Dichter Verkehr schiebt sich über den Mittleren Ring. In der Mitte der Straße steht ein Schild mit der Aufschrift "Luftreinhaltung".
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Dichter Verkehr auf dem Mittleren Ring in München, wo die Stickoxid-Grenzwerte regelmäßig überschritten werden

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Luftverschmutzung: Die Bedeutung von Feinstaub, Stickoxiden & Co

Europaweit konnte die Luftverschmutzung in den letzten Jahrzehnten erheblich reduziert werden. Doch noch immer sterben Hunderttausende jährlich durch Luftschadstoffe: Feinstaub, Stickoxide, Ozon. Betroffen sind vor allem Menschen in Ballungsräumen.

Über dieses Thema berichtet: UNKRAUT am .

Mit der Statistik ist das so eine Sache: Statistisch gesehen ist Europa in puncto Luftverschmutzung auf einem guten Weg. Denn seit Jahrzehnten sind die Emissionen vieler Luftschadstoffe rückgängig. Darauf verweist auch die Europäische Umweltagentur (EUA).

Dennoch sind die Emissionen laut EUA weiterhin viel zu hoch. Denn: Ein wesentlicher Teil der europäischen Bevölkerung lebt in Großstädten und Ballungsräumen. Und gerade dort kommt es noch immer zu Überschreitungen der Richtwerte, zum Beispiel für Stickstoffoxid und Feinstaub. Die EUA geht davon aus, dass im Jahr 2021 europaweit 253.000 Todesfälle hätten vermieden werden können, wenn die WHO-Richtwerte für Feinstaubkonzentrationen eingehalten worden wären. Die Verschmutzung durch Stickstoffdioxid führte laut EUA zu 52.000 Todesfällen, weitere 22.000 Menschen starben in Folge kurzzeitiger Ozonbelastung. Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon werden von der EUA als die drei Schadstoffe betrachtet, die die Gesundheit am meisten gefährden.

Stickstoffoxide

Stickstoffoxide, verkürzt auch Stickoxide genannt: Das ist die Sammelbezeichnung für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs, also für verschiedene Verbindungen aus den Atomen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O), in der chemischen Formelsprache als NOX bezeichnet. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen für Stromerzeugung, Verkehr, Industrie und in Haushalten - aus gasförmigem Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2). In Bezug auf die Luftqualität spielen vor allem die beiden wichtigsten Verbindungen Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) eine Rolle. Emittiert wird bei der Verbrennung überwiegend Stickstoffmonoxid (NO). Dieses tritt jedoch nicht großflächig in Erscheinung, da dieses Gas in der Atmosphäre schnell zu Stickstoffdioxid (NO2) oxidiert.

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Messgeräte an der Landshuter Allee in München. Für Stickstoffdioxid hat die Messstelle deutschlandweit die höchsten Messwerte

Erkrankungen der Atemwege

Hauptquelle der Stickstoffoxide in den Städten ist der Straßenverkehr, vor allem die Emission von Diesel-Motoren. Weil jedoch immer mehr alte Diesel-Fahrzeuge durch neue, sauberere Modelle ersetzt werden, sind die Emissionen laut Umweltbundesamt (UBA) seit langem rückläufig. Seit 1990, also in den letzten drei Jahrzehnten, sanken sie laut UBA um fast 66 Prozent. Dennoch sind nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EUA) die Konzentrationen, vor allem in den Ballungszentren, noch immer zu hoch.

Stickstoffdioxid ist ein starkes Oxidationsmittel, das zu Entzündungsreaktionen in den Atemwegen führen kann - mit Folgen wie Atemnot, Husten, Bronchitis, chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen. Nach Angaben des UBA werden bei hoher NO2-Konzentration auch mehr Menschen mit Erkrankungen der Atemwege und der Lunge sowie des Herzkreislauf-Systems in Krankenhäuser eingewiesen. Auch eine Zunahme der Sterblichkeit lässt sich nach Angabe der Behörde feststellen.

