Eine Frau geht an einer zerstörten Werbetafel mit dem Bild eines Fötus in einer herzförmigen Gebärmutter vorbei.
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Eine Frau geht an einer zerstörten Werbetafel mit dem Bild eines Fötus in einer herzförmigen Gebärmutter vorbei.

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Liberalisierung von Abtreibungen? "Können wir nicht akzeptieren"

Eine Regierungskommission hat eine Reform des Abtreibungsrechts empfohlen. Auch die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft und die Eizellspende sollen erlaubt werden. Theologen und Vertreterinnen christlicher Verbände sind besorgt.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission empfiehlt eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Deutschland. In ihrem am Montag in Berlin vorgestellten Bericht rät das Gremium, Abtreibungen im frühen Stadium der Schwangerschaft zu erlauben und nicht mehr im Strafrecht zu regulieren.

Gremium: Abtreibung in den ersten zwölf Wochen sollte straffrei sein

"Wir respektieren die Entscheidungen der Frauen, erwarten aber vom Gesetzgeber klare Rahmenbedingungen", sagt Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in einer ersten Stellungnahme. Bisher hatte das höchste katholische Laiengremium den Kompromiss beim Paragraf 218 auch stets mitgetragen: Bis zur zwölften Woche wird Abtreibung demnach strafrechtlich nicht verfolgt, sofern die schwangere Frau ein Beratungsangebot wahrgenommen hat. Grundsätzlich aber ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig.

Doch diese klaren Rahmenbedingungen könnten nach dem Vorschlag der Expertenkommission nun geändert werden. Eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen empfiehlt die Kommission in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. "Das würde aus unserer Sicht das Ende eines klaren Lebensschutzkonzeptes bedeuten", so Stetter-Karp. "Wir vertreten, dass menschliche Würde von Anfang an besteht. Die Empfehlung der Kommission kommt einer Fristenregelung gleich, das können wir nicht akzeptieren, weil wir die Würde des Embryos in den ersten Wochen nicht ausreichend gewürdigt sehen."

Bischöfe: Vollwertiger Lebensschutz ab Einnistung der befruchteten Eizelle

Damit argumentiert Stetter-Karp wie die deutsche Bischofskonferenz. Deren Vorsitzender, Limburgs Bischof Georg Bätzing, verweist dabei auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das habe schließlich einen vollwertigen Lebensschutz des ungeborenen Kindes ab dem Zeitpunkt der Einnistung der befruchteten Eizelle unterstrichen.

Eine Neuregelung lehnen Bischöfe und Verbände unisono ab, manche aber sogar die bisherige Regelung. Gruppierungen aus dem rechtskonservativen katholischen Spektrum verurteilen jeglichen Schwangerschaftsabbruch. Sie waren erst am Wochenende in München beim Marsch für das Leben auf der Straße.

Theologin: Bericht "sehr differenziert" und "kritisch abwägend"

Die katholische Theologin und Ethikerin Kerstin Schlögl-Flierl von der Universität Augsburg findet den Bericht "sehr differenziert". Bei der Vorstellung des Papiers habe sie die Experten als "sehr kritisch abwägend" wahrgenommen.

Auch sie hat ganz grundsätzliche Bedenken bei der Frage nach einem "abgestuften Lebensschutz", je nach Entwicklungsstadium des Embryos. Die Aufkündigung des Kompromisses zur Straffreiheit bei Abtreibung bis zur 12. Woche sieht sie daher kritisch und warnt vor einem "Kulturkampf" zwischen Abtreibungsgegnern und -befürwortern, wie man ihn in anderen Ländern aktuell beobachten könne.

Entsprechend wünsche sie sich eine sensible Debatte ohne Polemisierung und Polarisierung, einen "seriösen Lebensschutz ohne Gehsteigbelästigung", die die Ampel-Regierung gesetzlich verbieten will, und die Beibehaltung einer Beratungspflicht beim Schwangerschaftsabbruch.

Positiv überrascht ist Schlögl-Flierl von den "wirtschaftlichen Abwägungen" zu Eizellspende und Leihmutterschaft, die äußerst kritisch benannt worden seien. Das Papier sieht sie als Anstoß, sich wieder "neu der eigenen Argumente zu vergewissern".

"Bessere Bedingungen für die junge Mutter mit Kind"

Andere verweisen auf die individuelle Lage der Frauen und setzen sich für Beratungsangebote für Frauen mit Schwangerschaftskonflikt ein. Birgit Kainz zum Beispiel engagiert sich im christlichen Beratungsverein Donum Vitae. Die bayerische Landesvorsitzende vom Katholischen Deutsche Frauenbund ist gegen eine Legalisierung und fürchtet, dass dann die verpflichtende Beratung wegfallen könnte.

Diese hatten im vergangenen Jahr bei einer Umfrage von Donum Vitae 94 Prozent der Frauen als äußerst hilfreich bewertet. Und Elisabeth Kainz fehlt in der aktuellen Diskussion noch ein Gedanke: Es sollten auch bessere Bedingungen für die junge Mutter mit Kind geschaffen werden. "Wir sollten schauen, dass die Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden besser gehandhabt werden kann."

Der Tenor aus den katholischen Verbänden ist klar: Es ist falsch, einen guten Kompromiss jetzt aufzukündigen. Und genauso zurückhaltend sind sie auch bei den Fragen nach einer Legalisierung der Eizellspende oder der Leihmutterschaft.

Evangelische Kirche gespaltener als katholische

Die Evangelische Kirche ist da deutlich gespaltener als die katholische Kirche. Der Münchner evangelische Theologe und Ethiker Reiner Anselm gibt zu bedenken, dass die Expertenkommission schließlich einer Wirklichkeit folge. Abtreibung sei straffrei bis zur zwölften Woche möglich. Und auch Eizellspende und Leihmutterschaften seien ja bereits Realität.

Da sei mehr Wohlwollen gegenüber den faktischen Entwicklungen dieser Partnerschaft notwendig, meint Anselm: "Es haben sich an bestimmten Punkten Dinge auseinandergelebt, die müssen auf eine neue Grundlage gestellt werden, und dann ist es auch zukunftsfähig."

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wollte sich zu den Vorschlägen der Expertenkommission erst einmal nicht äußern. Eine Sprecherin verwies auf eine interne Arbeitsgruppe, die die ethischen Aspekte noch einmal beraten wolle.

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