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Bund kippt Palantir-Software: Bayern steht fast alleine da

Die bundesweite Einführung der umstrittenen Polizei-Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir ist offenbar vom Tisch. Interne Dokumente zeigen, dass Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit einem entsprechenden Vorschlag gescheitert sind.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es hätte ein großer Schritt werden sollen. Drei Bundesländer brachten nach BR-Informationen auf der Innenministerkonferenz Mitte Juni in Berlin einen Beschlussvorschlag ein, die Polizei-Analyse-Software des umstrittenen US-Unternehmens Palantir bundesweit einzusetzen.

Das erklärte Ziel: die Analysefähigkeit der Polizeibehörden von Bund und Ländern zu verbessern, um schwere und organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Doch daraus wurde nichts. Interne Unterlagen, die dem BR vorliegen, zeigen, wie Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen mit ihrem Vorstoß gescheitert sind.

Treibende Kraft hinter dem Vorschlag war offenbar das hessische Innenministerium. Im Vorfeld der Konferenz ging eine Mail aus dem Ministerium von Peter Beuth (CDU) an Vertreter der sieben anderen Unions-geführten Innenministerien. Ziel war es, die bundesweite Einführung der Palantir-Software auf die Tagesordnung der Konferenz zu hieven. In einem beigefügten vorläufigen Beschlussvorschlag heißt es, der Einsatz der Palantir-Software sei "zwingend erforderlich", um die Analysefähigkeit der Polizeien des Bundes und der Länder "zeitnah spürbar zu verbessern".

  • Zum Artikel: Polizei-Software von Palantir: Hohe Kosten schon vor Einsatz

Bundesweite Einführung schon länger im Gespräch

Eine bundesweite Einführung der Software war unter dem Begriff "Bundes-VeRA" schon länger im Gespräch, um die Zusammenarbeit der deutschen Polizeibehörden zu verbessern. Bayern hat 2022 einen Rahmenvertrag mit Palantir geschlossen, den alle Länder und der Bund ohne erneute Ausschreibung abrufen können.

Das US-Unternehmen verspricht, dass mit dem Programm mehrere Polizei-Datenbanken gleichzeitig durchsucht und in Ermittlungsverfahren Querverbindungen sichtbar gemacht werden können. Unter Sicherheitspolitikern und Datenschützern ist die Palantir-Software allerdings hoch umstritten. Kritiker befürchten, dass der Einsatz der Software datenschutzrechtliche Grundsätze verletzen könnte.

Auch Unions-Länder lehnen Beschlussvorschlag ab

Hessen nutzt bereits seit 2017 Palantir-Software. Nun setzte das hessische Innenministerium offenbar darauf, auch bei den anderen Unions-Innenministerien Zustimmung für den Vorschlag zu bekommen. Doch die blieb aus: "kein Beitritt bei VeRa", hieß es aus Baden-Württemberg in die Runde. Ebenso aus Schleswig-Holstein. Nur die Innenministerien aus Nordrhein-Westfalen und Bayern unterstützten den Vorschlag aus Hessen im Vorfeld - also die Länder, die ebenfalls bereits laufende Verträge mit Palantir haben. Beschlossen wurde der Vorschlag am Ende nicht. "Die Angelegenheit wurde erörtert", heißt es in der Beschlussniederschrift der Innenministerkonferenz, die BR Recherche vorliegt.

Bundesinnenministerin Faeser rückt von Palantir ab

Wenige Tage nach der Konferenz verschickte das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) dann eine deutliche Palantir-Absage an Bund und Länder. Das Schreiben liegt dem BR vor. Die Leitung des Ministeriums habe entschieden, "keine seitens des Bundes betriebene Plattform einzurichten". Und das, obwohl das Projekt nach BR-Informationen offenbar weit fortgeschritten war. Auf Anfrage schreibt das Ministerium, Ziel sei nun eine "herstellerunabhängige Anwendungsbereitstellung".

