Wladimir Putin, Präsident von Russland, und Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, am 13. September
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Wladimir Putin, Präsident von Russland, und Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, am 13. September

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Kim Jong Un und Putin – die Achse der Isolierten

Sechs Tage verbrachte der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un zuletzt im Fernen Osten Russlands. Wladimir Putin rollte ihm den roten Teppich aus. Hier schließen sich zwei Machthaber zu einer neuen Achse der Isolierten zusammen.

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Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA überschlug sich naturgemäß in Superlativen: Die Russland-Reise des "respektierten Kameraden Kim Jong Un" habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, "an dem eine neue Blütezeit der Freundschaft, der Solidarität und der Zusammenarbeit in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Ländern beginnt." Noch nie hatte der nordkoreanische Diktator so lange sein hermetisch abgeriegeltes Herrschaftsgebiet verlassen, um mit seinem gepanzerten Eisenbahnzug über die Grenze zu rollen und den russischen Präsidenten zu besuchen.

Putin breitete für Kim am 13. September den großen roten Teppich aus: Empfang mit Handschlag, der 40 Sekunden andauerte; dann mehrstündiges Treffen samt Rundgang über den Kosmodrom von Wostotschny, wo Russlands Trägerraketen für die Raumfahrt präsentiert wurden. Zudem: Besichtigung der russischen Kampfflugzeug-Schmiede in Komsomolsk am Amur, die von westlichen Sanktionen betroffen ist, sowie der Pazifikflotte im Hafen von Wladiwostok. Im Zentralorgan des nordkoreanischen Machthabers hieß es anschließend, Kim habe in Russland "unsterbliche externe revolutionäre Aktivitäten durchgeführt".

Isoliert in Sibirien

Wenn der russische Präsident dazu gezwungen sei, in den entlegenen Fernen Osten zu fahren, "um den Anführer eines schwer bewaffneten, aber verarmten Landes zu treffen, zeigt das, wie einsam er geworden ist". Das Bild von Putin und Kim in Sibirien sei ein "Bild der Isolierung". Diese Einschätzung der schwedischen Tageszeitung "Aftonbladet" wird in westlichen Regierungskreisen geteilt. Bereits im Vorfeld der sorgsam inszenierten Visite des nordkoreanischen Diktators richtete der britische Außenminister James Cleverly das Augenmerk auf den offenkundigen Machtverlust Putins: Die Tatsache, dass sich Putin an Nordkorea wendet, um Hilfe zu bekommen, sei ein "Zeichen der Verzweiflung und Isolierung Russlands".

Nordkoreas Waffenbestände

Nordkorea verfügt seriösen Schätzungen zufolge über Dutzende Millionen Artilleriegeschosse und Raketen, die noch auf der alten, sowjetischer Rüstungstechnik basieren. Enorme Waffenbestände, die sich Russland angesichts des dramatisch hohen Verbrauchs von Artilleriemunition in der Ukraine sichern will. Sowohl die US-Regierung als auch Südkoreas Regierung äußern seit längerem den Verdacht, dass Russland versuchen könnte, Munition von Kim Jong Un zu erwerben, um seine geschrumpften Bestände aufzustocken. Nordkorea wiederum könnte von Russland technologische Hilfe für seine Atom- und Raketenprogramme erhalten. Putin jedenfalls räumte nach Angaben russischer Medien bei seinem Treffen mit Kim auf die Frage ein, ob Russland Nordkorea, das seit Jahrzehnten mit strengen UN-Sanktionen belegt ist, bei der Entwicklung von Satelliten unterstützen würde: "Deshalb sind wir hierhergekommen. Der nordkoreanische Führer zeigt großes Interesse an der Raketentechnologie. Sie versuchen auch, die Raumfahrt zu entwickeln."

Wird gegen UN-Beschlüsse verstoßen?

