Geistliche Kollekte (Symbolbild)

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Muss die Kirchensteuer reformiert werden?

Das deutsche Kirchensteuersystem ist einzigartig – und für viele ein Grund zur Kritik: Die Abgabe wird vom Staat eingezogen und geht pauschal an Bistümer und Landeskirchen. Die können frei über das Geld verfügen. Von Julia Kammler

Es klingelt in den Kassen der beiden großen christlichen Kirchen. Im vergangenen Jahr haben sie - trotz sinkender Mitgliederzahlen - knapp 11,6 Milliarden Euro an Kirchensteuern eingenommen: Rekord! "Läuft", könnte man sagen, doch von der Basis kommt Kritik.

"Ursprünglich waren es einmal die Pfarreien, die das ganze Geld bekamen und man sollte einmal wahrnehmen, dass es nicht selbstverständlich und unabänderlich ist, dass die Diözesen die Einzugsberechtigten für die Mitgliedsbeiträge sind." Thomas Sternberg

Thomas Sternberg, Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, will eine neue Debatte über die Verteilung der Kirchensteuer. Denn: Die Einnahmen fließen pauschal an die Bistümer, oft kommt nur die Hälfte in den Pfarreien an - also da, wo das kirchliche Leben eigentlich stattfindet.

Das muss sich, so Thomas Sternberg, ändern: Pfarrgemeinden sollen künftig bei der Verwendung der Einnahmen mitbestimmen können. Am System als solchem hält Sternberg fest. Zu Recht?

Spenden statt Kirchensteuer

"Man hat eine garantierte Einnahmequelle, und das kann auch Gemeinden dazu verleiten, zu sagen, ich verlasse mich darauf und wie viele Leute sonntags kommen, ist eigentlich nicht wichtig, weil die Kirchensteuer kommt sowieso." Steve Kennedy Henkel

Steve Kennedy Henkel ist angehender evangelischer Pfarrer in einer Münchner Gemeinde. Er hält das deutsche Kirchensteuersystem für gut und gerecht, sieht aber auch die Nachteile, nämlich Bequemlichkeit und Trägheit. Anders zum Beispiel in den USA: Dort ist die Erhebung einer Kirchensteuer gesetzlich verboten - die Kirchen müssen sich über Spenden finanzieren.

"Das System wirkt dynamisierender auf die Gemeinden: Wir funktionieren nur, wenn da Leute kommen und uns auch was ins Körbchen tun oder sich verpflichtet fühlen und was freiwillig von ihrem Gehalt abgeben, ohne dass es automatisch von ihrem Gehalt abgezogen wird. Und das motiviert Gemeinden, viel mehr auf die Menschen zuzugehen." Steve Kennedy Henkel

Pfarrer und Bischöfe in den USA müssen sich also anstrengen, die christliche Botschaft überzeugend an den Mann - sprich, den Geldgeber - zu bringen, und der hat freie Wahl.

In Deutschland dagegen kann sich das Kirchenmitglied nicht aussuchen, an welche kirchliche Einrichtung sein Geld fließen soll. Wenn es, etwa aufgrund Prunk, Protz und goldener Badewanne, ein bestimmtes Bistum - beispielsweise Limburg - nicht mehr unterstützen will, gibt es nur eine Möglichkeit: den Kirchenaustritt.

Acht Promille für den guten Zweck

Eine Alternative wäre, das Geld stattdessen an andere kirchliche oder auch humanitäre oder soziale Projekte geben zu können, wie zum Beispiel in Italien. Dort heißt die Abgabe "otto per mille": Jeder Bürger entscheidet mit seinem Steuerbescheid, wem die veranschlagten acht Promille seines Einkommens zugutekommen sollen. Für Deutschland ist das keine Lösung, sagt ZdK-Präsident Thomas Sternberg.

"Warum sich die katholische Kirche in Deutschland wie auch die evangelische Kirche in Deutschland so heftig gegen diese Modelle sträuben, hängt damit zusammen, weil das dann tatsächlich so etwas wäre, wie eine staatliche Finanzierung: Man muss zahlen, in jedem Fall." Thomas Sternberg

Und auch jeder Bürger. Schon allein deswegen lässt sich das italienische Modell nicht so einfach übertragen. In Deutschland müssten dann auch all diejenigen, die keiner christlichen Kirche angehören, das sind über 40 Prozent, einen solchen Beitrag leisten. Widerstand wäre da wohl programmiert.

Trotzdem: Die Kirchen werden über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken müssen. Der Mitgliederschwund und die steigende Zahl älterer Mitglieder, die weniger Kirchensteuer zahlen müssen, führen über kurz oder lang zu klammen Kassen. Für dieses Jahr rechnen die Kirchen mit einem weiteren Einnahmehoch, doch schon im nächsten Jahrzehnt soll es zu massiven Einbrüchen kommen.