Papst Franziskus befindet sich in einem Flugzeug und hat ein Mikrophon in der Hand. Er spricht zu Journalisten auf dem Flug nach Kanada.
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Papst Franziskus befindet sich in einem Flugzeug und hat ein Mikrophon in der Hand. Er spricht zu Journalisten auf dem Flug nach Kanada.

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Papst will sich bei Missbrauchsopfern in Kanada entschuldigen

Papst Franziskus ist zu einer "Pilgerfahrt der Buße" in Kanada aufgebrochen. Das Hauptanliegen des katholischen Kirchenoberhaupts wird es sein, die Ureinwohner um Vergebung für Missbrauch, Gewalt und Erniedrigung zu bitten.

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In einem Rollstuhl bringen Mitarbeiter den 85-jährigen Papst wegen andauernder Knieschmerzen an Bord eines Flugzeuges: Die folgende Reise ist für Franziskus bedeutsam, bedrückend und schwierig. Als zweiter Papst überhaupt ist er am Sonntag zu einem sechstägigen Besuch in Kanada aufgebrochen. Bei seiner "Pilgerfahrt der Buße" will das Oberhaupt der katholischen Kirche Vertreter indigener Gruppen treffen und sie um Vergebung für indigenen Kindern angetanes Leid in katholischen Internaten bitten.

In einer Botschaft im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb Franziskus vor seinem Abflug, er hoffe, dass sein Besuch zur bereits begonnenen "Reise der Versöhnung" beitragen möge.

Kirchliche Heime in Kanada zur Anpassung an Mehrheitsgesellschaft

In Kanada waren seit 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden dort misshandelt oder sexuell missbraucht, Tausende starben an Krankheiten oder Unterernährung.

Seit dem vergangenen Jahr wurden in der Nähe mehrerer dieser kirchlichen Einrichtungen mehr als 1.300 anonyme Gräber gefunden. Kanada stand unter Schock. Eine nationale Wahrheits- und Versöhnungskommission sprach in diesem Zusammenhang von "kulturellem Völkermord".

  • Zum Artikel: "'Umerziehung' von indigenen Kindern: Häuptling will Versöhnung"

Papst-Reise nach Kanada: Aufarbeitung des Missbrauchsskandals

Die Reise des Papstes nach Kanada wird als wichtiger Teil der Bemühungen Franziskus' gesehen, den weltweiten Missbrauchsskandal in der katholischen Kirchen und dessen jahrzehntelange Vertuschung aufzuarbeiten. Bereits im April hatte Franziskus sich im Vatikan bei Delegationen aus Kanada für die Missbrauchsfälle entschuldigt.

Der zehnstündige Flug nach Edmonton ist die längste Flugreise des Papstes seit 2019. Der Besuch des Papstes soll am Montag in Maskwacis rund hundert Kilometer südlich beginnen. Franziskus will dort Ureinwohner treffen, unter ihnen ehemalige Schüler katholischer Internate. Am Dienstag wird das Oberhaupt der weltweit 1,3 Milliarden Katholiken in einem 60.000 Zuschauer fassenden Stadion in Edmonton eine Messe feiern und den bei Pilgern beliebten See Lac Sainte Anne besuchen.

Papst will ehemalige Heimschüler treffen

Nach einem Besuch in Québec will der Papst seine Reise in Iqaluit beenden, wo die größte Inuit-Bevölkerung Kanadas beheimatet ist. Auch dort wird er sich mit ehemaligen Heimschülern treffen.

Begleitet wird der Papst vom vatikanischen Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der als Nummer zwei im Vatikan bezeichnet wird. Vor Franziskus hat bisher nur ein weiterer Papst Kanada besucht, dessen Bevölkerung zu etwa 44 Prozent katholisch ist: Johannes Paul II. war 1984, 1987 und 2002 im zweitgrößten Land der Erde.

"Historischer" Besuch des Papstes

Die Visite des Papstes ist für Crystal Fraser, Historikerin an der Universität von Alberta, eine große Chance: "Der Besuch des Papstes in Kanada ist historisch und ein unglaublicher Moment in der anhaltenden Notwendigkeit, in Kanada nach Wahrheit und Versöhnung zu streben", sagt die Angehörige der indigenen Gruppe der Gwichyà Gwich'in. Dies sei die Gelegenheit, weiter an der Heilung der Indigenen von Folgen des "kolonialen Traumas" zu arbeiten.

Beobachter werden auch genau darauf achten, wie Franziskus die sechs Tage auf seiner 37. Auslandsreise mit vielen Transfers, neun Reden und zwei Messen vor Tausenden Gläubigen gesundheitlich durchsteht. Oft sitzt er noch im Rollstuhl oder geht kurze Distanzen nur am Stock.

Viele Forderungen und Fragen an die Kirche

Für Fraser, die selbst eine Großtante in einer der Schulen verlor, kann die erwartete glaubwürdige Entschuldigung des Papstes nur der Anfang sein. Die Fragen und Forderungen an die Kirche gingen nämlich noch deutlich weiter: "Wird sie endlich die Entschädigung in Millionenhöhe zahlen, die sie den Überlebenden der Internatsschulen schulden? Wird sie die Namen und Aufenthaltsorte von Geistlichen und ehemaligen Angestellten herausgeben, die Verbrechen an Internatsschulen begangen haben?", fragte Fraser.

Mit Material von AFP und dpa.

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