Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht an einem Pult im EU-Parlament.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Rede im EU-Parlament.

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Scholz: Europa lässt sich von "Machtgehabe" nicht einschüchtern

Scholz hat anlässlich des Europatags für Frieden und Einheit eine Grundsatzrede im EU-Parlament gehalten. Er spricht sich für eine tiefere Integration und Reformen der EU aus. Europa dürfe sich von Putins "Machtgehabe" nicht einschüchtern lassen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in seiner Rede im Straßburger Europaparlament die Bedeutung des Europatags an diesem Dienstag hervorgehoben. Der 9. Mai sei die einzig richtige Antwort auf den von Deutschland entfesselten Weltkrieg, auf zerstörerischen Nationalismus und imperialistischen Größenwahn. Zudem betonte er: "Krieg zwischen unseren Völkern ist unvorstellbar geworden – der Europäischen Union zum Dank und zu unser aller Glück." Doch nicht in allen Ländern Europas sei dieser Traum auch Realität, sagte er mit Blick auf den inzwischen 14-monatigen Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion.

Bundeskanzler Scholz hat zur weiteren Unterstützung der Ukraine aufgerufen
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Bundeskanzler Scholz hat zur weiteren Unterstützung der Ukraine aufgerufen

Europatag erinnert an friedvollen Beginn der EU

Vor 73 Jahren, am 9. Mai 1950, hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman die sogenannte Schuman-Erklärung vorgelegt. Sie wird als Grundstein für die Europäische Union gesehen. Schuman schlug damals die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor, deren Mitglieder ihre Kohle- und Stahlproduktion zusammenlegen sollten. So sollte ein erneuter Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich werden.

Scholz prangert "Machtgehabe" von Putin an

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf Scholz militärisches "Machtgehabe" zum 9. Mai vor. Davon dürften sich Europäer nicht einschüchtern lassen. Die Zukunft gehöre "nicht den Revisionisten, die vom nationalen Ruhm träumen und nach imperialer Macht lechzen". Die Vergangenheit werde nicht über die Zukunft triumphieren.

Putin ruft bei Militärparade in Moskau zum "Sieg" auf

Kurz vor Scholz' Rede hatte Putin sein Land im aktuellen Krieg gegen die Ukraine erneut als angebliches Opfer dargestellt. "Heute befindet sich die Zivilisation erneut an einem entscheidenden Wendepunkt", sagte er in einer Rede zum 78. Jahrestag des sowjetischen Sieges über Nazi-Deutschland, der in Russland am 9. Mai begangen wird. Einmal mehr behauptete er zudem, die Ukraine sei zur "Geisel" westlicher Staaten geworden, die Russland zerstören wollten. In seiner Rede bei der Militärparade rief er die russischen Truppen zum "Sieg" auf und hob hervor: "Für Russland, für unsere Streitkräfte, für den Sieg! Hurra!"

An der Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau nahmen neben Weltkriegsveteranen auch mehrere hundert Soldaten der Ukraine-Offensive teil. "Nichts ist derzeit wichtiger als Ihr Kampfauftrag", rief Putin den vor ihm versammelten Soldaten zu. Die Sicherheit des Landes sowie "die Zukunft unseres Staates und unseres Volkes" würden von ihnen abhängen. Die traditionellen Feierlichkeiten zum 9. Mai sind in diesem Jahr von den Rückschlägen der russischen Offensive in der Ukraine geprägt.

Scholz mahnt schnelle EU-Einigung auf Asylsystem an

Kanzler Scholz mahnte im EU-Parlament außerdem kurz vor dem deutschen Bund-Länder-Gipfel zu Flüchtlingsfragen eine schnelle Einigung in der EU über Migrationsfragen an. "Ich werbe dringend dafür, die Fortschritte, die wir bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems im Rat nach langen und schwierigen Verhandlungen erzielt haben, noch vor der Europawahl unter Dach und Fach zu bringen", sagte er laut Redetext mit Blick auf das Frühjahr 2024. Neben der Solidarität zwischen den EU-Staaten gehöre dazu auch der im Februar vereinbarte bessere Außengrenzschutz. Man müsse die alten Probleme aus dem Weg schaffen, die die EU seit Jahren lähmten und die dafür sorgten, dass andere Länder die Gemeinschaft allzu leicht spalten könnten.

Seit der großen Fluchtbewegung 2015/2016 gibt es Streit über die Migrationspolitik. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob Schutzsuchende auf alle Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Die EU-Kommission legte 2020 neue Reformvorschläge vor. Das EU-Parlament hat seine Position für die Verhandlungen über eine Asylreform im April festgelegt, nun müssen sich noch die EU-Länder einigen.

Scholz betonte, dass es in vielen Teilen Europas den "dringenden" Bedarf an Arbeitskräften auch aus Drittstaaten gebe. "Wenn wir solche regulären Migrationschancen konsequent verknüpfen mit der Forderung, dass Herkunfts- und Transitländer diejenigen auch wieder zurückzunehmen, die kein Bleiberecht haben hier bei uns, dann profitieren davon alle Seiten."

Kanzler: Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas haben zugenommen

Im Ringen um einen gemeinsamen europäischen Ansatz für die Beziehungen zu China wiederum unterstützt Scholz den Ansatz einer Risikoreduzierung. Er sei sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einig, dass es keine Abkopplung, aber eine kluge Risikominderung geben müsse. Die Beziehung zu China sei mit dem Dreiklang Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale zutreffend beschrieben - wobei aber Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas ohne jeden Zweifel zugenommen hätten.

In der zweiten europäischen Grundsatzrede seiner Amtszeit plädierte Scholz zudem für eine Erweiterung der EU, die dann über 500 Millionen Bürger haben könnte. Doch dafür brauche es eine Reform der Europäischen Union.

Außerdem warb Deutschlands Kanzler dafür, dass die EU zügig weitere Freihandelsabkommen mit verschiedenen Staaten abschließt. Die wäre "mehr als vernünftig". Als Beispiele nannte er die südamerikanischen Mercosur-Staaten, Mexiko, Indien, Indonesien, Australien und Kenia. Perspektivisch gebe es auch noch viele andere Länder. Scholz betonte zudem, die Abkommen sollten die wirtschaftliche Entwicklung der Handelspartner fördern, nicht behindern. Das bedeute etwa, dass die Verarbeitung von Rohstoffen vor Ort und nicht etwa in China oder anderswo beginnen sollte.

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

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