An einem Mann wie Viktor Orban scheiden sich die EU-Geister – das wird auch in den Reaktionen auf die Wahlen in Ungarn deutlich: Zu den ersten Gratulanten gehörte der Chef der größten Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, CSU, der von einem "klaren Sieg" Orbans sprach und auf dem Kurzbotschaften-Dienst Twitter erklärte, er freue sich darauf, mit ihm "weiter an gemeinsamen Lösungen für europäische Herausforderungen zu arbeiten". Auch Webers CSU-Parteifreund Markus Ferber beglückwünschte den alten und neuen ungarischen Regierungschef, bekundete aber im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel auch, einige Entwicklungen würden ihn mit Sorge erfüllen:
"Das ist insbesondere der stärker aufkeimende Antisemitismus. Ich bin in Gesprächen mit der israelischen Gemeinde in Ungarn, weil mir gerade die Demonstrationen vor der großen Synagoge in Budapest große Sorgen bereiten." Markus Ferber, CSU
Kritiker hatten auch Orban selbst vorgeworfen, in einer Plakat-Kampagne gegen den liberal ausgerichteten US-Milliardär George Soros mit antisemitischen Untertönen gearbeitet zu haben. Für den EU-Abgeordneten Ferber steht aber auch fest, dass man mit Ungarn weiter zusammen arbeiten müsse. CDU und CSU sitzen im EU-Parlament Seite an Seite und in einer Fraktion mit den Abgeordneten von Orbans Fidesz-Partei.
Grüne: Aggressive Kampagne und Fake News
Von einem "traurigen Tag für Europa" sprechen hingegen die Grünen im EU-Parlament: Orban habe oppositionelle Medien geknebelt, Behörden mit seinen Leuten besetzt und beim Thema Migration im Wahlkampf "eine aggressive Kampagne, getrieben von Fake News" geführt, wie die beiden Co-Vorsitzenden Ska Keller und Philippe Lambertz kritisieren.
Die EU müsse sich jetzt umso mehr der Zivilgesellschaft in Ungarn zuwenden, fordert die Abgeordnete Terry Reintke im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel. Und sie müsse ein Strafverfahren einleiten, weil der Rechtsstaat in dem Land in Gefahr sei.
"Wir dürfen nicht einfach mitanschauen, wie Viktor Orban die Demokratie in Ungarn immer weiter aushöhlt. Zum Beispiel kritische Medien zum Schweigen bringt oder mit antisemitischer oder antimuslimsicher Hetze Menschen gegeneinander aufbringt." Terry Reintke, Abgeordnete EU-Parlament, Grüne
Weitere Konflikte mit der EU absehbar
Politik-Experten gehen davon aus, dass die Zusammenarbeit mit dem EU-kritischen Orban künftig nicht einfacher wird. Jetzt, wo er vom Wahlergebnis gestärkt mit noch breiterer Brust Brüssel gegenüber treten kann. Orbans gesamter Wahlkampf fußte auf dem Versprechen, er werde sein Land vor muslimischen und angeblich kriminellen Migranten schützen.
"Da wird Orban nie loslassen. Weil das sein Punkt ist, bei dem er die seit drei Jahren wirklich brutal bearbeitete Bevölkerung in den Händen hält." Gábor Nemes, Journalist, Korrespondent in Brüssel für den Sender Klubradio
Vor diesem Hintergrund einen Kompromiss bei der geplanten Reform des EU-Asylrechts zu erzielen, wird für Brüssel und Berlin eine echte Aufgabe.
"Bitterer Sieg des Populismus"
Die SPD-Europa-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann sprach von einem "weiteren bitteren Sieg des Populismus auf Kosten schutzsuchender Menschen". Orban habe mit einer "Angstkampagne" gegen Migrantinnen und Migranten Wahlkampf gemacht. Gleichzeitig habe der ungarische Regierungschef mehr als einmal unter Beweis gestellt, dass er Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eher als freundliche Empfehlung denn als bindende Voraussetzung verstehe. Die Sozialdemokratin geht folglich davon aus, dass er ein schwieriger Partner bleibe.
Juckers Mahnung
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ließ durch seinen Chefsprecher nicht nur ein Glückwunsch-Schreiben, sondern auch ein Telefonat ankündigen. Man freue sich darauf, mit der neuen ungarischen Regierung zusammen zu arbeiten, hieß es aus der EU-Kommission – knüpfte daran aber auch eine Mahnung:
"Die EU ist eine Union der Demokratie und der Werte. Präsident Juncker ist der Ansicht, dass die Verteidigung dieser Werte und Prinzipien die gemeinsame Pflicht aller Mitgliedsstaaten ist." Margaritis Schinas, Pressesprecher EU-Kommission
Interessant dürften die kommenden Monate schon deshalb werden, weil die Kommission sich nunmehr festgelegt hat, dass sie künftig Fördergelder aus dem EU-Haushalt an die Einhaltung demokratischer Spielregeln knüpfen will. Ungarn ist von diesen Zahlungen stark abhängig. Streit scheint also vorprogrammiert.