Bei einer Demonstration gegen die Tesla-Erweiterung unter dem Motto «Tesla Nein Danke!» tragen Teilnehmer ein Transparent mit der Aufschrift "Nicht fordern - kämpfen! Enteignen Streiken Plündern"
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Linksextremismus in Deutschland - Wie gefährlich ist er?

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Linksextremismus in Deutschland - Wie gefährlich ist er?

Der Brandanschlag auf die Stromversorgung des Teslawerks und die Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette haben ein Schlaglicht auf die linke Szene geworfen. Thüringens Verfassungsschutzchef warnt vor einer Radikalisierung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Warnungen sind deutlich. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer spricht von einer Radikalisierung. Die linksextreme Szene setze die eigene Radikalisierung weiter fort - selbst auf lokaler Ebene. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betont, die Sicherheitsbehörden hätten den Linksextremismus nie vernachlässigt. "Es ist, ehrlich gesagt, für uns ein Phänomen, was wir in den letzten Jahren schon sehen, dass der Linksradikalismus härter wird, gewaltbereiter und vor solchen Aktionen nicht zurückschreckt, und da muss jetzt hart gehandelt werden."

Der Brandanschlag auf die Stromversorgung der Fabrik des US-Elektroautobauers Tesla und die Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette sind in diesem Zusammenhang der bisherige Höhepunkt.

"Bereitschaft, stärkere Gewaltstraftaten auszuüben nimmt zu"

Tom Mannewitz forscht seit Jahren zum politischen Extremismus auf beiden Seiten. Er ist Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und lehrt dort im Bereich politischer Extremismus. Er sagt: "Die Gewaltorientierung spielt eine immer größere Rolle im Linksextremismus und auch die Bereitschaft, stärkere Gewaltstraftaten auszuüben, höhere oder intensivere Gewaltstraftaten auszuüben. Das hat zugenommen in den verschiedenen linksextremistischen Spektren."

Links bedeute nicht automatisch linksextrem, so Mannewitz. Beim Linksextremismus gehe es um die Bekämpfung demokratischer Strukturen. Laut Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2022 stieg das linksextremistische Potenzial um 5,2 Prozent auf rund 36.500 Personen. Der große Teil sei nicht gewaltorientiert, so Extremismusforscher Mannewitz. Dennoch werde jeder Vierte als gewaltorientiert angesehen. Der Trend sei aber unverkennbar: "Ich nehme auch an, da wird 2023 kein Ausnahmejahr darstellen. Die Zahlen gehen im Grunde seit einer geraumen Zeit nach oben. Also, es werden immer mehr Linksextremisten."

Angleichung von Linksextremismus an Rechtsextremismus

Zum Vergleich: 38.800 Menschen ordnete der Verfassungsschutz im gleichen Zeitraum dem rechtsextremistischen Spektrum zu, darunter 14.000 gewaltbereite Personen. Auch Mannewitz sieht den Rechtsextremismus als größerer Bedrohung für die Demokratie.

Aber beim Thema innere Sicherheit beobachtet er folgende Entwicklung: Der Linksextremismus gleiche sich immer mehr dem Rechtsextremismus an. Es gebe eine gewisse Annäherung an das Gewaltstraftatenaufkommen vom Rechtsextremismus, was die Gewaltintensität und die Planungsintensität angehe. Die Neigung nehme zu, härteste Gewalt gegen Menschen und Dinge mit hohem Sachschaden auszuüben.

Erklärung für Zulauf

Mannewitz erinnert an die Gruppe um Lina E., die ein sehr planungsmäßiges Vorgehen hatte, auch nach dem Prozess um die Kerngruppe. Das lasse darauf schließen, so der Extremismusforscher, dass es noch weitere Akteure gebe.

Der Fall Lina E. sorgte bundesweit für Aufsehen: Die Studentin war im vergangenen Jahr wegen teils brutaler Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Als Reaktion auf die Urteilsverkündung hatte die linksextreme Szene überregional für einen "Tag X" nach Leipzig mobilisiert, ihrem Wohnort. Es kam an mehreren Tagen zu Randalen und Ausschreitungen.

Mannewitz erklärt sich den Zulauf im Linksextremismus mit dem Zulauf bei rechten Parteien: "Wenn es eine starke Berichterstattung über Rechtsextremismus gibt, wenn rechtsextremistische Parteien Zulauf erfahren oder Wahlerfolge einheimsen können. Wenn es rechtsextremistische Demonstrationen gibt, Gewalt gibt. Denken Sie an die sogenannte Flüchtlingskrise 2015/2016. Das waren alles Zeiträume, wo auch der Linksextremismus überaus aktiv gewesen ist. Also, er reagiert in aller Regel."

Gegen den "grünen Kapitalismus"

In diesem Kontext müsste auch der Anschlag auf die Stromversorgung von Tesla in Grünheide gesehen werden. Denn die Klimaschutzbewegung sei ein externer Faktor, so Mannewitz, auf den Teile der deutschen Linksextremismusszene reagieren würden: In verschiedenen Selbstbezichtigungsschreiben sei die Rede von einem "grünen Kapitalismus". Das spreche im Grunde Bände darüber, dass man versuche, das Wasser, das vom Klimaschutz komme, auf die eigenen Mühlen zu leiten und für den Kampf gegen den Kapitalismus im Grunde zu instrumentalisieren, so Mannewitz.

RAF als Vorbild

Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer warnt, dass die Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung immer weiter sinke. "Waren es gestern noch Aktionen, bei denen die Luft in den Reifen von SUVs abgelassen wurde, sind es heute Brandanschläge gegen die kritische Infrastruktur. Das sind keine Lausbubenstreiche." Die RAF diene vielen als Vorbild und es werde deutlich, dass im Bereich des Linksextremismus immer häufiger verdeckte Kleingruppen, die europaweit vernetzt seien, die Täter seien.

Im Video (9. März 2024): Interview mit Extremismus-Experte Jürgen P. Lang zum Linksextremismus

Jürgen Lang über Anschläge aus dem linksextremen Spektrum.
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Der Politikforscher und Extremismus-Experte geht im Interview auf die Hintergründe der jüngsten Anschläge ein.

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