Überschreitung der Grenzwerte rückläufig

Der EU-Jahresgrenzwert für Stickoxid-Emissionen liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (40 µg/m³), also 40 Millionstel Gramm. Zudem gilt ein Ein-Stunden-Grenzwert für Stickstoffdioxid von 200 µg/m³, der pro Jahr nicht öfter als 18 mal überschritten werden darf. Immer mehr deutsche Städte können diese Grenzwerte einhalten. Während nach Angaben der Bundesregierung 2018 noch 42 Prozent der verkehrsnahen Messstationen in deutschen Städten einen zu hohen Stickstoffdioxid-Wert registrierten, waren es 2019 noch 21 Prozent und 2020 nur noch drei bis vier Prozent. Aktuell wird der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft laut Umweltbundesamt noch an einem Prozent aller Messstellen überschritten. Der Ein-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm wurde nirgends überschritten.

Weniger Städte mit zu hoher Belastung

Auch die Zahl der Städte, die eine zu hohe NO2-Belastung aufweisen, sinkt ständig. Im Jahr 2018 lagen noch 57 Städte über dem geltenden Grenzwert, 2019 waren es noch 25, 2020 sank die Zahl auf sechs, 2021 weiter auf drei. 2022 schließlich waren es nur noch zwei Städte: Essen und München. Die Stadt München hatte wegen zu hoher Stickoxidwerte Dieselfahrverbote im Zentrum ab Februar 2023 beschlossen.

Feinstaub

Neben Stickoxiden spielt bei der Luftverschmutzung Feinstaub eine große Rolle. Als Feinstaub bezeichnet man Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verbleiben. Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein oder durch menschliches Handeln entstehen. Hierzu zählen Verbrennungsprozesse in Kraftfahrzeugmotoren, Kraft- und Fernheizwerken, Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, bestimmte Industrieprozesse und auch der Umschlag von Schüttgut - etwa Baustoffe wie Sand, Kies und Zement oder Rohstoffe wie Kohle, Erze und Salze.

In Ballungsgebieten sind vor allem der Straßenverkehr und Bautätigkeiten wesentliche Feinstaubquellen. Beim Autoverkehr gelangt Feinstaub nicht nur durch die Verbrennung in den Motoren in die Luft, sondern auch durch Bremsen-, Reifen- und Fahrbahnabrieb sowie durch die Aufwirbelung von Staub auf der Fahrbahnoberfläche.

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Eine Feinstaubquelle von vielen: Hausbrandabgase aus Öfen und Heizungen

Unterschiedliche Feinstaubgrößen

Als Feinstaub im Allgemeinen werden dabei Staubpartikel bezeichnet, deren Durchmesser kleiner als 10 Mikrometer ist, das sind 10 Millionstel Meter. Diese Feinstaub-Größe wird auch als "PM10-Fraktion" bezeichnet. Eine Teilmenge dieser PM-10-Fraktion ist die sogenannte "Feinfraktion" der PM2,5 - also Partikel mit einer Größe von weniger als 2,5 Mikrometer oder 2,5 Millionstel Meter. Noch weit darunter liegen mit einer Größe von weniger als 0,1 Mikrometer - 100 Milliardstel Meter - die sogenannten "ultrafeinen Partikel", die zum Beispiel aus krebserregenden Verbrennungsrückständen stammen.

Noch laufen Forschungsvorhaben zur Messung, Charakterisierung und Bewertung ultrafeiner Partikel, um besser zu verstehen, wo Ultrafeinstaub herkommt, wie er transportiert wird, wie er sich verhält und wie er wirkt. Grenzwerte für Ultrafeinstaub gibt es noch keine.

Verringerte Lebenserwartung

Im Gegensatz zum Ultrafeinstaub ist die Wirkung von Feinstaub mit einer Größe von weniger als 10 Mikrometern (⁠PM10⁠) und weniger als 2,5 Mikrometern (⁠PM2,5⁠) gut untersucht. Die Partikel lösen Entzündungen und Stress in menschlichen Zellen aus. Ist jemand diesem Feinstaub über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, kann dies zu Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems sowie des Stoffwechsels führen.

Die Folgen können sein: Asthma, verringertes Lungenwachstum, Bronchitis, Lungenkrebs, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Diabetes Mellitus Typ 2 und Demenz. Durch kurzfristige hohe Belastungen über Stunden oder Tage hinweg kann es zu Bluthochdruck, und Herzrhythmusvariabilität kommen. Die Folge sind immer wieder Krankenhaus- und Notfalleinweisungen meist aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen.