Hessens Innenminister Beuth wittert darin eine Wahlkampftaktik von Faeser, die als SPD-Spitzenkandidatin zur hessischen Landtagswahl antritt: "Es ist sehr bedauerlich, dass ausgerechnet die Bundesinnenministerin ihren Behörden aus wahlkampftaktischen Gründen das moderne Analysewerkzeug verweigert", wird er in einer Pressemitteilung seines Ministeriums zitiert. Dass auch die Mehrzahl der anderen Bundesländer Palantir offenbar nicht einsetzen will, erwähnt Beuths Ministerium nicht.

Mehrere CDU-geführte Innenministerien erklärten auf BR-Anfrage, dass für sie ein Vertrag mit Palantir derzeit nicht in Frage kommt: Schleswig-Holstein etwa teilt mit, es sei kein fachlicher Bedarf identifiziert worden, "der ausschließlich durch eine Software der Firma Palantir bedient werden könnte". Aus Sachsen heißt es, gegenwärtig lägen "keine fachlichen Anforderungen vor, die den Einsatz dieser Software erfordern".

Die SPD-geführten Innenministerien der Länder rücken sogar geschlossen von dem US-Unternehmen Palantir ab: Hamburgs Innenbehörde, die ursprünglich selbst an Palantir-Software interessiert war, betont nun stellvertretend für die SPD-Ressortchefs die "Vorrangigkeit europäischer Lösungen bei größeren Beschaffungsvorhaben im Sicherheitsbereich". Man spreche sich für eine entsprechende Marktanalyse aus.

Innenexperten fordern eigene Lösung

Konstantin von Notz, Innenexperte der Grünen, sagte dem BR, es sei eine richtige Entscheidung, nicht auf Palantir zu setzen. Es sei höchste Zeit, sich für eine gemeinsame Lösung zu entscheiden, die in deren eigener Hoheit liege: "Es darf keine Vermischung geben von hoheitlicher Tätigkeit mit privatwirtschaftlichen Datenverarbeitungsinteressen und insofern ist die Politik und sind die Behörden in der Pflicht, hier schnell eine Lösung herbeizuführen." Auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Renner begrüßt die Entscheidung des Bundes, von Palantir abzurücken. Sie fordert im BR-Interview eigenständige Entwicklungen der Behörden, bei denen man über den Quellcode verfügt: "Das hat den großen Vorteil, dass man dann genau weiß, was das Programm macht."

Arnold: "Finanzielles Desaster" für Bayern

Bayern ist seit 2022 Palantir-Kunde. In einem Fünfjahresvertrag verpflichtete sich der Freistaat zu jährlichen Zahlungen von rund fünf Millionen Euro an das US-Unternehmen. Dabei darf die bayerische Polizei das Programm trotz laufender Zahlungen gar nicht nutzen. Es fehlt eine gesetzliche Grundlage. Und die werde in der laufenden Legislaturperiode auch nicht mehr kommen, bestätigt ein Ministeriumssprecher dem BR. "Ein genauer Zeitplan liegt dafür noch nicht vor." Der bayerische Landtagsabgeordnete Horst Arnold (SPD) spricht im BR-Interview von einer innenpolitischen Blamage und einem finanziellen Desaster: "Da hat sich der Freistaat Bayern als vermeintlicher Musterknabe mal gründlich und ohne Not krachend verspekuliert."

Das bayerische Innenministerium betont, die anderen Bundesländer könnten weiterhin den bayerischen Rahmenvertrag nutzen, um Leistungen von Palantir abzurufen. Hessen teilte auf BR-Anfrage mit, man habe einen laufenden Vertrag und werde die Software auf dieser Grundlage "weiterhin entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einsetzen". Auch die Polizei Nordrhein-Westfalens werde die Software weiter nutzen "und auch von den positiven Erfahrungen mit der Anwendung berichten", teilte das dortige Innenministerium mit.

Auch bei der europäischen Polizeibehörde Europol war die Palantir-Software im Einsatz. Europol schaffte sie vor einigen Jahren wieder ab. Sie sei weder den Anforderungen von Europol, noch denen der Kooperationspartner in den EU-Mitgliedstaaten gerecht geworden, teilte die Behörde dem BR bereits im vergangenen Jahr mit. Papieren zufolge, die dem BR vorliegen, wurden deutsche Behörden darüber umfassend informiert.

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