen den Bau von Flüssiggas-Terminals an der deutschen Küsten weiter voran. Neben den schwimmenden Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven sollen zwei weitere in Stade und Lubmin entstehen, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Dazu solle in Lubmin ein zusätzliches, privat finanziertes hinzukommen.

Die Flüssiggas-Terminals sollen möglichst schnell das Pipeline-Gas aus Russland ersetzen. Die schwimmenden Terminals sind im Kern Flüssiggas-Tanker, die den Brennstoff aber selbst wieder in den Gas-Zustand versetzen können. Damit wird kein kompletter Hafen sondern in erster Linie nur eine Verbindung vom Schiff zur Pipeline an Land benötigt. Die Regierung hat insgesamt vier der Spezialschiffe gemietet.

Wilhelmshaven und Brunsbüttel sollen - begünstigt durch ein beschleunigtes Plan- und Genehmigungsverfahren - bereits im Winter in Betrieb gehen. Die Terminals in Stade und Lubmin sind der Regierung zufolge frühestens Ende 2023 betriebsbereit. In Lubmin werde zudem bis Ende des Jahres ein fünftes Terminal durch ein privates Konsortium entstehen. "Wir müssen innerhalb kürzester Zeit eine neue Infrastruktur aufbauen, um russisches Gas so schnell es geht ersetzen zu können", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Es ist daher eine sehr gute Nachricht, dass zusätzlich zu den vier Bundes-Schiffen jetzt noch ein fünftes privates Regaszifizierungsschiff hinzukommt."

Jedes der Regierungs-Schiffe hat eine Kapazität von gut fünf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Wenn diese voll ins Netz eingespeist werden, könnten so zusammen gut 20 Prozent des Gas-Verbrauchs in Deutschland gedeckt werden.

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