Amerikanischen Regierungsangaben zufolge hat Russland bereits im Spätherbst 2022 Munition von Nordkorea bezogen. Die "Wagner-Gruppe" des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin, der im letzten Monat bei einem spektakulären Flugzeugabsturz ums Leben kam, habe von Nordkorea Panzerabwehrwaffen und Raketen erhalten. John Kirby, Sprecher des US-Sicherheitsrats, sagte im Dezember letzten Jahres: "Wir sind wirklich besorgt, dass Nordkorea vorhat, weitere militärische Güter zu liefern." Zudem verstießen diese Lieferungen gegen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats, die die Weltgemeinschaft seit den 90er Jahren gegen Nordkorea verhängt hat. Nordkorea forciert seit Jahrzehnten ein höchst ambitioniertes Nuklear- und Rüstungsprogramm, entwickelt nach Kurz- und Mittelstreckenraketen mittlerweile auch ballistische Interkontinentalraketen.

Südkorea fühlt sich bedroht

Die Rüstungsgeschäfte zwischen Moskau und Pjöngjang gefährden nicht allein die Sicherheit der Ukraine, sondern nach Worten des Präsidenten Südkoreas, Yoon Suk Yeol, auch die Sicherheit seines Landes. Bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen warnte Yoon: Es wäre eine "Provokation", falls Nordkorea im Austausch gegen Waffenlieferungen an Russland die nötige Technologie für die Verbesserung seiner eigenen Massenvernichtungswaffen erhalte. Damit verstoße Nordkorea gegen die Sanktionsbeschlüsse des UN-Sicherheitsrats. Nordkorea hatte in diesem Jahr zweimal vergeblich versucht, Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. An russischem Knowhow bei der Entwicklung von Spionage-Satelliten ist der nordkoreanische Diktator daher mehr denn je interessiert.

Warnungen des UN-Generalsekretärs

UN-Generalsekretär António Guterres muss sich seit dem russischen Angriffskrieg mit der paradoxen Situation abfinden, dass mit Russland ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates samt Veto-Recht gegen die Charta der Vereinten Nationen bedenkenlos verstößt. Dass nunmehr Russland mit Nordkorea, einem Land, das vom UN-Sicherheitsrat mit der Stimme Russlands seit über zwei Jahrzehnten mit massiven Sanktionen belegt ist, in Sachen Rüstung und Technologie eng zusammenarbeiten wird, macht es Guterres noch schwerer, die diplomatische Form zu wahren.

Auf einer Pressekonferenz warnte der UN-Generalsekretär deshalb Russland nur indirekt vor Rüstungsgeschäften mit Nordkorea: "Jede Form der Zusammenarbeit eines Landes mit Nordkorea muss das vom Sicherheitsrat verhängte Sanktionsregime respektieren". Die US-Regierung bereitet sich jedenfalls schon darauf vor, falls Putin gegen seine eigene Ankündigung, "sich an die Sanktionen“ halten zu wollen, verstößt. Es sei klar, dass Russland alle nur erdenklichen Möglichkeiten ausschöpft, "weil es Schwierigkeiten hat, sein Militär zu unterhalten". Ein Abkommen zwischen den Ländern würde gegen bestehende Sanktionen verstoßen, so James O'Brien, im US-Außenministerium für die Koordinierung der Sanktionen zuständig.

"Vereinbarungen bleiben vorerst geheim"

An die Öffentlichkeit werde es jedenfalls nicht so rasch dringen, ob und in welchem Umfang Nordkorea Munition an die russischen Streitkräfte liefern wird und was Pjöngjang dafür von Moskau bekommt. So zitiert die Nachrichtenagentur AP einen russischen Wissenschaftler, Alexander Woronzow vom Institut für Asienstudien der Russischen Akademie der Wissenschaften, mit der zutreffenden Einschätzung: "Wir können davon ausgehen, dass die meisten der getroffenen Vereinbarungen vorerst geheim bleiben werden."

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