Ferienparadies Kroatien - Die Schattenseiten des Booms
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Ferienparadies Kroatien - Die Schattenseiten des Booms

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Ferienparadies Kroatien - Die Schattenseiten des Booms

Kroatien steht für traumhafte Strände und zauberhafte Altstädte. Ein Ferienparadies - beliebt, vor allem bei deutschen Touristen. Doch das Idyll steht auf dem Spiel. Einheimische machen sich Sorgen: Droht hier ein Schicksal wie auf Mallorca?

Über dieses Thema berichtet: BR Story am .

Kroatien hat Konjunktur: 6.000 Kilometer Küste, gute Erreichbarkeit – das macht vor allem die Region Istrien attraktiv als Badeparadies. Und für Investments. DokThema geht der Frage nach, was das für das Land bedeutet. Einerseits spült es natürlich Geld in die Kassen. Andererseits macht der Boom nicht Halt vor Natur, Kultur und dem Leben der Einheimischen.

  • Zum Artikel: Kroatien wird Euro-Land: Was Touristen wissen müssen

Boom-Faktor Corona

Kroatien ist schon länger beliebt bei den Touristen als bezahlbare Urlaubsregion am Meer. Ein regelrechter Boom startete jedoch mit Kroatiens EU-Beitritt. In ganz Istrien gab es vor dem EU-Beitritt 2013 rund 30.000 Gästebetten. Danach hat sich die Zahl innerhalb der letzten zehn Jahre verzehnfacht. Auch durch Corona.

Als während der Pandemie der Flugverkehr in ganz Europa zusammenbrach, war das Interesse an der nahen Ferienregion noch einmal gestiegen: Nach Istrien kommt man gerade aus Deutschland und Österreich auch schnell mit dem Auto.

Infrastruktur knickt ein – privater Immobilienerwerb ein Problem

Doch was macht diese Entwicklung mit Land und Leuten? Während für manche das Geschäft brummt, kommt die Infrastruktur an ihre Grenzen: Das Wasser wird im Sommer knapp, die Kanalisation beginnt zu stinken, viele Orte sind übervoll. Zudem bleibt das verdiente Geld längst nicht mehr bei den Einheimischen: Diese Region ist nun auch hochgeschätzt bei Anlegern aus dem Ausland. Ganze Städte sind fest in der Hand von ausländischen Investoren, an allen Ecken verdrängen Apartmenthäuser historische Stadtbilder. Denn die Vermietung in den Altstädten lohnt sich: Die Besteuerung von Privatvermietungen ist in Kroatien äußerst gering.

Das Wachstum auf dem kroatischen Tourismussektor zieht auch private Immobilienkunden an. Tatsächlich hat sich der Immobilienerwerb durch ausländische Käufer in Kroatien allein von 2020 auf 2021 verdoppelt. Bei Deutschen betrug der Zuwachs sogar 70 und bei Österreichern 74 Prozent. 2022 hat der Immobilienmarkt noch einmal um 9,4 Prozent zugelegt. Viele Makler verkaufen Wohnungen und Häuser im Luxussektor. Das Land sei bald die neue Cote d´Azur, prophezeit der Luxus-Makler Patrick Kohl.

Sorgen der Einheimischen wachsen

Die Folge: Bezahlbarer Wohnraum für Einheimische ist knapp – was auch zu großer Personalnot in allen Dienstleistungsbereichen führt: Lokale Arbeitskräfte wandern ab, weil sie sich in anderen Orten besseren Lohn versprechen. Kein Wunder, dass immer mehr Einheimische um ihre Heimat bangen. Selbst das Tourismusministerium von Istrien ist inzwischen alarmiert.

"Wie soll es mir schon gehen, wenn im Hochsommer das Wasser knapp wird, wir kein Internet mehr haben und keinen Parkplatz finden, ich kaum zu meinem Arbeitsplatz komme wegen der Staus, mit meinen Kindern nicht im Meer schwimmen kann. Ich fühle mich nicht besonders gut. Ich denke, es kann nicht immer um Wachstum gehen, wenn wir nicht die Voraussetzungen für eine ausreichende Infrastruktur schaffen und mit dem Ausbau nicht mehr hinterherkommen", sagt Nina Kukurin vom Tourismusministerium Istrien.