90 Prozent aller Stadtbewohner gefährdet

Trotz des Rückgangs der Luftschadstoffe sind nach Angaben der EUA noch immer etwa 90 Prozent der Bewohner in europäischen Städten Luftschadstoffen in Konzentrationen ausgesetzt, die über dem als gesundheitsgefährdend erachteten Wert liegen. Die EUA berichtet von Schätzungen, denen zufolge sich die Lebenserwartung in Europa durch Feinstaubpartikel der Feinfraktion (PM2.5) in der Luft um mehr als acht Monate verringert.

Dabei verweist die EUA explizit auf Benzopyren, ein Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoff (PAK), der über die Atemluft aufgenommen wird und krebserregend wirkt. Benzopyren entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material wie Holz oder Kohle. Die größten Emittenten von Benzopyren sind die Öfen und Kamine der Haushalte. Daneben entsteht Benzopyren auch bei der Verbrennung von Kraftstoffen in Motoren. Für Benzopyren gilt europaweit seit 2013 ein Zielwert von 1 Nanogramm pro Kubikmeter Luft (ng/m³) als Jahresmittelwert.

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RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath, das zweitgrößte in Europa. Emissionen pro Jahr: 22.100.000 t CO2, 14.700 t Stickoxide und 357 t Feinstaub

Ozon

Ozon, ein farbloses und giftiges Gas, ist eines der wichtigsten Spurengase in der Atmosphäre. In einer Höhe von 20 bis 30 Kilometern schützt es als natürliche Ozonschicht die Erde vor der schädlichen Ultraviolettstrahlung der Sonne. In Bodennähe entsteht Ozon bei intensiver Sonneneinstrahlung durch komplexe photochemische Prozesse aus Vorläuferschadstoffen, vor allem Stickstoffoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen, die bei der Verwendung von Lösungsmitteln freigesetzt werden, aber auch bei der Verbrennung von Kraftstoff entstehen oder etwa in der Natur von Bäumen und Pflanzen freigesetzt werden. Deshalb wird Ozon als "sekundärer Schadstoff" bezeichnet.

Entzündung der Atemwege

In zu hoher Konzentration kann Ozon zu einer verminderten Lungenfunktion führen, zu Entzündungsreaktionen in den Atemwegen sowie Atemwegsbeschwerden. Diese Auswirkungen können sich bei körperlicher Anstrengung und dadurch erhöhtem Atemvolumen verstärken. Besonders gefährdet sind vorgeschädigte Personen wie Asthmatiker. Sie sollten bei erhöhten Ozonwerten körperliche Anstrengungen im Freien vermeiden. Ab einer Ozonkonzentration von 180 µg/m3 werden daher über die Medien Verhaltensempfehlungen an die Bevölkerung gegeben. Mit einem Wert von 240 µg/m3 ist die sogenannte Alarmschwelle erreicht. Ab diesem Wert besteht eine Gesundheitsgefahr für die Gesamtbevölkerung.

Weitere Luftschadstoffe

Neben den drei bedeutendsten Luftschadstoffen - Stickoxiden, Feinstaub und Ozon - gibt es noch eine Reihe weiterer Substanzen, die die Gesundheit von Menschen gefährden: Etwa Metalle, die sich an Feinstaubpartikel anlagern. Oder Ammoniak, eine gasförmige Verbindung des Stickstoffs, die sich in der Luft ausbreitet, mit anderen Luftschadstoffen reagiert und selber Feinstaub bilden kann. Ferner das in Benzin enthaltene Benzol, eine organische chemische Verbindung, die krebserregend ist. Oder Schwefeldioxid, ein farbloses, stechend riechendes, wasserlösliches Gas, das zu Schleimhautreizungen und Atemproblemen führen kann, dessen Konzentration in Deutschland jedoch deutlich unter den Grenzwerten liegt.

Eine Übersicht über diese und weitere Luftschadstoffe bieten zum Beispiel die Seiten des Umweltbundesamts (UBA), der Europäischen Umweltagentur (EUA), oder der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg.

Dieser Artikel ist erstmals am 13.11.2022 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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