Strenger Naturschutz mit Schlupflöchern

Und was ist mit den unberührten Küsten? Die sind durch strenge Auflagen geschützt. Eigentlich. "Grundsätzlich sind es 1000 Meter zum Meer, die grundsätzlich nicht bebaut werden, es sei denn, es gibt ein Konzept für ein Hotel oder, oder irgendeine Siedlung, die dorthin sollte aus gewissen Gründen", betont der Immobilienmakler Patrick Kohl – und zeigt dabei auch schon das Schlupfloch der Regelung auf.

Silvia Buttignoni ist Geschäftsführerin der staatlichen Naturschutzorganisation Natura Histrica und betreut naturgeschützte Flächen im Küstenbereich. Sie macht sich gerade um die bislang unberührten Küsten Sorgen. Immer öfter muss sie beklagen, dass der Küstenschutz das Nachsehen hat, wenn es um die Weiterentwicklung des Tourismus geht. So wie in Savudrija: Hier soll die längste Küstenpromenade am gesamten Mittelmeer entstehen: über 40 Kilometer. Etwa fünf Kilometer sind schon zubetoniert. Für die Naturschützerin völlig unverständlich, schließlich ist gerade die in weiten Teilen unverbaute Küste einer der großen Vorzüge Istriens. Ihre Erklärung: "Die Touristen des Luxushotels wollen es komfortabel haben – und nicht lange durch die Natur stolpern."

Genau hier spiegelt sich das Dilemma aller Tourismusdestinationen wider: Jeder sucht das Authentische, und zerstört es dadurch – oft unwiederbringlich.

Reformen dringend notwendig – auch bei Tourismusbebauung

Doch warum hat die Regierung hier eine Ausnahme gemacht – und die Verbauung erlaubt? Kroatien ist ein junges Land innerhalb der EU. Und viele überkommene Strukturen aus früheren Zeiten müssen erst noch reformiert werden. Zudem ist Korruption in Kroatien immer noch ein Thema, das Land belegt laut Transparency International Platz 57 von 180 weltweit untersuchten Ländern.

Bei der Bekämpfung eines Problems ist zumindest ein Startschuss gefallen: im Wildwuchs der Tourismusbebauung. Zusammengewürfelte Feriensiedlungen findet man überall in Istrien, quasi der Platz an der Sonne für den schmalen Geldbeutel. Vor allem Slowenen, Österreicher und Deutsche schlagen zu. Dass es sich bei den billig erworbenen Grundstücken aber oft gar nicht um Bauland handelt, ahnen manche beim Kauf nicht. Dabei würde ein Blick ins digitale Grundbuch genügen. Geschätzt 50.000 solcher Feriensiedlungen soll es verteilt über ganz Kroatien geben, doch keiner weiß das so genau.

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Wildwuchs-Siedlung in Kroatien

30 Jahre lang war der Wildwuchs geduldet – doch neuerdings geht die kroatische Regierung dagegen vor. Die illegalen Bauten müssen von den Eigentümern abgerissen werden. Allerdings: Für ganz Istrien ist nur eine einzige Inspektorin zuständig – so kommt das Durchgreifen der Regierung nur sehr langsam voran. Doch warum diese Unterbesetzung? Zufall – oder Methode? Fest steht, die Maßnahme bringt in den Augen der Betroffenen eine Ungerechtigkeit ans Licht: Das Messen mit zweierlei Maß, denn der Luxustourismus wird häufig geduldet.

Umdenken – damit Kroatien seine Identität behält

Immer lauter werden deshalb die Stimmen, die ein Umdenken für Kroatien fordern: Eine Limitierung des Tourismus, wie sie beispielsweise in Südtirol mittlerweile umgesetzt wird, wäre eventuell eine Lösung. Doch die Zwickmühle ist unübersehbar: Einerseits verdient das Land mit den vielen Urlaubern viel Geld, andererseits fühlt es sich von den Massen überfordert.

Umweltschützer und Einheimische fordern einen Bewusstseinswandel in Politik und Gesellschaft. Damit es nicht irgendwann zu spät ist und das Land unwiederbringlich seinen großen Charme und seine Identität verliert.

Dieser Artikel ist erstmals am 19. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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